Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter S***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 (erster Fall) StGB und des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (erster Fall) StGB schuldig erkannt, weil er von Anfang 1988 bis Anfang Jänner 1993 seine am 19.Jänner 1980 geborene, unmündige Tochter Gabriele veranlaßte, an ihm einen Hand- und Mundverkehr auszuführen, seinen Zeigefinger in ihre Scheide einführte sowie einmal einen Analverkehr mit ihr ausübte und (einen solchen) ein weiteres Mal unternahm, womit er sie auf andere Weise als durch Beischlaf (1.) und durch die beschriebenen Taten sein minderjähriges Kind zur Unzucht mißbrauchte (2.).
Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde versagt.
Die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet (nach weitwendiger Wiederholung des Kerns der Verantwortung des Angeklagten vor dem Erstgericht), durch die Abweisung von Beweisanträgen habe das Schöffengericht seine Verteidigungsrechte verletzt. Bezüglich jener Anträge, die vom Angeklagten nicht in der der Urteilsschöpfung vorangehenden Hauptverhandlung gestellt oder wiederholt wurden, mangelt es der Beschwerde bereits an der formellen Voraussetzung zur Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes (Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 281 Z 4 E 1). Darüber, welche Beweise in der Hauptverhandlung beantragt wurden, gibt aber ausschließlich das damals aufgenommene Protokoll Aufschluß. In der Hauptverhandlung (vom 10.November 1993) wurden seitens des Angeklagten folgende Anträge gestellt (und wörtlich protokolliert, siehe ON 58):
"Der Verteidiger stellt nachfolgende Anträge:
1. Er wiederholt den Antrag auf Untersuchung des Mädchens durch einen gerichtsmedizinischen Sachverständigen hinsichtlich einer Vernarbung im Analbereich;
2. das bisherige Verfahren hat ergeben, daß die Angaben der Gabriele S***** bezüglich des Videorecorders falsch ist und auch hinsichtlich des Ansehens von Pornokassetten, im Hinblick auf die erste Regel, und daß ein solcher Umstand in der Lage ist die Aussage einer Minderjährigen massiv zu beeinflussen, dies zum Beweis dafür, daß tatsächlich diese Pornokassetten massiv im Zusammenhang mit der ersten Menstruation die Aussage der Zeugin beeinflußt haben und zwar auf die Phantasie der Gabriele S*****, weiters wird eine Ergänzung der Befundung durch Prof.Friedrich beantragt, und zwar unter Vorführung des Pornofilms beim Sachverständigen Dr.Friedrich, damit eine konkrete Abstimmung der Aussage der Gabriele S***** mit dem Pornofilm "Anal" und die Auswirkung auf die Zeugenaussage erfolgen kann." (S 265, 267).
Der Antrag auf Untersuchung des Opfers durch einen gerichtsmedizinischen Sachverständigen über Verletzungen im Analbereich wurde vom Schöffengericht (mit im Urteil nachgeholter Begründung; US 17) berechtigterweise abgelehnt. Nach den (aktengetreuen: S 68, 69; 195) Feststellungen (US 7) hat der Angeklagte den Analverkehr an seiner Tochter einmal (kurzzeitig, nur mit zwei oder drei Bewegungen, siehe S 68) ausgeführt und nach deren Klage über Schmerzen wieder davon abgelassen und ihn ein weiteres Mal unternommen (S 69, 195). Das Kind blutete dabei nicht (S 195).
Die Tatrichter sind damit zu Recht davon ausgegangen, daß bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung nach solchen jahrelang zurückliegenden (geringfügigen und kurzzeitigen) Mißbrauchshandlungen der Mangel einer objektivierbaren Verletzungsspur die Täterschaft des Angeklagten nicht ausschließen kann.
Auf die mit dem zweiten Beweisantrag (soweit sprachlich verständlich) ins Treffen geführten Argumente (Verhalten des Mädchens im Hinblick auf die erste Regel, Einfluß der Betrachtung von Pornokassetten) ist der Sachverständige aus dem Bereich der Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters Univ.Prof. Dr.Max H.Friedrich bereits in seiner (in der Hauptverhandlung verlesenen, S 269) Gutachtensergänzung vom 26. Juli 1993 (Hauptverhandlung an diesem Tag, S 205 bis 207), soweit sie nicht schon erörtert waren (Gutachten ON 26, dort S 147, 149) eingegangen. Die Notwendigkeit einer neuerlichen Gutachtensergänzung in dieser Richtung konnten weder der vor Schluß der Hauptverhandlung gestellte Antrag noch die Beschwerde dartun. Die Tatrichter konnten somit die Ergebnisse des Sachverständigenbeweises auch zu diesen Fragen in ihre Überlegungen zur Schuldfrage einbeziehen. Durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge wurden somit Verteidigungsrechte des Angeklagten - entgegen den Beschwerdeausführungen - nicht verletzt.
Der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO kann nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn die darauf gestützte Beschwerde Undeutlichkeit, Unvollständigkeit, Widersprüchlichkeit, mangelnde Begründung oder Aktenwidrigkeit in Beziehung auf den Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen (§ 270 Abs 2 Z 4 und 5 StPO) nachweist; also solcher Tatsachen, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage selbst (einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände) maßgebend sind (Mayerhofer-Rieder, aaO, § 281 Z 5 E 26 uva). Der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen ist in diesem Sinn dann undeutlich, wenn aus den Feststellungen des Urteils nicht zu erkennen ist, welche Handlungen der Angeklagte nach Ansicht des Gerichtes vorgenommen und mit welchem Vorsatz er sie gesetzt hat (Mayerhofer-Rieder, aaO, E 42). Nicht nur unter diesem Aspekt erweist sich das Undeutlichkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen relevierende Beschwerdevorbringen als unverhüllte (und im Nichtigkeitsverfahren unzulässige) Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswerterwägungen.
Die unter dem Gesichtspunkt der Unvollständigkeit vorgebrachten Umstände über die Gespräche des Opfers mit einer Psychagogin (Zeugin Angela B*****, S 247 ff) wiederum beziehen sich zur Gänze auf für die Entscheidung in der Schuldfrage irrelevante Tatsachen, weil es für die vom Erstgericht als Grundlage der Schuldentscheidung festgestellten Tatsachen bedeutungslos ist, zu welchem Datum eines dieser Gespräche erfolgte und in welchem zeitlichen Abstand davon das Jugendschutzzentrum von den die Grundlage dieses Verfahrens bildenden Umständen informiert worden ist.
Letztlich vermag die Beschwerde auch eine unzureichende Begründung der entscheidenden Tatsachen nicht aufzuzeigen. Denn sie wendet sich dabei lediglich wiederum gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung, indem sie sich einerseits gegen Wert und Inhalt der Aussage des Tatopfers richtet, der das Schöffengericht beweiswürdigend (§ 285 Abs 2 StPO) gefolgt ist, andererseits aber Momente ins Spiel bringt, für die es an einer aktenmäßigen Grundlage mangelt (unprotokollierte Aussage des Bruders des Opfers; behauptete besondere Merkmale am Glied des Angeklagten). Damit muß aber auch die Mängelrüge ins Leere gehen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vernachlässigt letztlich zur Gänze die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über die subjektive und objektive Seite des dem Angeklagten zur Last gelegten Tatbestandes (US 4 bis 8 und 16), wobei lediglich zur Klarstellung hinzugefügt sei, daß das dem Angeklagten angelastete Verhalten (§ 207 Abs 1 und 212 Abs 1, jeweils erster Deliktsfall, StGB) in subjektiver Hinsicht keine auf Befriedigung der Lüste bzw auf sexuelle Erregung oder Befriedigung des Täters gerichtete Absicht voraussetzt (Leukauf-Steininger, Komm3, § 207 RN 12; § 212 RN 21). Da der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund das Festhalten an den tatrichterlichen Feststellungen und den daraus abgeleiteten Nachweis einer rechtsfehlerhaften Beurteilung durch das Schöffengericht erfordert, mangelt es der Beschwerde in dieser Hinsicht an einer den Prozeßgesetzen entsprechenden Ausführung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzgemäß ausgeführt schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 iVm 285 a Z 2 StPO).
Über die zugleich erhobenen Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat demnach das zuständige Oberlandesgericht Wien zu entscheiden (§ 285 i StPO).
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