OGH 13Os84/97

OGH13Os84/976.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.August 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Freundorfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rosemarie O***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 und 4, 130 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5.November 1996, GZ 10 Vr 1443/96-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (in Ansehung des Schuldspruches I nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB und im Ausspruch, daß die Diebstähle gewerbsmäßig begangen worden sind) unberührt bleibt,

1.) in den Aussprüchen,

a) daß die Diebstähle unter Ausnützung eines Zustandes der Bestohlenen, der diese hilflos machte,

b) daß die Angeklagte schwere (§ 128 StGB) Diebstähle in der Absicht begangen hat, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und demnach

2.) in der Beurteilung der zu I angeführten Taten auch nach §§ 128 Abs 1 Z 1 und 130 höherer Strafsatz StGB, ferner

3.) im Schuldspruch II. sowie

4.) im Strafausspruch aufgehoben

und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten die durch den erfolglos gebliebenen Teil ihres Rechtsmittels verursachten Verfahrenskosten zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Rosemarie O***** der Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 und Z 4, 130 vierter (gemeint offenbar dritter) Deliktsfall StGB und des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Deliktsfall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie

I.) fremde bewegliche Sachen den nachgenannten, alters- und krankheitsbedingt pflegebedürftigen Personen, mithin unter Ausnützung eines Zustandes, der diese hilflos machte, mit dem Vorsatz weggenommen, sich (oder einen Dritten) durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1.) in Wagna, Bezirk Leibnitz, zwischen November 1994 und Dezember 1994 der Theresia W***** in zwei Angriffen insgesamt 2.000 S,

2.) in Leitring, Bezirk Leibnitz, zwischen August 1995 und November 1995 der Katharina L***** in wiederholten Angriffen insgesamt 11.000

S,

3.) in Leibnitz

a) der Margareta S***** am 26.Februar 1996 40.000 S, am 1.März 1996 25.000 S und am 4.März 1996 15.000 S,

b) am 8.März 1996 der Theresia St***** 5.000 S,

wobei sie diese schweren Diebstähle (§ 128 Abs 1 Z 1 und Z 4 StGB) in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

II.) in Leibnitz an nicht näher bekannten Tagen im Jahre 1995 mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich (oder einen Dritten) unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Brunhilde M***** durch die Vorgabe, arm zu sein und von ihrem Gatten, mit dem sie in Scheidung lebe, kein Geld zu bekommen und geschlagen zu werden, mithin durch Täuschung über Tatsachen, in wiederholten Angriffen zur Übergabe von Bargeld in Beträgen von jeweils 500 S bis 1.000 S und am 15.Dezember 1995 von 20.000 S, mithin zu Handlungen verleitet, die Brunhilde M***** in einem 25.000 S nicht übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise im Recht.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) ist insoweit verfehlt, als sie sich gegen die Annahme wendet, daß die (nicht bekämpften) Diebstähle (I) an sich gewerbsmäßig (= § 130 erster Fall StGB) begangen wurden. Das Erstgericht hat nämlich - der Beschwerde zuwider - keineswegs allein auf die wiederkehrende Begehung dieser Straftaten abgestellt, sondern zusätzlich (wenn auch erst im Rahmen der rechtlichen Erörterungen) übereinstimmend mit dem Urteilstenor (US 4) festgestellt, daß die wiederholte Tatbegehung "zur Erzielung einer fortlaufenden Einnahme" erfolgt ist (US 12). Damit hat der Schöffensenat mit hinreichender Deutlichkeit konstatiert, daß die Beschwerdeführerin die Diebstähle mit auf Erlangung eines (zusätzlichen) fortlaufenden Einkommens gerichteter Absicht begangen hat, was auch durch den nachfolgenden Absatz in Ansehung der angelasteten Betrugshandlungen mit der Passage, sie habe "wiederum mit der Absicht gehandelt, aus der wiederkehrenden Begehung eine fortlaufende Einnahme zu erzielen" (gleichfalls US 12), bekräftigt wird. Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen orientieren sich insoweit nicht am mängelfrei festgestellten Urteilssachverhalt und entbehren daher in diesem Umfang der prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Hingegen macht die Beschwerdeführerin zutreffend geltend (Z 10), daß die Unterstellung der Diebstähle (I) (auch) unter die Qualifikation des § 128 Abs 1 Z 1 StGB durch die getroffenen Feststellungen nicht gedeckt ist.

Ein Bedrängnisdiebstahl im Sinne dieser Gesetzesstelle setzt (in dem hier aktuellen Fall) die Tatbegehung unter Ausnützung eines den Bestohlenen hilflos machenden Zustandes voraus. Hilflosigkeit liegt unter anderem auch bei hochgradiger Sehbehinderung oder bei (sonstiger) altersbedingter Behinderung (Invalidität) vor. Zur Qualifikationsannahme muß der Dieb überdies die Hilflosigkeit des hiedurch trotz Anwesenheit am Tatort an der Sicherung seines Eigentums gehinderten Opfers ausnützen, sodaß die Tatverübung durch den Zustand des Opfers erleichtert wird (Leukauf/Steininger Komm3 § 128 RN 13-13 b).

Das Vorliegen solcher Gegebenheiten hat das Erstgericht aber nicht festgestellt. Nach den betreffenden Urteilsannahmen hat nämlich die Geschädigte Theresia W***** den (ersten) Diebstahl bloß deshalb nicht bemerkt, weil sie gerade badete (US 7), während Katharina L***** wegen eines Aufenthaltes auf der Toilette keine Möglichkeit zur Beobachtung der Täterin hatte (US 8). Margareta S***** wiederum entgingen die heimlich begangenen wiederholten diebischen Angriffe nicht wegen ihres festgestellten Sehfehlers, sondern ersichtlich bloß, weil ihr Banknotenbündel nur allmählich und unwesentlich dünner wurde (US 9). Beim Diebstahl der Theresia St***** nahm das Gericht nur als erwiesen an, daß die Angeklagte das an der Alzheimer-Krankheit leidende Opfer vor der Tat zu Bett gebracht hatte (US 9).

Die Sachwegnahme erfolgte immer aus Verstecken, die die Angeklagte im Zuge ihrer Betreuungstätigkeiten entdeckt hatte; ausreichende Feststellungen, daß die Taten jeweils unter Ausnützung der Hilflosigkeit der betroffenen Opfer begangen worden seien, fehlen, sodaß für den Ausspruch der Qualifikation nach § 128 Abs 1 Z 1 StGB das entsprechende Tatsachensubstrat mangelt.

Gleiches gilt für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit nach dem vierten (im Hinblick auf die Zitierung des § 128 StGB im Urteil, richtig: dritten) Fall des § 130 StGB. Soweit sie sich nämlich auf die Bedrängnisdiebstahlsqualifikation gründet, ist auf die vorstehenden Darlegungen zu verweisen. Insoferne (auch) die Überschreitung der Wertgrenze des § 128 Abs 1 Z 4 StGB als Basis für die den zweiten Strafsatz bedingende Gewerbsmäßigkeit dient (vgl US 3, 11 und 12), zeigt die Beschwerdeführerin richtig auf, daß der Verurteilung nur ein einziger Diebstahl mit einem Schaden von über 25.000 S zugrunde liegt (Faktum I 3 a erster Fall). Der angefochtenen Entscheidung fehlen aber entsprechende Feststellungen, inwieweit die Absicht der Angeklagten trotzdem darauf gerichtet war, (jeweils für sich allein) wertqualifizierte schwere Diebstähle gewerbsmäßig zu begehen, weshalb eine tragfähige Grundlage für die Unterstellung der Fakten I unter die Qualifikation des § 130 höherer Strafsatz StGB (auch aus diesem Grunde) nicht vorliegt.

Es bedarf sohin der Aufhebung des Schuldspruches I im aufgezeigten Umfang, wobei insoweit die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und daher noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst einzutreten hat. Können im zweiten Rechtsgang ausreichende Konstatierungen für die Qualifikationen nach §§ 128 Abs 1 Z 1 und 130 höherer Straf- satz StGB nicht nachgeholt werden, ist nur die (tatsachenmäßig bereits feststehende) Qualifikation nach § 130 erster Fall StGB auszusprechen.

Letztlich ist auch die eine Aktenwidrigkeit behauptende Mängelrüge (Z 5) zum Betrugsfaktum (II) im Recht. Denn das Erstgericht hat diesen Schuldspruch mit einem vollen und durch die übrigen Beweisergebnisse gedeckten Geständnis der Angeklagten begründet und "eine Erörterung zur Frage der Beweiswürdigung als entbehrlich" erachtet (US 11), obwohl sich Rosemarie O***** nur am Beginn der Hauptverhandlung unter anderem "zu Punkt II betreffend Frau M*****" undifferenziert schuldig bekannt (S 157), aber in der folgenden Verantwortung - wie schon vor der Gendarmerie (S 97) - das vorgeworfene betrügerische Verhalten in Abrede gestellt hat (S 161-165).

Es war somit auch hinsichtlich dieses Schuldspruchs (II) mit einer Aufhebung des Urteils sowie der Zurückverweisung der Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht vorzugehen, sodaß sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeargumente erübrigt.

Die spruchgemäße Entscheidung konnte teils nach § 285 d, teils nach § 285 e StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung erfolgen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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