OGH 13Os84/87

OGH13Os84/8710.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.September 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann S*** wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 13. April 1987, GZ 31 Vr 2924/86-6, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Strasser, und des Angeklagten Johann S*** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 18.Juni 1958 geborene Kellner und Versicherungsvertreter Johann S*** ist des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1, zweiter Fall (richtig: erster Deliktsfall aber höherer Strafsatz - EvBl 1982 Nr. 198, LSK. 1984/129, 13 Os 155/84, 13 Os 127/85 u.a.m.), StGB schuldig erkannt worden. Darnach hat er am 11.August 1986 in Steyregg Horst K*** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er Beamten des dortigen Gendarmeriepostens mitteilte, Horst K*** sei am 9.August 1986 auf ihn zugegangen, habe ihm ein Küchenmesser an die Brust gesetzt und ihm gedroht, daß er ihn abstechen werde, womit er ihn des von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB falsch verdächtigte, obwohl er wußte (§ 5 Abs 3 StGB), daß die Verdächtigung falsch war.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Beschwerdeführer aus den Verfahrensergebnissen folgern möchte, seine Bezichtigung am 13.August 1986 widerrufen zu haben, noch bevor die Gendarmerie etwas zur Verfolgung des Horst K*** unternommen habe, und den Strafaufhebungsgrund des § 297 Abs 2 StGB für sich in Anspruch nimmt, releviert er weder eine Nichtigkeit nach Z. 5 noch eine solche nach Z. 9 lit b in gesetzmäßiger Weise: Beschränkt er sich doch weitgehend auf eine Aufzählung von Verfahrensergebnissen, die seiner Ansicht nach dafür sprächen, daß die Verfolgungshandlungen der Gendarmerie vor dem Widerruf seiner Anzeige ausschließlich auf die gleichfalls am 11. August 1986 von Erika K*** gegen ihren Gatten erstattete Anzeige wegen einer am 9.August 1986 an ihr und Johann B*** verübten gefährlichen Drohung, nicht aber auf die vom Angeklagten angezeigte Tat zurückgeführt werden könnten. So bezieht er sich auf das - laut der Anzeige ON. 2 S. 7 indes auf Personalmangel zurückzuführende - Unterbleiben seiner niederschriftlichen Einvernahme nach der Anzeigeerstattung; auf das Einsetzen von Fahndungsmaßnahmen der Gendarmerie erst nach der niederschriftlichen Einvernahme Erika K*** zu ihrer Anzeige (siehe jedoch ON. 2 S. 8 sowie ON. 4 S. 11 über Tätigkeiten, die sich auch auf Grund der Aussage Johann S*** ergaben); auf die Abstandnahme von der (kriminaltechnisch allerdings nicht indiziert gewesenen) Besichtigung des Tatorts der von ihm angezeigten Drohung und auf das Fehlen niederschriftlicher Angaben Erika K*** zur Anzeige des Angeklagten (derzufolge sie gar nicht als Zeugin in Betracht kam; siehe ON. 2 S. 5 sowie ON. 4 S. 7); sodann würdigt er diese Umstände im jeweils für ihn günstigsten Sinn und führt so der Sache nach eine gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässige Schuldberufung aus. Soweit der Nichtigkeitswerber darüber hinaus behauptet, die Urteilsannahme, wonach schon am 11.August 1986 wegen seiner unrichtigen Anzeige sicherheitsbehördliche Verfolgungshandlungen gegen Erich K*** vorgenommen wurden (siehe S. 41), "decke" sich nicht mit dem Akteninhalt, insbesondere nicht mit den Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten O*** und K***, verkennt er, daß die Strafprozeßordnung das Gericht keineswegs auf die Feststellung von Tatsachen beschränkt, die in der Hauptverhandlung ausdrücklich vorgebracht worden sind und die somit unmittelbare Deckung im Akteninhalt finden. Es ist ihm vielmehr nicht verwehrt, aus solchen Tatsachen auf andere - nicht ausdrücklich behauptete - weitere Tatsachen zu schließen und sie gleichfalls als erwiesen anzunehmen. Der Schöffensenat stützt die bekämpfte Urteilsannahme auf die Zeugenaussagen der beiden Gendarmeriebeamten, welche sich an zwei Horst K*** betreffende Anzeigen (zwei Fälle gefährlicher Drohung) zu erinnern vermochten (S. 30, 32 oben, 33, drittletzter Absatz, 34, 41) und nichts von einer Vernachlässigung eines dieser beiden Fälle während der sofort eingeleiteten Verfolgungsmaßnahmen erwähnt haben. Damit haben die Tatrichter den ihnen im § 258 StPO vorgegebenen Spielraum freier Beweiswürdigung nicht verlassen.

Unbegründet ist das auf Freispruch oder wenigstens auf eine Unterstellung der Tat unter den ersten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB abzielende Beschwerdevorbringen unter Z. 10 (der Sache nach auch Z. 9 lit a). Inhaltlich der Anzeige, er wäre imstande gewesen, K*** mit einer "Watschn" abzuwehren, sei nämlich die Gefährlichkeit der Drohung (§§ 74 Z. 5, 107 Abs 1 StGB), jedenfalls aber eine Drohung mit dem Tod ausgeschlossen worden. Der Tatbestand des § 107 Abs 1 StGB setzt zwar die objektive Eignung der Drohung, den Adressaten in Furcht und Unruhe zu versetzen, nicht aber den Eintritt eines solchen Gemütszustands beim Bedrohten voraus. Ebensowenig ist es für die Qualifikationsfälle des § 107 Abs 2 StGB - mit Ausnahme der Versetzung in einen längere Zeit währenden qualvollen Zustand - erforderlich, daß im Adressaten die Befürchtung eines der qualifizierenden Übel, hier des Todes, hervorgerufen wird. Genug daran, daß die Drohung geeignet ist (was allein schon die Strafsatzerhöhung bewirkt), die begründete Befürchtung eines solchen Nachteils einzuflößen (siehe statt aller Mayerhofer-Rieder2, § 74 Z. 5 StGB, Entscheidungsgruppen 36 ff.;

§ 107 StGB, Entscheidungsgruppe 15; vgl Entscheidungsgruppe 2 zu

§ 106 StGB).

Die Rechtsfrage der Eignung der angezeigten Drohung im Sinn des § 107 Abs 1 und 2 (erster Fall) StGB wurde von der Unterinstanz aber zutreffend gelöst; mußte doch die in der Anzeige geschilderte Situation vernünftigerweise den Eindruck erwecken, der Täter, der angeblich nachts auf der Straße dem einsamen Anzeiger unter Ansetzen eines Messers in Aussicht stellte, ihn "abzustechen", sei willens und in der Lage gewesen, diese Ankündigung auch zu verwirklichen. Daß der Beschwerdeführer bei der Anzeigeerstattung ein Überlegenheitsgefühl gegenüber Horst K*** zum Ausdruck brachte, ist angesichts der Unerheblichkeit der Tatfrage, ob und in welchem Ausmaß der Bedrohte effektiv in Furcht und Unruhe versetzt wurde, belanglos (verbis: "um ... zu versetzen" im § 107 Abs 1 StGB). Nicht zielführend ist der Einwand des Beschwerdeführers, er habe dem K*** nicht ausdrücklich die im § 107 Abs 1 StGB vorausgesetzte Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) unterstellt, in Furcht und Unruhe zu versetzen; denn auch ein nicht eindeutiger, mehrere Möglichkeiten (zumal im Vorsatzbereich) offenlassender, wahrheitswidriger Vorwurf verwirklicht wegen der Gefahr des behördlichen Einschreitens den Tatbestand der Verleumdung (siehe Mayerhofer-Rieder2, § 297 StGB, EGr. 6, 15 und 16).

Das abschließende Vorbringen, "ein Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der falschen Verdächtigung" (gemeint wohl: ein Wissen des Angeklagten um deren Unrichtigkeit, verbunden mit wenigstens bedingtem Gefährdungsvorsatz betreffend die Strafverfolgung des Bezichtigten) gehe aus den Feststellungen nicht hervor, weicht prozeßordnungswidrig vom Urteilssachverhalt ab. Demzufolge hat der Angeklagte den Vorfall erfunden, weil er die beschleunigte Ausforschung und Verhaftung des K*** erreichen wollte und befürchtete, die Gendarmen würden sonst nicht einschreiten (S. 40 Mitte, 42 oben).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte nach § 297 Abs 1, höherer Strafsatz, StGB über Johann S*** eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Dabei war erschwerend nichts, mildernd waren hingegen das Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten. Mit seiner Berufung strebt dieser eine bedingte Geldstrafe und - wohl eventualiter - in Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung die Ermäßigung der Freiheitsstrafe an (siehe Seite 53).

Der Berufung bleibt ein Erfolg versagt.

Wenn das Schöffengericht auf Grund des persönlichen Eindrucks vom Angeklagten die Auffassung vertritt, daß es einer Freiheitsstrafe bedarf, um ihm das Unrecht seiner Tat hinreichend deutlich vor Augen zu führen, dann findet das die Billigung des Obersten Gerichtshofs: Denn die Einschätzung dieser berechnend gezielten Verleumdung als nicht atypisch leichter Fall und damit die Ablehnung einer außerordentlichen Strafmilderung ist hier durchaus vertretbar. Das listige Vorgehen des Angeklagten, um die Behörde zu einer von ihm gewünschten Maßnahme zu verleiten, wirft nämlich ein so ungünstiges Licht auf diesen, daß eine Milderung der verhängten Sanktion (der gesetzlichen Mindeststrafe) in keiner Richtung am Platz ist.

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