OGH 13Os83/12y

OGH13Os83/12y30.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Mag. Türkan B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Mai 2012, GZ 33 Hv 24/12g-109, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung der Mag. Türkan B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat sie in Wien unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer anhaltenden wahnhaften Störung und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, beruht,

(A) andere durch via E-Mail geäußerte Drohungen mit dem Tod zu Handlungen zu nötigen versucht, nämlich

1) am 8. November 2011 Mag. Dolunay Y***** durch die Aufforderung, ihr innerhalb von drei Tagen einen bestimmten Schlüssel auszuhändigen und Schulden zu begleichen, widrigenfalls sie „ihr Hirn zertrümmern/wegpusten“ werde,

2) am 8. November 2011 DDr. Kaan Y***** durch die Aufforderung, die Zahnbehandlung ihrer Kinder zu beenden, widrigenfalls sie „sein Hirn zertrümmern werde, er werde den Tag seiner Geburt noch bereuen“, und

3) am 22. November 2011 DDr. Kaan Y***** durch die Aufforderung, ihre Kinder zurückzubringen, widrigenfalls er sich „von den Todesarten einen Tod aussuchen“ solle, den „schönsten Tod, er werde sterben“, sowie

(B) andere gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, nämlich

1) Monika B*****

a) vom 29. September 2011 bis zum 20. Oktober 2011, indem sie wiederholt telefonisch ankündigte, deren Kinder töten, sie entlassen und sie ins „Gefängnis“ bringen zu werden, sowie

b) vom 21. Oktober 2011 bis zum 25. Oktober 2011 durch die mehrmals auf deren Mobilbox hinterlassenen Äußerungen, „ihr werdet dafür büßen, was ihr mir angetan habt. Deine Kinder werden sterben, weil ihr meine Kinder auch umbringt. Du wirst für das Ganze bezahlen“, weiters

2) Anfang Oktober 2011 Mag. Dolunay Y***** durch die Äußerung, sie werde dafür sorgen, dass die Genannte „ins Gefängnis“ komme und dort vergewaltigt werde,

und dadurch mehrere Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (A) und mehrere Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (B) begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 4, 5, 9 (zu ergänzen) lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen geht fehl.

Indem die Verfahrensrüge (Z 3) einen Verstoß gegen § 430 Abs 6 StPO einwendet, spricht sie keine Bestimmung an, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet.

Die Abweisung (ON 108 S 19 f) der zur Gefährlichkeitsprognose gestellten Anträge auf „Ausschließung“ der Sachverständigen Dr. R***** (ON 107 S 33), Einholung eines Ergänzungsgutachtens (ON 107 S 45 f) und Vertagung zwecks Beiziehung eines Privatsachverständigen (ON 107 S 33) ist ausschließlich mit Berufung geltend zu machen (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 11).

Den Antrag auf Einholung eines sprachkundlichen Gutachtens zum Beweis dafür, dass „die Äußerungen in den E-Mails im Gesamtkontext des Türkischen als bloße Unmutsäußerungen zu betrachten sind und dass ein türkischer Empfänger dieser E-Mail-Äußerungen diese auch nur als Unmutsäußerung verstehen können und sie keinen drohenden oder nötigenden Charakter hatten“ (ON 108 S 21 f) wies das Erstgericht zu Recht ab (ON 108 S 23), weil er nicht erkennen ließ, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung zielte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f).

Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes folgenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Urteilsannahme, Monika B***** habe sich durch die Äußerungen der Beschwerdeführerin (B/1) ernstlich bedroht gefühlt (US 15), als widersprüchlich begründet (Z 5 dritter Fall) bezeichnet, bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände. Die Eignung einer Drohung, begründete Besorgnisse zu wecken, ist nämlich unter Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs zu beurteilen, womit es unerheblich ist, ob die inkriminierte Äußerung beim Bedrohten tatsächlich Besorgnis erregt hat (Jerabek in WK² § 74 Rz 33).

Eine fehlerhafte Beurteilung der diesbezüglichen Rechtsfrage (Z 9 lit a) wird - mit Recht (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) - nicht behauptet.

Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang festgehalten, dass nach den Urteilsfeststellungen zum - auf der Sachverhaltsebene gelegenen (Jerabek in WK² § 74 Rz 34) - Bedeutungsinhalt der gegenständlichen Drohungen diese ausnahmslos (unabhängig vom jeweiligen Wortlaut) als solche mit dem Tod gegen das jeweilige Opfer zu verstehen sind (US 10 f, 14, 16 f, 21 bis 23; vgl auch US 2, 3).

Die Erklärung der Mängelrüge, es werde „vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Relevanz dieses Nichtigkeitsgrundes ausdrücklich in der Zusammenschau mit den abgelehnten Beweisanträgen hinsichtlich der E-Mails (§ 281 Abs 1 Z 4) geltend gemacht wird“, ist unverständlich.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die (zutreffenden) rechtlichen Ausführungen des Erstgerichts zur Eignung einer Drohung, begründete Besorgnisse einzuflössen (US 20), wiedergibt und meint, die Feststellungen zur Absicht, die Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, widersprächen dem, orientiert sie sich nicht am Gesetz.

§ 107 Abs 1 StGB verlangt nämlich sowohl (in rechtlicher Hinsicht) die Eignung zur entsprechend qualifizierten Besorgniserregung als auch (auf der Tatsachenebene) die Absicht des Täters, das Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen (zum Ganzen eingehend Seiler, SbgK § 107 Rz 3 bis 6 und Rz 10 bis 20).

Die Ausführungen der Sanktionsrüge (Z 11, nominell verfehlt auch Z „9“) zu allfälligen „schweren Folgen“ der Anlasstat können auf sich beruhen, weil solche von § 21 Abs 1 StGB nicht verlangt werden.

Indem die Beschwerde die Gefährlichkeitsprognose releviert, das Übergehen der diesbezüglich im Gesetz genannten Erkenntnisquellen aber - zu Recht (US 13 und US 21 bis 24) - nicht behauptet, erstattet sie (bloß) ein Berufungsvorbringen (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 9; ders, WK-StPO § 281 Rz 715, 723).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

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