Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 21. Juli 2004, GZ 11 U 201/03d-19, verletzt im Schuldspruch B. das Gesetz in § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG.
Es werden dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (B.) und demgemäß im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung sowie die Beschlüsse gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Korneuburg verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem in gekürzter Form (§ 458 Abs 3 StPO) ausgefertigten rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 21. Juli 2004, GZ 11 U 201/03d-19, wurde Ursula C***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB (A.) sowie (richtig: der) Vergehen nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen: erster und zweiter Fall) SMG (B.; § 27 Abs 1 enthält nur bezüglich Aus- und Einfuhr einen alternativen, im Übrigen aber einen kumulativen Mischtatbestand; Kirchbacher/Schroll, RZ 2005, 120) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 27 Abs 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Zugleich sah die Bezirksrichterin gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht in den Verfahren AZ 512 Hv 358/01w des Landesgerichtes Korneuburg und AZ 5 U 89/01d des Bezirksgerichtes Mistelbach ab und verlängerte die Probezeit jeweils auf fünf Jahre (S 105).
Der Schuldspruch nach dem Suchtmittelgesetz (B.) erfolgte, weil Ursula C***** in Wien (den bestehenden Vorschriften zuwider) in der Zeit von Februar 2004 bis April 2004 „gemeinsam mit Alfred B*****"
Morphiumtabletten sowie Cannabis erworben und konsumiert (gemeint: bis zum Eigenkonsum besessen) hat.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Schuldspruch steht, wie der Generalprokurator in der deswegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu Recht geltend macht, mit dem Gesetz nicht in Einklang.
Es mangelt nämlich an einer zwar an sich bereits der Staatsanwaltschaft obliegenden, nach Anklageerhebung aber gemäß § 37 SMG vom Gericht vorzunehmenden Prüfung des temporären Verfolgungshindernisses nach § 35 Abs 1 SMG (vgl RIS-Justiz RS0113620; Kirchbacher/Schroll, RZ 2005, 170 f), dem nach der Aktenlage keine Umstände entgegenstehen. Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte, wonach die Verurteilte mehr als geringe, bei mehrfachen Tathandlungen nicht zusammenzurechnende (RIS-Justiz RS0112991; Schroll in WK-StPO § 90f Rz 20) Mengen der genannten Suchtgifte zum eigenen Gebrauch erworben und besessen hat (vgl S 57, 73 in ON 13).
Der mit dem Suchtmittelgesetz nicht im Zusammenhang stehende Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB und die einschlägigen Vorstrafen schließen eine vorläufige Verfahrenseinstellung nicht aus (RIS-Justiz RS0113621). Die Bezirksrichterin war daher gemäß § 37 SMG verpflichtet, vorerst Auskunft und Stellungnahme gemäß § 35 Abs 3 SMG sowie die Zustimmung der Angezeigten zu allenfalls notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen einzuholen und sodann zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des temporären Verfolgungshindernisses nach § 35 Abs 1 SMG gegeben sind.
Die infolge Unterlassung dieser Prüfung gegebene, der Verurteilten zum Nachteil gereichende Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) erforderte die Urteilskassation in dem im Spruch bezeichnten Umfang und insoweit die Anordnung der Verfahrenserneuerung.
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