Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem zu IV/1 ergangenen Schuldspruch, im Strafausspruch sowie im Zuspruch eines Schmerzengeldbetrages von 1.000 Euro an die Privatbeteiligte Sandra W***** aufgehoben und im Umfang der Aufhebung zu Recht erkannt:
Karl P***** wird von der Anklage, er habe am 2. November 2001 dadurch, dass er die am 5. Juli 1994 geborene, mithin unmündige Sandra W***** aufforderte, vor laufender Videokamera mit einem Vibrator zu hantieren und dabei verschiedene sexualbezogene Bewegungen durchzuführen, eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen und hiedurch das Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB begangen, nach § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Für die ihm weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen wird er nach § 207 Abs 1 StGB in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.
Die Privatbeteiligte Sandra W***** wird mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Der gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der Nicole H***** gerichteten Berufung wird nicht Folge gegeben. Mit seiner weiteren Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung und die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche der Sandra W***** verwiesen.
Es fallen ihm auch die auf die Erledigung seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Karl P***** wurde (richtig:) einer unbestimmten Anzahl von Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I), des Verbrechens des versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB (II), (richtig:) einer unbestimmten Anzahl von Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (zu ergänzen:) Z 2 StGB (III) und mehrerer Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 (zu ergänzen:) Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.
Danach hat er in S*****
I. außer dem Fall des § 206 StGB von Herbst 1999 bis Juni 2002 „in wiederholten Angriffen, teils wöchentlich", an der am 17. Juni 1989 geborenen, mithin unmündigen Nicole H***** durch Betasten ihres Geschlechtsteiles eine sexuelle Handlung vorgenommen und dadurch, dass er sich von ihr mit der Hand befriedigen ließ, eine solche an sich vornehmen lassen;
II. außer dem Fall des § 206 StGB im Sommer 2001 versucht, an der am 9. Februar 1989 geborenen, mithin unmündigen Corinna K***** durch Betasten ihres Geschlechtsteiles über der Kleidung eine geschlechtliche Handlung vorzunehmen;
III. von Herbst 1999 bis Juni 2002 unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden Nicole H***** durch die zu I. genannten Taten (richtig:) mit dieser eine geschlechtliche Handlung vorgenommen und von dieser eine solche an sich vornehmen lassen;
IV. Handlungen, die geeignet sind, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor Unmündigen vorgenommen, um dadurch sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, und zwar
1. indem er am 2. November 2001 die am 5. Juli 1994 geborene Sandra W***** aufforderte, vor laufender Videokamera mit einem Vibrator zu hantieren und dabei verschiedene sexualbezogene Bewegungen durchzuführen;
2. indem er im Sommer 2001 der am 16. April 1989 geborenen Sonja K***** und der am 9. Februar 1989 geborenen Corinna Ku***** einen Pornofilm zeigte;
3. indem er im Sommer 2001 der am 17. Juni 1989 geborenen Nicole H***** und der am 9. Juni 1989 geborenen Simone Hö***** einen Pornofilm zeigte.
Rechtliche Beurteilung
Die aus Z 2, 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Da, wie die Beschwerde selbst einräumt, die im Urteil festgestellte Lebensgemeinschaft zwischen dem Angeklagten und Sigrid H***** im Juni 2002 endete und daher im Zeitpunkt der am 22. September 2003 erfolgten Vernehmung deren Tochter Nicole als Zeugin im Vorverfahren nicht mehr andauerte (US 6 iVm ON 7 in ON 32), bestand kein Anlass, diese über ein nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO ohnehin nicht bestehendes Entschlagungsrecht zu belehren (Z 2; Jerabek in WK2 § 72 Rz 18 f). Da der Antrag auf ergänzende Einvernahme der kontradiktorisch (§ 162a StPO) vernommenen Zeuginnen Nicole H*****, Sonja K*****, Corinna Ku***** und Simone Hö***** keinen Hinweis darauf enthielt, weshalb diese trotz ihrer vor der Hauptverhandlung abgegebenen gegenteiligen Erklärungen, nun doch bereit sein würden, auf ein ihnen zugebilligtes Entschlagungsrecht zu verzichten (Bd II, S 50 f), zielte dieser nur auf unzulässige Erkundungsbeweisführung (nominell Z 3, der Sache nach Z 4). Schlüsse aus der Inanspruchnahme eines Zeugnisentschlagungsrechtes sind nämlich unzulässig. Indem der Beschwerdeführer selbst einräumt, dass Lisa M***** und Lisa Maria D*****, hinsichtlich welcher gegen den Angeklagten kein Anklagevorwurf erhoben wurde und die daher in der Hauptverhandlung kein Entschlagungsrecht als Tatopfer hatten, nur zur - unerheblichen - Frage, „ob sie ohne jedes Zutun des Angeklagten in dessen Wohnung gegangen und sich dort Pornofilme und einen Vibrator angesehen haben" (S 3 der Beschwerde), zu befragen gewesen wären, wurde im Ergebnis auch der darauf abzielende Antrag zu Recht abgewiesen. Die Verletzung des § 252 Abs 1 Z 2a StPO (die Partizipien „berechtigt" bzw unberechtigt in § 252 Abs 1 Z 2a und 3 StPO beziehen sich auf die Entscheidung des Gerichtes über das Entschlagungsrecht) aber wurde ebenso wenig deutlich und bestimmt geltend gemacht (der Angeklagte rügt ausdrücklich nur die „Nichtzulassung der ergänzenden Zeugeneinvernahmen", S 3 der Beschwerde) wie eine Missachtung des § 152 Abs 4 zweiter Satz StPO in Hinsicht auf andere Zeuginnen. Dass Nicole H***** jemals Angst vor dem Angeklagten gehabt oder zwischen den beiden ein getrübtes Verhältnis bestanden hätte, haben die Tatrichter nicht angenommen, sodass der zu diesem Thema gestellte Antrag auf Einvernahme der Zeugen Irene F***** und Andreas K***** (Bd II, S 49 f und 58) keinen Umstand betraf, der die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes zu beeinflussen geeignet gewesen wäre. Das ergänzende Rechtsmittelvorbringen ist verspätet.
Unerfindlich bleibt, weshalb - angesichts des zu II ergangenen, keine Vergewaltigung enthaltenden Schuldspruchs - eine angebliche Äußerung der Corinna K***** gegenüber Christian L*****, wonach der Angeklagte sie „vergewaltigt" habe und deren nachträgliche Erklärung, „das sei nur Spaß gewesen" (Bd II, S 50), die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes hätte zu Gunsten des Angeklagten beeinflussen sollen, sodass auch die Abhörung dieses Zeugen zu Recht abgelehnt wurde. Auch insoweit hat nachträgliches Rechtsmittelvorbringen außer Betracht zu bleiben.
Dass Nicole H***** bereit sein würde, sich der Begutachtung durch einen psychologischen Sachverständigen „zum Beweis dafür, dass die Missbrauchsschilderungen" ihrer „Phantasie entspringen und nicht wirklich erlebt sind" (Bd II, S 81), zu unterziehen und ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin der Begutachtung ebenfalls zustimmen werde, wurde bei der Antragstellung nicht behauptet, womit die begehrte Beweisaufnahme schon deshalb zu Recht unterblieb (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350). Dazu kommt, dass dem Antrag kein Substrat für das Erfordernis einer derartigen Begutachtung zu entnehmen war. Da § 208 StGB keineswegs verlangt, dass der Täter auch tatsächlich erregt wird, vielmehr nur, dass er dort beschriebene Handlungsweisen mit der Zielsetzung vornimmt, sich dadurch geschlechtlich zu erregen, war das Erstgericht nicht gehalten, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das mit Sandra W***** aufgenommene Videoband eine derartige Erregung zeigt oder eine solche aus der Aussage einer der vernommenen Zeuginnen hervorgeht. Der aus den äußeren Tatumständen gezogene Schluss auf die vom Gesetz geforderte Absicht (US 11 f) aber ist keineswegs unvertretbar, zumal eine andere Zielsetzung nicht ersichtlich ist (Z 5 vierter Fall). Indem die Mängelrüge den Tatopfern abschließend unterstellt, auch ohne Veranlassung Interesse an sexuellen Handlungen gezeigt zu haben, stellt sie keine entscheidende Tatsache in Frage. Soweit sie in spekulativer Weise daraus ein Motiv für wahrheitswidrige Belastung des Angeklagten abzuleiten trachtet, bekämpft sie nur - nach Z 5 in unzulässiger Weise - die Beweiswürdigung. Aus dem Nachtrag zum Ermittlungsbericht des Gendarmeriepostens S***** vom 9. Juli 2003 (ON 2) ergeben sich keine erheblichen Bedenken an den dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen (der Sache nach Z 5a). Welche konkreten Widersprüche der in der Hauptverhandlung vorgekommenen Zeugenaussagen übergangen wurden, sagt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht. Soweit angeblich unerörtert gebliebene Widersprüche den Umstand betreffen sollen, „dass das Interesse und die Neugier von den Mädchen selbst gekommen ist", wird zudem nicht deutlich, was daraus zugunsten des Angeklagten hätte abgeleitet werden können.
Die zuletzt begehrte Vernichtung der Hauptverhandlung nach § 288a StPO hätte schließlich die - nicht erfolgte - Geltendmachung einer Nichtigkeit aus § 281a StPO vorausgesetzt.
Aus Anlass der demnach unberechtigten Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer in dem zu IV/1 ergangenen Schuldspruch wegen des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren gelegenen unrichtigen Anwendung des § 208 Abs 1 StGB überzeugt (Z 9 lit a).
Nach dieser Bestimmung ist nur zu bestrafen, wer eine zur Gefährdung der sittlichen, seelischen oder gesundheitlichen Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren geeignete Handlung vor einer der geschützten Personen vornimmt, nicht aber, wer derartige Handlungen von einer solchen Person vornehmen lässt. Letzteres ist selbst durch den äußersten Wortsinn des § 208 Abs 1 StGB nicht gedeckt (Schick in WK2 § 208 Rz 8, SSt 56/71; aM offenbar Kienapfel/Schmoller BT III § 208 Rz 8). Einem jenseits dieser Grenze gelegenen Verständnis der Vorschrift steht das Gesetzlichkeitsprinzip des § 1 StGB entgegen, welches das Grundrechtsgebot des Art 7 EMRK auf einfachgesetzlicher Stufe umsetzt.
Ein dem § 207 Abs 2 StGB subsumierbares Tatsachensubtrat war den Feststellungen nicht zu entnehmen.
Vom Vorwurf der zu IV/1 genannten Tat war der Angeklagte demnach gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen.
Bei der Strafneubemessung waren die vielfache Wiederholung des - jeweils mit dem Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses tateinheitlich zusammentreffenden - Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und der Umstand erschwerend zu werten, dass diese einerseits mit dem Versuch eines weiteren solchen Verbrechens gegenüber einer zweiten Unmündigen sowie mit zwei Vergehen nach § 208 Abs 1 StGB, begangen jeweils gegenüber zwei unmündigen Mädchen, konkurrieren.
Mildernd war, dass die zu II genannte Tat beim Versuch geblieben ist. Trotz des ergangenen Freispruchs fand sich der Oberste Gerichtshof zu einer das erstgerichtliche Strafmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe nicht bestimmt.
Einer - selbst bloß teilweise - bedingten Nachsicht steht neben generalpräventiven Rücksichten die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckende einschlägige Delinquenz und das getrübte Vorleben des Angeklagten entgegen.
Der Freispruch vom Vorwurf einer gegen Sandra W***** begangenen strafbaren Handlung hat deren Verweisung auf den Zivilrechtsweg zur Folge (§ 366 Abs 1 StPO).
Die Folgen sexueller Übergriffe auf Kinder insbesondere bei fortgesetztem sexuellem Missbrauch wurden lange Zeit unterbewertet. Besonders belastend sind für das betroffene Kind Gewissenskonflikte, Loyalitätskonflikte und der Verlust der altersspezifischen Entfaltungsmöglichkeiten. Es kommt bei diesen Kindern später oft zu chronischer Depressivität mit Selbstwertzweifeln, Schuldgefühlen, Angst oder auch Suizidhandlungen sowie zu Beeinträchtigungen der psychosexuellen und Persönlichkeitsentwicklung (9 Ob 147/00h). Die gegenüber Nicole H***** begangenen strafbaren Handlungen rechtfertigen jedenfalls den Zuspruch des begehrten Schadenersatzbetrages von 2.000 Euro (§ 1328 ABGB, § 273 ZPO), sodass der diesbezüglich erhobenen Berufung der Erfolg zu versagen war. Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).
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