OGH 13Os74/92

OGH13Os74/9226.8.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.August 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Kuch, Dr.Rzeszut und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hetlinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich H***** wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 2, 130, zweiter Fall, und 15 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 29.April 1992, GZ 29 Vr 500/92-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Presslauer, und der Verteidigerin Dr.Zauner-Grois, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Erich H***** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen (richtig: gewerbsmäßigen schweren) Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 2, 130, zweiter Fall, und 15 StGB sowie des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens richtet sich die auf den § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

Damit wird dem Angeklagten zur Last gelegt, von August 1991 bis 21. Februar 1992 in zahlreichen Zugriffen Bargeld in unbekannter Höhe, (im Zweifel) den Betrag von 25.000 S nicht übersteigend, jedoch zumindst 1.000 S, Verfügungsberechtigten der Pradler-Kirche, der Servitenkirche und der Herz-Jesu-Kirche in der Absicht weggenommen bzw wegzunehmen versucht zu haben, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, wobei er die Diebstähle in Räumen, die der Religionsausübung dienten, begangen hat (Punkt 1. des Urteilsspruches).

Die Mängelrüge (Z 5) und ein Teil der Tatsachenrüge (Z 5 a) geht am Urteilsinhalt vorbei. Entgegen den diesbezüglichen Ausführungen hat das Erstgericht nicht die (schon wegen der widersprüchlichen Zeitangaben unhaltbare) Feststellung getroffen, der Angeklagte habe im Juli 1989 für mindestens drei Monate bei der Firma Albin M***** in Telfs, wo er beschäftigt gewesen war, täglich ca 600 S verdient. Das Erstgericht ist vielmehr davon ausgegangen, daß der Angeklagte nach seiner im Juli 1989 erfolgten Haftentlassung innerhalb eines Zeitraumes von mindestens drei Monaten einer unregelmäßigen Teilbeschäftigung bei diesem Unternehmen nachging und damit zeitweise Tagesverdienste von ca 600 S erzielte (US 6). Diese im Urteil ohnehin enthaltene Feststellung entspricht auch seiner Verantwortung (AS 10), weswegen es über die Bezugnahme auf dieses Verfahrensergebnis hinaus auch keiner näheren Urteilsbegründung bedurfte.

Mit dem weiteren Einwand der Tatsachenrüge, hinsichtlich der vollendeten Diebstahlsfakten wäre der Betrag von ca 1.000 S nicht als Mindest- sondern als Höchstbetrag festzustellen gewesen, wurde kein entscheidungsrelevanter Umstand geltend gemacht, weil die Höhe dieses Betrages hier für die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit keine Bedeutung hat, worauf noch zurückzukommen sein wird.

Mit den Rechtsrügen (Z 9 lit b und 10) strebt der Beschwerdeführer zunächst die Beurteilung des Diebstahls als mangels Ermächtigung nicht verfolgbare Entwendung an. Darüber hinaus wird gegen die Beurteilung des schweren Diebstahls als gewerbsmäßig remonstriert.

Entwendung (§ 141 Abs. 1 StGB) setzt voraus, daß die Zueignung einer Sache geringen Wertes durch den Täter aus Not, Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes erfolgt. Der Beschwerde zuwider liegt aber weder Not noch Befriedigung eines Gelüstes als Motiv vor. (Der vom Beschwerdeführer allerdings gar nicht geltend gemachten Annahme eines Handelns aus Unbesonnenheit stünden die Feststellungen der subjektiven Tatseite entgegen.)

Eine Notlage wäre dann gegeben, wenn der Täter infolge Mittellosigkeit außerstande wäre, sich oder seine Unterhaltsberechtigten auf legale Weise mit den zum Leben notwendigsten Bedarfsgegenständen zu versorgen. Eine solche Notlage kann ihm nicht zugebilligt werden, wenn er Möglichkeiten, die Mittel hiefür durch Arbeit oder durch Unterstützungsleistungen zu erhalten, ungenützt läßt (Leukauf-Steininger, Komm3, RN 11 f zu § 141 StGB). Da das Erstgericht feststellte, daß der Angeklagte die Möglichkeit eines Arbeitsverdienstes nicht ergriff (US 8), kann von einer Notlage im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Indem die Beschwerde diese Urteilsfeststellung außer acht läßt, werden die Rechtsrügen insoweit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil das für die diebezügliche Anfechtung erforderliche Festhalten am Urteilssachverhalt unterlassen wurde.

Befriedigung eines Gelüstes (nach Nahrungsmitteln) kann nur dann gegeben sein, wenn die Beute unmittelbar der Stillung eines Bedürfnisses dient und nicht erst mit erbeutetem Bargeld angeschafft werden soll (11 Os 102,103/90). Schon deswegen kommt eine Beurteilung des Tatmotivs als Befriedigung eines Gelüstes nicht in Betracht. Im übrigen bedeutet dies ein Handeln unter dem Druck eines gegenwärtigen Bedürfnisses, welches dann nicht mehr vorliegt, wenn dadurch ein Plan auf wiederkehrende Begehung zur fortlaufenden Einnahmserzielung verwirklicht wird. Es schließen also bereits die vom Beschwerdeführer an sich gar nicht bekämpften Urteilsannahmen über die innere Tatseite die Annahme eines Handelns bloß zur Befriedigung eines Gelüstes aus.

Die Tatrichter stellten fest, daß der Angeklagte bei den Diebstählen mit der Absicht vorging, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und von der Beute zumindest teilweise seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (US 5). Ohne dies in Abrede zu stellen, reklamiert die Beschwerde lediglich die Klarstellung, "ab wann" dies gegeben gewesen wäre. Dies wurde vom Erstgericht jedoch insoferne festgestellt, als der Schuldspruch seinem Inhalt nach das gesamte diebische Verhalten des Angeklagten umfaßt. Umstände, die auf eine differenzierte Gestaltung des Täterwillens schließen ließen, werden vom Beschwerdeführer gar nicht vorgebracht. Die Voraussetzungen gewerbsmäßiger Deliktsbegehung werden deshalb als nicht vorhanden angesehen, weil der Angeklagte bei den einzelnen diebischen Angriffen auch bei Heranziehung der Zusammenrechnung der Deliktserfolge bloß Bagatelleinkünfte erzielt habe.

Für die damit aufgeworfene Subsumtionsfrage geht es aber lediglich darum, ob die Absicht auf wiederkehrende Tatbegehung und fortlaufende Bereicherung so geringfügige Werte betroffen hat, daß von einer Einnahme im Sinne des § 70 StGB nicht gesprochen werden kann und sie daher zu vernachlässigen sind (EvBl 1991/103). Eine derartige Begrenzung des Vorhabens des Angeklagten war aber nicht gegeben, weswegen die Diebstahlstaten zu Recht der Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehung nach dem § 130, zweiter Fall, StGB unterstellt wurden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Erich H***** nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB unter Anwendung des § 28 StGB (und Anrechnung der Vorhaft) zu 15 Monaten Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wurden als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen auch hinsichtlich des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht und das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, als mildernd das umfassende und reumütige Geständnis sowie die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung eines Teiles der Diebsbeute gewertet.

Die gegen den Strafausspruch erhobene Berufung strebt die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Sie vermag jedoch weitere Milderungsgründe nicht anzuführen und bemängelt lediglich die Gewichtung der Strafzumessungsgründe durch das Erstgericht.

Angesichts des Umstandes, daß durch die einschlägige strafgerichtliche Vorbelastung des Angeklagten die Strafschärfung bei Rückfall nach dem § 39 StGB möglich wäre, ist die vom Schöffengericht verhängte Freiheitsstrafe auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung nach dem § 32 Abs. 2 und 3 StGB keineswegs als überhöht anzusehen, sondern entspricht der Schuld des Angeklagten und der Täterpersönlichkeit.

Den insgesamt unbegründeten Rechtsmitteln mußte daher der Erfolg versagt bleiben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte