OGH 13Os74/08v

OGH13Os74/08v11.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Just als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmuth K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. November 2007, GZ 054 Hv 168/07f-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Strolz I. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. November 2007, GZ 054 Hv 168/07f-17, verletzt in dem zu B. ergangenen Schuldspruch das Gesetz in der Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 1 SMG aF.

Es werden das Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B. und im Strafausspruch, nicht aber im Einziehungserkenntnis, sowie der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben.

Helmuth K***** wird von der Anklage, er habe in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider einen psychotropen Stoff, nämlich 16 Tabletten Somnubene zu je 1 mg, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt erworben und bis zum 24. September 2007 besessen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm nach dem verbleibenden Schuldspruch weiterhin zur Last liegende Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB wird der Angeklagte unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Oktober 2007, GZ 065 Hv 48/07i-7, nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen. II. den Beschluss

gefasst:

Die bedingte Nachsicht der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. April 2005, AZ 111 Hv 42/05t, verhängten zehnmonatigen Freiheitsstrafe sowie die mit Beschluss des selben Gerichts vom 21. Juli 2005, AZ 182 BE 140/05x, verfügte bedingte Entlassung aus einer mit Urteil dieses Gerichts vom 17. Mai 2005, AZ 071 Hv 74/05d, ausgesprochenen viermonatigen Freiheitsstrafe werden widerrufen.

Text

Gründe:

Helmuth K***** wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. November 2007, GZ 054 Hv 168/07f-17, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (A.) und (richtig:) der Vergehen nach § 30 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG aF (B.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A. zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im August und September 2007 sowie am 24. September 2007 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in sechs Fällen fremde bewegliche Sachen, nämlich T-Shirts, Socken, ein Blechschild, drei Kombizangen und Küchengeräte in nicht mehr feststellbarem Gesamtwert im Urteil teils namentlich genannten, teils unbekannten Gewahrsamsträgern weggenommen und

B. den bestehenden Vorschriften zuwider einen psychotropen Stoff, nämlich 16 Tabletten Somnubene zu je 1 mg, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt für den Eigenkonsum erworben und bis zum 24. September 2007 besessen, weil er mit der ihm ärztlich verordneten Menge des Medikaments nicht das Auslangen gefunden hatte (US 12). Während der Angeklagte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtete, erhob die Staatsanwaltschaft Berufung (S 137), über die vom Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden wurde.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, war nach § 30 Abs 2 Z 1 SMG idF vor BGBl I 2007/110 nicht nach Abs 1 dieser Gesetzesstelle zu bestrafen, wer Arzneimittel, die einen psychotropen Stoff enthalten, sofern es sich nicht um eine große Menge handelt, für den eigenen Gebrauch oder für den Bedarf eines Tieres erwirbt, besitzt, einführt oder ausführt.

Nach den Konstatierungen des angefochtenen Urteils enthielten die Tabletten der Marke Somnubene einen psychotropen Stoff. Da die Tatrichter zu dessen Menge und Art aber keine Feststellungen getroffen haben, weist die Generalprokuratur der Sache nach (zur Bindung an den von einer angefochtenen Entscheidung festgestellten Sachverhalt, sofern nicht Feststellungsmängel geltend gemacht werden:

vgl 13 Os 86/07g, EvBl 2007/180, 983) zutreffend auf einen Rechtsfehler hinsichtlich des eingangs erwähnten Strafausschließungsgrundes hin, der den Obersten Gerichtshof nach § 292 letzter Satz StPO dazu veranlasst, den angefochtenen Schuldspruch zu kassieren.

Da eine Feststellung des Inhalts, dass die 16 Tabletten Somnubene die mit 0,4 Gramm festgesetzte Grenzmenge des gerichtsnotorischen Wirkstoffs Flunitrazepam (vgl Anhang I. zur Psychotropen-Grenzmengenverordnung, BGBl II 1997/378 idgF, Punkt 1 des Anhangs zur Psychotropenverordnung BGBl II 1997/375 idgF, Arzneimittelliste des Einführungserlasses zum Suchtmittelgesetz, JMZ 703.028/5-II.2/1997) überstiegen haben könnten, auch in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten ist, konnte sogleich in der Sache selbst mit Freispruch vorgegangen werden.

Bei der Strafneubemessung wegen des verbleibenden Schuldspruchs waren das umfassende reumütige Geständnis (das mangels vorheriger Kenntnis der Behörden von den Straftaten in Betreff der Schuldsprüche A/1 und A/III die Verurteilung erst ermöglichte; S 25 iVm 77, 129) sowie - in Bezug auf die Bedachtnahmeverurteilung - der Umstand, dass Taten teilweise beim Versuch geblieben sind, mildernd, erschwerend dagegen drei spezifisch einschlägige Vorstrafen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit Vergehen.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände und der in § 32 StGB bezeichneten allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung entspricht eine Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten der personalen Täterschuld und dem sozialen Störwert des vom Angeklagten begangenen Verbrechens.

Mit Blick auf das mehrfach einschlägig belastete Vorleben und den Vollzug mehrerer wegen gleichartiger Straftaten verhängter Freiheitsstrafen sowie die gewerbsmäßige Begehung der Diebstähle ist dem Angeklagten bei realistischer Sicht eine günstige Prognose nicht zu erstellen, sodass es des Vollzugs der gesamten Strafe schon aus spezialpräventiven Gründen bedarf. Aus diesen Gründen war auch der Widerruf der in der Vergangenheit gewährten bedingten Nachsicht und der bedingten Entlassung zusätzlich zur nunmehrigen Strafe geboten. Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist damit gegenstandslos.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte