OGH 13Os68/04

OGH13Os68/0414.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dietmar G***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dietmar G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 1. März 2004, GZ 27 Hv 68/03g-32, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Dietmar G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftig gewordenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Dietmar G***** des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB sowie des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Passau

I.) am 1. Dezember 2000 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Beamte des Finanzamtes Passau durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Oktober und November 2000 unter Vorspiegelung, er sei Willibald W*****, betreibe ein Unternehmen und habe Umsatzsteuer in Höhe von 34.436,96 DM und 262.137,86 DM bezahlt, sowie am 21. Dezember 2000 anlässlich der Betriebsprüfung durch Vorlage von inhaltlich unrichtigen und gefälschten Rechnungen, wodurch er den realen Bestand der Umsätze dokumentieren wollte, somit durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über seine Identität, seine Unternehmereigenschaft und über tatsächlich steuerpflichtige Umsätze, unter Benützung falscher und inhaltlich unrichtiger Urkunden zu einer Handlung, welche die Bundesrepublik Deutschland in einem 40.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollte, nämlich zur Auszahlung eines (vorgespiegelten) Vorsteuerguthabens von 296.574,82 DM (151.636,29 Euro) verleitet, wobei es infolge Nichtzahlung durch das Finanzamt beim Versuch blieb;

II.) im Oktober/November 2000 den durch Einkleben seines eigenen Lichtbildes verfälschten Reisepass des Willibald W***** mit der Nr. *****, ausgestellt von der BH Urfahr-Umgebung, somit eine verfälschte inländische öffentliche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich zur Eröffnung eines Geschäftskontos bei der D***** und der Anmeldung eines Gewerbes, gebraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Im Vorverfahren wurde neben dem nunmehrigen Angeklagten Dietmar G***** auch Wolfgang L***** als Beschuldigter verantwortlich abgehört (ON 13). Mit der Einbringung der Anklageschrift gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer gab die Staatsanwaltschaft Linz hinsichtlich Wolfgang L***** die Erklärung ab, dass kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung des Wolfgang L***** gefunden wird (§ 90 Abs 1 StPO; S 3b verso). In der Hauptverhandlung vom 4. November 2003 wurde Wolfgang L***** als Zeuge vernommen. Nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2 (richtig 1) StPO machte er von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch. Darauf beantragte der Verteidiger die Verlesung der Angaben dieses Zeugen als Beschuldigter (S 365). Über diesen Antrag erging weder in dieser Hauptverhandlung, noch in den (teilweise ungeachtet fehlenden Zeitablaufs oder geänderter Senatsbesetzung gemäß § 276a StPO) fortgesetzten Hauptverhandlungen vom 9. Dezember 2003 und vom 3. Februar 2004 (in welcher die damalige Verteidigerin "den gestellten Beweisantrag" aufrecht hielt - S 390) eine formelle Entscheidung. Vor Schluss des Beweisverfahrens in der Hauptverhandlung vom 1. März 2004 verlas der Vorsitzende gemäß § 252 Abs 1 Z 4 und Abs 2 StPO - unter ausdrücklicher Ausnahme der Angaben des Zeugen Wolfgang L***** - alle bisherigen Beweisergebnisse (S 402) und sprach damit inhaltlich über diesen Antrag mit dem Ergebnis der Nichtstattgebung ab. Da der Verteidiger zu dieser seinen Antrag abweisenden prozessleitenden Verfügung des Vorsitzenden kein Zwischenerkenntnis iSd § 238 Abs 1 StPO begehrte, fehlt es der Beschwerde an der nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO erforderlichen formellen Voraussetzung (vgl Ratz in WK § 281 Rz 318; zuletzt 14 Os 42/03).

Der Einwand des Beschwerdeführers, wonach seinem Antrag auf Verlesung der Angaben des ehemaligen Mitbeschuldigten, nunmehr als Zeuge die Aussage verweigernden Wolfgang L***** im Hinblick auf die Rechtsprechung zu § 252 Abs 1 Z 3 StPO stattzugeben gewesen wäre, ist im Übrigen nicht berechtigt. Denn die Judikatur vor Inkrafttreten des StPÄG 1993, wonach die Aussage eines vormals als (Mit-)Beschuldigter vernommenen Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung der Aussage entschlägt, nach § 252 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StPO verlesen werden darf (EvBl 1989/141; JBl 1981, 277; SSt 30/88; 26/68; 22/38; 15 Os 5/91) ist angesichts der Neugestaltung der §§ 152 f, 252 StPO obsolet.

Verweigert wie im vorliegenden Fall eine ehemals als Mitbeschuldigter vernommene Person nunmehr als Zeuge - im Hinblick auf § 152 Abs 1 Z 1 StPO berechtigt - die Aussage, steht einer Verlesung seiner früheren Angaben § 252 Abs 1 StPO entgegen, zumal § 252 Abs 4 StPO eine Umgehung des bei berechtigter Aussageverweigerung eines Zeugen bestehenden Verlesungsverbots mit Nichtigkeit bedroht. Die nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde gegen den gem § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Widerrufsbeschluss folgt (§ 285i, § 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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