OGH 13Os65/92

OGH13Os65/9216.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.September 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Markel und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Schützenhofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Walter G***** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 8.Jänner 1992, GZ 7 Vr 482/91-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der nunmehr 56jährige Sonderschuldirektor Walter G***** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB und der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen der Schändung nach dem § 205 Abs. 2 StGB, der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach dem § 208 StGB und des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, vorsätzlich unter Ausnützung seiner Stellung als Direktor einer Sonderschule seiner Erziehung, Ausbildung und Aufsicht unterstehende minderjährige Mädchen mißbraucht zu haben, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen. Im einzelnen wird ihm angelastet, im Jahr 1990 mit der am 26.Juli 1979 geborenen unmündigen Natascha G***** im Mehrzweckraum der Schule den außerehelichen Beischlaf unternommen zu haben, indem er geringfügig mit seinem entblößten Glied in die Scheide des entkleidet auf einem Tisch liegenden Mädchens eindrang (A des Schuldspruchs); ferner in der Zeit von 1986 bis Juni 1991 Unmündige, und zwar die am 16.März 1975 geborene, schwer behinderte und schwachsinnige Petra H***** (von 1986 bis zum 15.März 1989; B/1.), die am 18.November 1976 geborene Alexandra G***** (B/2.), die am 28.Juni 1977 geborene Sabine H***** (B/3.), die bereits genannte Natascha G***** (B/4.), die am 8.April 1980 geborene Elisabeth S***** (B/5.) und die am 13.November 1978 geborene Petra H***** (B/6.) auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht zu haben, indem er bei diesen Mädchen zum Teil oftmals und in vielen Angriffen die Scheide betastete, einen Finger in diese einführte, teilweise an der Scheide leckte, die Brüste betastete und in verschiedenen Fällen daran leckte, sowie sie teilweise zum Reiben an seinem Penis veranlaßte und von ihnen Mundverkehr durchführen ließ.

Weiters wurde er schuldig erkannt, Anfang 1988 Sabine H***** auf seinen Schoß gesetzt, ihr alle Seiten eines Pornoheftes gezeigt und für sie kommentiert zu haben, um sich dabei geschlechtlich zu erregen (C) und vom 16.März 1989, dem Tag nach ihrem 14.Geburtstag bis Juni 1991 Petra H*****, die wegen Schwachsinns und schwerer geistiger Behinderung unfähig ist, die Bedeutung solcher Vorgänge einzusehen, in der oben geschilderten Weise zur Unzucht mißbraucht zu haben (D).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft die Schuldsprüche mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Grundsätzlich muß zu den Beschwerdeausführungen festgehalten werden, daß die mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemachten formellen Begründungsmängel den Ausspruch über eine für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsache betreffen müssen (Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 18 zu § 281 Z 5). Entscheidende Bedeutung kommt aber nur jenen Tatsachen zu, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände maßgebend sind. Als entscheidende Tatsachen sind nur jene zu betrachten, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß üben (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 26). Insbesondere liegt dieser Nichtigkeitsgrund nur vor, wenn aus den vom Gericht ermittelten Prämissen nach den Denkgesetzen die von ihm gezogenen Schlußfolgerungen überhaupt nicht abgeleitet werden können. Wenn aus diesen Vordersätzen auch andere als die vom Gericht abgeleiteten, für den Angeklagten günstigeren, weil seinen Standpunkt stützenden Schlußfolgerungen möglich wären, sich das Gericht jedoch für die dem Angeklagten ungünstigere Version entscheidet, hat es einen Akt der freien Beweiswürdigung gesetzt, gegen welchen eine Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig ist (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 147). Ebensowenig kann die Tatsachenrüge (Z 5 a) darauf gestützt werden, das Erstgericht habe Beweisergebnisse bedenklich gewürdigt, von der ersten Instanz als glaubhaft angesehene Zeugenaussagen seien infolge innerer Unwahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung unglaubwürdig. Auch der Nichtigkeitsgrund nach der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestattet nämlich nicht die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 4 zu § 281 Z 5 a).

Die in der Beschwerde geltend gemachten und gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsgründe beziehen sich jedoch im wesentlichen einerseits auf entscheidungsunwesentliche Umstände und bekämpfen andererseits die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes in unzulässiger Weise.

Die Beschwerde wirft dem Urteil zunächst Aktenwidrigkeit vor, weil die Feststellung, bei derartigen Menschen (wie dem Angeklagten) bestehe erhöht die Möglichkeit, sexuelle Wünsche und Handlungen auf noch nicht ausgereifte Personen zu erstrecken, nicht aus dem eingeholten psychologischen Gutachten abgeleitet werden könne, das bei derartigen Persönlichkeiten nur die Möglichkeit für solches Verhalten einräume. Das Rechtsmittel bezieht sich in diesem Zusammenhang auf den psychischen Anstoß zu den dem Angeklagten angelasteten Taten und damit letztlich auf das Tatmotiv, dem aber keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 27 b zu § 281 Z 5). Die aus einer konkreten Persönlichkeitsgestaltung ableitbare erhöhte psychische Disposition zu strafbaren Handlungen bestimmter Art betrifft - bei (wie vorliegend) gegebener Schuldfähigkeit - nicht die Frage des strafrechtlich relevanten Verschuldens an sich, sondern lediglich den Grad eines solchen Verschuldens.

Die dem Urteil vorgeworfene Aktenwidrigkeit ist in Wahrheit auch gar nicht gegeben, weil die Beschwerde dabei den Gesamtzusammenhang des psychologischen Gutachtens vernachlässigt, auf den sich die Tatrichter bei diesen Feststellungen gestützt haben. Dieses Gutachten stellt persönlichkeitsmäßig beim Angeklagten mehrfach deutliche neurotische Komponenten mit Konfliktbereitschaft im sexuellen Bereich und einer dadurch bestehenden sexualen Problematik fest (AS 99, 103, 105, 263/II). Bereits diese besondere Diagnosestellung des psychologischen Befundes legt eine Persönlichkeitsartung außerhalb der im psychischen Bereich gegebenen Norm klar. Die in diesem Zusammenhang betonte Möglichkeit des Erstreckens von sexuellen Wünschen und Handlungen auf unreife Menschen (AS 103, 263/II) gestattete den Tatrichtern den denkrichtigen Schluß auf eine bei der Persönlichkeitsartung des Angeklagten bestehende gegenüber der Norm erhöhte Möglichkeit solcher Verhaltensweisen.

Wie das Erstgericht bereits richtig erkannte, ist es entscheidungsirrelevant, in welchem Raum der Schule der Angeklagte den Beischlaf an der unmündigen Natascha G***** unternahm. Das Erstgericht hat jedoch ohnedies sowohl im Spruch (A) als auch in den Entscheidungsgründen, dort allerdings in größerem Zusammenhang (US 7), festgestellt, daß dies im sogenannten Mehrzweckraum der Fall war. Das Erstgericht hat dazu auch denkrichtig und logisch dargetan, weswegen es der Aussage dieser Zeugin in der Hauptverhandlung folgte (US 13, 14). Soweit die Beschwerde diesbezüglich auf einen Widerspruch in deren Aussage vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung über den Ort des Geschehens hinweist, versucht sie lediglich in unzulässiger Weise deren Beweiskraft zu schwächen. Das entscheidungswesentliche Tatgeschehen (nämlich daß die Zeugin auf einem Tisch am Rücken lag, sich der Angeklagte nicht auf sie legte sondern vor ihr stand, sein Glied nur ein kleines Stück in ihre Scheide steckte und ihr dabei nicht weh tat, AS 222/I), hat das Opfer entgegen den Beschwerdeausführungen bereits in Einzelheiten vor dem Untersuchungsrichter geschildert, das Schöffengericht konnte sich somit richtigerweise auch darauf beziehen (US 13).

Ebenso konnte das Schöffengericht nach den Darlegungen des jugendpsychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr.Max F***** über die erhöhte psychologische Bedeutung eines Oralverkehrs für unerfahrene junge Menschen davon ausgehen, daß für Natascha G***** bei ihrer ersten Befragung durch eine Gendarmeriebeamtin, bei der sie das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und deren Ergebnis in Berichtsform festgehalten wurde (AS 49 ff/I), nach dem erstmaligen Überwinden der für ein Mädchen dieses Alters natürlichen Scheu vor der Schilderung an ihr begangener sexueller Mißbrauchshandlungen in fremder und ungewohnter Umgebung der für sie eindrücklichste weil intimste geschlechtliche Vorgang, nämlich der Mundverkehr (vgl die Sachverständigenausführungen in der Hauptverhandlung AS 276/II), im Vordergrund stand. Im übrigen erkennt die Beschwerde selbst, daß sie sich in diesem Zusammenhang ausschließlich mit Beweiswürdigungserwägungen der Tatrichter beschäftigt (AS 337 bis 339/II), die im Schöffenverfahren unbekämpfbar sind.

Der Umstand, ob die Opfer durch Streicheln an den Brüsten und Genitalien zunächst an die sexuellen Annäherungen des Angeklagten gewöhnt wurden und er erst darnach zu intimeren Handlungen schritt, ist nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung. Den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen zuwider hat das Schöffengericht auch festgestellt, daß die Türen zu jenen Räumen, in denen der Angeklagte seine Taten verübte, geschlossen blieben (US 8).

Selbst wenn das Erstgericht auf Grund der Aussagen der Kolleginnen des Angeklagten festgestellt hätte, daß sie ihn nie in einer verfänglichen Situation angetroffen haben, wäre für ihn angesichts der ohne formale Begründungsmängel in freier Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes zum Tatgeschehen insgesamt nichts gewonnen gewesen. In diesem Zusammenhang war auch eine nähere Erörterung der Aussage der Zeugin Sabine H*****, zweimal wären während sexueller Manipulationen Leute in den Raum gekommen, der Angeklagte habe sich weggewendet und die Hose gerichtet (AS 222/II), entbehrlich, weil die beiden anderen, ständig an dieser Schule tätigen Lehrer als Zeugen keine solchen Beobachtungen deponierten, nach ihren Angaben jedoch auch noch andere Lehrer an der Schule tätig waren (zB für Handarbeiten, Religion und Turnen, AS 244, 245/II). Für die Darstellung des Angeklagten, er habe keine der ihm vorgeworfenen Straftaten begangen, kann jedoch auch nichts gewonnen werden, wenn sich durch Zeugenaussagen erweisen ließe, er wäre tatsächlich von anderen Lehrpersonen in einer auf seine Straftaten hinweisenden Situation betreten worden.

Soweit sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang mit Ausführungen der psychologischen Sachverständigen Dr.K***** beschäftigt, stellen diese lediglich einen über Vorhalt des öffentlichen Anklägers (AS 265/II) gezogenen Schluß auf den Hinweis dar, bei den Vorfällen wären auch Türen offen geblieben, was sich nicht mit dem vom Schöffengericht festgestellten Sachverhalt deckt, der Angeklagte habe immer dafür gesorgt, daß die Türen zu jenen Räumen, in denen er die Straftaten beging, geschlossen waren (US 8).

In weiterer Folge beschäftigt sich die Beschwerde ausschließlich mit Beweiswürdigungserwägungen des Erstgerichtes (allfälliger Zusammenschluß der Mädchen, um dem Angeklagten zu schaden; Zugehörigkeit zu den Schulklassen; vorhandene oder fehlende Übereinstimmung in der Darstellung der Tatbabläufe durch die Zeuginnen; Möglichkeit für diese, pornographische Darstellungen außerhalb der Schule zu sehen; Abschwächung der Belastung durch drei Zeuginnen, in welchen Fällen eine Faktenausscheidung in der Hauptverhandlung erfolgte; Grund der Belastung durch die geistig behinderte Petra H*****) und entbehrt schon deshalb wegen der darin liegenden Bekämpfung der Beweiswürdigung im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) einer prozeßgemäßen Darstellung.

Aber auch unter dem Aspekt einer Tatsachenrüge (Z 5 a) kann damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden. Er vermag mit diesem Vorbringen weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgmeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Lösung der Beweisfrage in entscheidungswesentlichen Punkten aufkommen lassen. Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen auf Grund des von diesem in der Hauptverhandlung persönlich gewonnenen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist auch der Anfechtung durch die Tatsachenrüge entzogen (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 2 und 3 zu § 281 Z 5 a).

Wenn die Beschwerde abschließend festhält, dem Zweifelsgrundsatz folgend hätte das Erstgericht der Verantwortung des Angeklagten folgen und einen Freispruch fällen müssen, geht sie vollends am Wesen der Wahrheitsfindung im Strafverfahren vorbei. Für die Schuldentscheidung ist die denkrichtig begründete, zweifelsfreie Überzeugung von der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes vorausgesetzt, nicht jedoch, daß die aus dem Beweisverfahren letztlich gezogenen Schlußfolgerungen des Gerichtes die einzig denkmöglichen wären und nicht gegenteilige, den Standpunkt des Angeklagten stützende in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) abgelehnt werden könnten.

Insgesamt erweist sich die Beschwerde somit als offenbar unbegründet, weswegen sie gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Sitzung zurückzuweisen war. Zur Entscheidung über die zugleich erhobene Berufung ist damit aber der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz berufen (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung findet ihre Begründung in der angeführten gesetzlichen Bestimmung.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte