Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander H***** schuldig erkannt, das „zweifache" Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I.) und das „zweifache" Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (II.) begangen zu haben.
Danach hat er in K***** im Frühjahr 2004
I.) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an bzw von der am 21. August 1994 geborenen, sohin unmündigen Bianca H*****
1.) an sich vornehmen lassen, indem er Bianca H***** aufforderte, ihm sein Glied einzucremen, welcher Aufforderung das Mädchen auch nachkam;
2.) an ihr vorgenommen, indem er sie an der Scheide betastete;
II.) von seinem minderjährigen Stiefkind Bianca H***** durch die zu
I. 1. genannte Tathandlung eine geschlechtliche Handlung an sich vornehmen lassen und durch die zu I. 2. genannte Tathandlung an ihr eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO unter dem Titel „Berufung wegen Nichtigkeit" erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen blieben die Feststellungen zur Tathandlung I. 1. nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall), sondern wurden auf die als glaubwürdig erachteten Angaben der Bianca H***** sowohl vor der Polizei (S 41 ff) als auch in deren kontradiktorischen Vernehmung (S 103 ff) gestützt (US 4 f).
Soweit die Beschwerde Konstatierungen dazu vermisst, dass es beim Angeklagten zu keiner Erektion des Gliedes gekommen sei (der Sache nach Z 9 lit a), macht sie nicht klar, warum es entgegen herrschender Lehre und Rechtsprechung bei den dem Angeklagten vorgeworfenen Tathandlungen erforderlich sein sollte, dass diese dem erregten Geschlechtstrieb des Täters entspringen oder zur Erregung dessen Geschlechtstriebes bestimmt sind (RIS-Justiz RS0094905; Fabrizy, StGB9 § 202 Rz 3). Insofern war auch eine Erörterung der in diese Richtung weisenden Angaben des Angeklagten und der Zeugin H***** nicht geboten.
Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt vor, wenn nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung erfolgt ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419). Mit dem Verweis auf die - nach Ansicht des Beschwerdeführers - grundlegend verschiedenen Aussagen der minderjährigen Zeugin und darauf, dass ihr das Gericht trotz Widersprüchen in der Schilderung der zweiten Tathandlung geglaubt habe, wird keine Undeutlichkeit aufgezeigt, sondern - die Anfechtungskategorien dieses Nichtigkeitsgrundes missachtend - lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter, die sich im Übrigen mit Abweichungen in den Aussagen auseinandergesetzt haben (US 5), angegriffen.
Gleiches gilt für die spekulativen Erwägungen, es sei psychologisch nicht auszuschließen, dass die Zeugin Erfahrungen eines späteren Missbrauchsdeliktes auf den Angeklagten übertrage, sowie für das weitere Vorbringen, das die tatrichterliche Einschätzung der Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig kritisiert. Wieso der Umstand, dass durch die Zeugin Bianca H***** anlässlich des Vorhaltes der Verantwortung des Angeklagten während der kontradiktorischen Vernehmung „keine verbale Negation erfolgt ist", für die Glaubwürdigkeit des Angeklagten sprechen sollte, bleibt ebenfalls unklar.
Gegenstand der Rechtsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581). Indem der Beschwerdeführer das Vorliegen der subjektiven Tatseite bestreitet und zum Schuldspruch I. 2. lediglich Beweisergebnisse anders interpretiert, hält er nicht an den Urteilsannahmen der Tatrichter fest (US 4) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt einer erfolgreichen Anfechtung.
Die Feststellungen zum Vorsatz wurden der Beschwerde zuwider auch nicht offenbar unzureichend begründet (der Sache nach Z 5 vierter Fall), sondern - logisch und empirisch mängelfrei - aus der Persönlichkeit des Angeklagten sowie aus der Art der Tatbegehung abgeleitet (US 7 zweiter Absatz).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO. Anzumerken bleibt, dass das vorliegende Urteil mit Nichtigkeit behaftet ist, weil zu Unrecht das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und zwei Vergehen angenommen wurde.
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen begab sich der Angeklagte, unmittelbar nachdem er sich im Badezimmer von seiner unmündigen Stieftochter seinen Penis hatte eincremen lassen, mit dem Mädchen in das Schlafzimmer, um es seinerseits im Scheidenbereich zu betasten. Die wiederholte Verwirklichung des gleichen Tatbestandes in kurzer zeitlicher Abfolge, also unter nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) bei einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld) ist als tatbestandliche Handlungseinheit aufzufassen (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 104). Durch ein solches Vorgehen verwirklicht der Täter den betreffenden Tatbestand - unbeschadet idealkonkurrierenden Zusammentreffens mit einer weiteren strafbaren Handlung - aber nur einmal. Da der Angeklagte durch die jeweils zweifache Subsumtion nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes - fallbezogen noch - keinen effektiven Nachteil erlitten hat, bedarf es amtswegiger Wahrnehmung der darin gelegenen Nichtigkeit aus Z 10 nicht. Dann aber ist ein effektiver Nachteil aus Z 11 zweiter Fall zu konstatieren, weil das Schöffengericht die jeweils zweifach gleichartige Subsumtion - konsequenterweise - auch bei der Strafbemessung in Anschlag gebracht hat.
Ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO war dennoch nicht erforderlich, kann die aufgezeigte Benachteiligung des Angeklagten doch vom Oberlandesgericht Wien im Rahmen der Berufungsentscheidung behoben werden (Ratz in WK-StPO § 290 Rz 29).
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