OGH 13Os62/95

OGH13Os62/9528.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juni 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wlattnig als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manfred Z***** wegen des Verbrechens nach § 3 g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom 23.November 1994, GZ 33 Vr 487/92-39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Tiegs, des Angeklagten Manfred Z***** und des Verteidigers Dr.Windhager zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Manfred Z***** des Verbrechens nach § 3 g VerbotsG schuldig erkannt, weil er sich auf andere als die in den §§ 3 a bis 3 f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt hat, indem er

1. von Ende Juli bis 3.September 1991 in Linz und anderen Orten Österreichs neun Aufkleber mit der Parole "Schluß mit dem Holocaust oder: Deutscher willst du ewig zahlen ?" verteilte und elf weitere solche zum Verteilen bereit hielt;

2. am 11.Dezember 1991 in Linz mit einem unbekannten Mittäter 20 Stück der Zeitschrift "Gäck Nr 5/91" an Schüler verteilte und

3. von 1991 bis 26.März 1992 in Ansfelden 15 Exemplare des von ihm gestalteten Liederbuches mit dem Titel "Auf zum Kampf - unsere Kampflieder - Aus allen Gauen" zum Verteilen bereit hielt. Der Wahr- und Schuldspruch 2. und 3. enthält umfangreiche Teilwiedergaben des Inhaltes der diesbezüglichen Druckwerke.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 10 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Die Rüge der Fragestellung (Z 6) reklamiert das Fehlen von auf irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes (§ 8 StGB) und auf Rechtsirrtum (§ 9 StGB) gerichteten Zusatzfragen, weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung vorgebracht habe, er wäre mangels juristischer Kenntnisse und entsprechender Ausbildung nicht imstande gewesen, zu differenzieren, "was nationalsozialistisch ist und was nicht" (S 45/II).

Gemäß § 313 StPO ist eine Zusatzfrage zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, die - werden sie als erwiesen angenommen - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden. Dies war in der Hauptverhandlung nicht der Fall.

Die zitierte Verantwortung des Angeklagten bezog sich nämlich nicht auf die (Gesamt-) Tat als solche sondern allein auf den Vorhalt eines (nicht näher) bezeichneten Artikels der Zeitschrift "Gäck Nr 5/91". Selbst wenn aber der Angeklagte sein Unrechtsbewußtsein generell bestritten hätte, wäre eine Zusatzfrage gemäß § 313 StPO nach schuldausschließendem Rechtsirrtum nur dann indiziert gewesen, wenn in der Hauptverhandlung auch Tatsachen vorgebracht worden wären, die auf eine mangelnde Vorwerfbarkeit des behaupteten Irrtums hingewiesen hätten. Derartige Anhaltspunkte lassen sich aus der Verantwortung in der Hauptverhandlung jedoch nicht entnehmen. Die Äußerung des Angeklagten, er sei "ja kein Jurist" (S 47/II), vermag schon deshalb nicht die Vorwerfbarkeit eines allfälligen Rechtsirrtums zu beseitigen, weil für das Unrechtsbewußtsein das laienhafte, allgemeine Wissen um das rechtliche Verbotensein des vorgeworfenen Verhaltens genügt, während die Kenntnis der Norm (im aktuellen Fall des Verbotsgesetzes) in ihren Einzelheiten nicht erforderlich ist (Leukauf-Steininger Komm3 § 9 RN 3). Auf Grund der (zugestandenen) Kenntnisse über das Wesen des Nationalsozialismus (siehe insbesondere S 109, 121/II) und der aus der Fernsehberichterstattung über die politische Tendenz der Zeitschrift "Gäck" offensichtlich erlangten Informationen (S 39, 111/II) wäre der Angeklagte außerdem jedenfalls gehalten gewesen, sich über nationalsozialistisches Gedankengut in den einzelnen Artikeln dieser Zeitschrift Gewißheit zu verschaffen. Sollte er dies unterlassen haben, zieht dies die Vorwerfbarkeit (im Sinn des § 9 Abs 2 StGB) des von ihm behaupteten Rechtsirrtums nach sich.

Im übrigen ist ein Rechtsirrtum auch dann vorzuwerfen, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar ist. Das bereits 50 Jahre (im Verfassungsrang) bestehende Verbot nationalsozialistischer (Wieder-) Betätigung ist grundsätzlich jedem erwachsenen Österreicher bekannt. Ein Schuldausschluß wegen Rechtsirrtums war jedenfalls im vorliegenden Fall nicht indiziert, weshalb eine darauf zielende Zusatzfrage ebenso unterbleiben konnte wie eine solche auf irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes (§ 8 StGB), weil auch dafür in der Hauptverhandlung keinerlei Tatsachen vorgebracht wurden.

Die weiteren Beschwerdeausführungen zu diesem Nichtigkeitsgrund, der Angeklagte habe nicht die Absicht gehabt, die Holocaust-Aufkleber (siehe 1.) weiterzugeben, sei auch der tatsächlichen Weitergabe nicht überführt worden und habe nur eine geringe Anzahl von Exemplaren der Zeitschrift "Gäck Nr 5/91" verteilt (2.), beschränkt sich auf einen unzulässigen Angriff gegen die Beweiswürdigung des Geschworenengerichtes und zeigt keinen Fehler des Fragenschemas auf.

Die Instruktionsrüge (Z 8), die Rechtsbelehrung habe Probleme der irrtümlichen Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts und des Rechtsirrtums nicht erörtert, versagt schon deshalb, weil eine Belehrung nur für im Fragenschema aufscheinende Rechtsbegriffe zu erteilen ist, den Geschworenen aber Zusatzfragen in dieser Richtung gar nicht gestellt worden sind (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 345 Z 8 E 20 und 23 a).

Das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 10 a), aus dem durchgeführten Beweisverfahren bzw aus dem Akteninhalt ergäben sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen, wonach der Angeklagte Aufkleber mit der Aufschrift "Schluß mit dem Holocaust oder: Deutscher willst du ewig zahlen ?" verteilt habe, ist nicht geeignet, solche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen, weil der Angeklagte bei seiner ersten Vernehmung vor den Sicherheitsbehörden (S 17/I) selbst zugab, "welche davon weitergegeben" zu haben, und in seiner späteren, leugnenden Verantwortung (S 24/I, 7/II) keine plausible Erklärung für diese Änderung zu geben vermochte.

Auch das Beschwerdevorbringen, der Angeklagte sei sicher gewesen, daß eine Verteilung einer derart geringen Anzahl von Broschüren keinen Anlaß zu Bedenken gebe bzw er habe bei seiner Aktivität "keineswegs den Tatbestand des § 3 g VerbotsG herbeiführen" wollen, sodaß nicht einmal bedingter Vorsatz vorgelegen sei, vermag auf Aktengrundlage erhebliche Bedenken gegen die zur subjektiven Tatseite im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen nicht zu wecken.

Daß der Angeklagte die Broschüre "Gäck Nr 5/91" selbst vefaßt hätte, wurde ihm nicht vorgeworfen. Auch die Verteilung von "lediglich" 20 Stück, ist für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes nach § 3 g VerbotsG ausreichend. Soweit die Beschwerde mit der Behauptung, der Herausgeber dieser Zeitschrift sei in der Folge (nur) zu einer Verwaltungsstrafe verurteilt worden, möglicherweise dartun will, (auch) das Verteilen dieser Zeitschrift stelle lediglich eine Verwaltungsübertretung dar, übergeht sie die von den Geschworenen in ihrem Wahrspruch getroffene Feststellung, daß der Angeklagte sich durch das festgestellte Verhalten (auf eine andere als die in den §§ 3 a bis 3 f VerbotsG bezeichnete Weise) im nationalsozialistischen Sinne betätigt hat. Insoweit entbehrt die Beschwerde einer der Prozeßordnung entsprechenden Darstellung.

Sie war deswegen zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach § 3 g VerbotsG, § 28 StGB zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, wobei gemäß § 43 a Abs 3 StGB ein Strafteil von 23 Monaten für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Gemäß § 26 Abs 1 StGB wurde das sichergestellte Propagandamaterial (drei Exemplare der Zeitschrift "Gäck Nr 5/91", Aufkleber mit der Parole: "Schluß mit dem Holocaust oder: Deutscher willst du ewig zahlen ?", elf Exemplare des Liederbuches "Auf zum Kampf - unsere Kampflieder - Aus allen Gauen") eingezogen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht als erschwerend die dreifache Verbrechensbegehung sowie die relativ prominente Stellung des Angeklagten in der österreichischen rechtsextremen Szene, insbesondere seine führende Rolle im Rahmen der von ihm mitbegründeten "Jungen neuen Richtung", als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenwandel, das weitgehende Tatsachengeständnis und das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren zur Tatzeit.

Die Berufung strebt Strafherabsetzung und gänzliche bedingte Strafnachsicht an. Auch sie ist nicht begründet.

Die Berufung behauptet, der Angeklagte wäre bei den ihm vorgeworfenen Verbrechen nur in untergeordneter Rolle tätig gewesen, vernachlässigt damit aber seine vom Geschworenengericht begründetermaßen (siehe insbesondere S 15 ff/II) festgestellte führende Rolle. Der Milderungsgrund nach § 34 Z 18 StGB kommt unter Bedachtnahme auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (28.Februar 1992) nicht in Betracht (Mayerhofer-Rieder, StGB4 § 34 E 57). Die vom Angeklagten im Rahmen seiner Verantwortung selbst zugestandenen politischen Überlegungen schlossen ein Handeln aus Unbesonnenheit aus. Seine soziale Integration ist im Rahmen des Milderungsgrundes des bisher ordentlichen Lebenswandels ebenso wie das Tatsachengeständnis ausreichend berücksichtigt worden. Letztlich kann auch davon, daß die Tat unter Umständen begangen wurde, die einem Schuldausschließungsgrund (Rechtsirrtum) nahe kämen, keine Rede sein (siehe oben).

Angesichts der gesetzlichen Strafdrohung (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) ist das vom Geschworenengericht gefundene Strafmaß keineswegs überhöht. Mit Rücksicht auf die längerfristige, wiederholte Betätigung im nationalsozialistischen Sinn ist auch die gänzliche bedingte Strafnachsicht ausgeschlossen.

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