OGH 13Os56/02

OGH13Os56/0226.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lazarus als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Paul S***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teils als Bestimmungstäter gemäß § 12 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Paul S***** und Martins O***** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 12. Februar 2002, GZ 7 Hv 1059/01k-98, sowie über die Beschwerden gegen die gleichzeitig gefassten Widerrufsbeschlüsse nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch rechtskräftig gewordene Verurteilungen der Mitangeklagten Frank O***** und Josef O***** alias Johnson D***** enthält, wurden

Paul S***** ua zu A/I/1 a) und b und II: des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter

Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teils als Bestimmungstäter

nach § 12 (zweiter Fall) StGB;

sowie der Vergehen

zu A/I/2/a: nach § 28 Abs 1 SMG; und

zu A/IV/1: nach § 27 Abs 1 SMG;

Martins O*****

zu A/I/2/a: des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG;

zu A/III/1 und 2/a:

der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3, (erster Fall) SMG

als Beitragstäter nach § 12 (dritter Fall) StGB;

sowie der weiteren Vergehen

zu A/V/2: nach § 27 Abs 1 SMG;

zu B/I: des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 erster Fall StGB;

zu D/I: der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB;

zu D/II: der Fälschung von Urkunden gemäß § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach haben (unter anderem) Paul S***** und Martins O***** in Wien

A) den bestehenden Vorschriften zuwider

I) Suchtgift in großer Menge (Abs 6)

1) gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, wobei die in Verkehr gesetzte Menge insgesamt das 25-fache der Grenzmenge des Absatz 6 übersteigt und zwar Paul S*****

a) von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 8. November 2001 in einer Vielzahl von Angriffen ca 150 Gramm brutto Heroin und Kokain durch Verkauf an unbekannt gebliebene Konsumenten und durch Weitergabe auf Kommissionsbasis an unbekannt gebliebene Subhändler;

b) am 8. November 2001, indem er 231,8 Gramm brutto Kokain und 596,2 Gramm brutto Heroin an die abgesondert verfolgte Augusta O***** gegen ein Entgelt von 76.300,-- S übergab;

2) am 8. November 2001 mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar

a) Paul S*****, Martins O***** (und Josef O*****) 805,9 Gramm brutto Kokain und 241,3 Gramm brutto Heroin;

II) in der Zeit von Mitte Oktober bis 8. November 2001 andere dazu bestimmt, einen Beitrag zum gewerbsmäßigen Inverkehrsetzen einer großen Menge (Abs 6) Suchtgift zu leisten, indem "Paul S***** (sh US 17) Martins O*****, Josef O***** und weitere unbekannt gebliebene Personen gegen ein Entgelt von 10,-- S pro Kugel, zu den unter III/2/a) und b) angeführten strafbaren Handlungen bestimmte";

III) dazu beigetragen, dass Suchtgift in einer großen Menge (Abs 6) in Verkehr gesetzt werde, und zwar

1) Martins O*****, indem er am 8. November 2001 Paul S***** zum Übergabeort der unter Punkt I/A/1/b) genannten Tathandlung begleitete und dort Aufpasserdienste leistete;

2) indem sie im Zeitraum von Mitte Oktober bis 8. November 2001 im Auftrag von Paul S***** Heroin und Kokain in die im Straßenhandel üblichen Kugeln verpackten, und zwar

a) Martins O***** an zwei Tagen insgesamt zum Inverkehrsetzen von zumindest 55 Kugeln a 0,4 Gramm, sohin insgesamt 22 Gramm Heroin/Kokain brutto.

b) ...

V) Suchtgift zum Eigengebrauch erworben und besessen, und zwar

1) Paul S***** seit seiner Haftentlassung bis zum 8. November 2001 Heroin;

2) Martins O***** von Februar 2001 bis 8. November 2001 Heroin, Kokain und Cannabisprodukte;

B) am 8. November 2001 einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner rechtmäßigen Festnahme zu hindern versucht, und zwar

I) Martins O*****, indem er heftig mit den Armen um sich schlug und

erst durch einen gezielten "Schockschlag" gegen das Kinn sein Widerstand gebrochen werden konnte;

................

D) Martins O***** am 8. November 2001 gefälschte Urkunden, die mit

seinem Lichtbild versehen waren und auf den Namen Osaro O*****, geboren am 7. 7. 1973 in Benin City/Nigeria lauteten, besessen und sie verwendet, um sich im Rechtsverkehr damit auszuweisen, und zwar

I) einen spanischen Reisepass Nr 00017199, somit eine ausländische

Urkunde, die inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist und

II) eine spanische Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung Serien Nr 203407, eine spanische Sonderaufenthaltsgenehmigung Serien Nr 048099 und ein spanischer Lagerausweis Serien Nr 074032

Dagegen richten sich eine angemeldete, jedoch unausgeführt gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Paul S***** sowie die auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Martins O*****.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Paul S*****:

Da die unausgeführt gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde auch nicht bei der Anmeldung einen der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet hat, insbesondere keinen Tatumstand, der den Nichtigkeitsgrund bilden soll, ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisung angeführt hat, war sie schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, da sie schon vom Gerichtshof erster Instanz nach § 285a StPO hätte zurückgewiesen werden sollen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO). Aus deren Anlass ist allerdings zu bemerken, dass der Schuldspruch des Paul S***** A./II./ des Urteilssatzes nicht bloß die rechtsirrige Annahme einer unrichtigen Täterschaftsform zum Ausdruck bringt, sondern eine verfehlte zusätzliche Verurteilung wegen eines durch den Schuldspruch A./I./1./a./ abgegoltenen Verhaltens. Abgesehen davon, dass die vorsätzliche Veranlassung eines anderen zu einem (sonstigen) Tatbeitrag im Sinne des § 12 dritter Fall StGB keine Bestimmung im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB darstellt (JBl 1996, 329), ist eine solche vom unmittelbaren Täter zwecks Förderung seiner Tat gesetzte Aktivität jedenfalls kraft materieller Subsidiarität nicht gesondert strafbar (Fabrizy in WK2 § 12 Rz 49).

Diese Rechtsfehler haben sich jedoch ersichtlich nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt, würde doch bei richtiger rechtlicher Beurteilung statt der Unterstellung unter eine weitere Begehungsform der besondere Erschwerungsgrund des § 33 Z 4 StGB hinzutreten. Nur am Rande sei bemerkt, dass das Erstgericht mit dem bei allen Angeklagten zu berücksichtigenden Zusammentreffen "mehrerer Verbrechen und Vergehen" offenbar das jeweilige Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen gemeint hat.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Martins O*****:

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine sowohl unzureichende als auch unvollständige Begründung des Schuldspruchs A III. 1., zeigt jedoch keine Begründungsmängel auf, sondern trachtet unter umfänglicher Erörterung der Verantwortung der Angeklagten nach Art einer im kollegialgerichtlichen Nichtigkeitsverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (prozessordnungswidrig) die tatrichterliche Feststellung der Leistung von Aufpasserdiensten in Abrede zu stellen (was der wiederholten Zitierung des Zweifelsgrundsatzes unschwer zu entnehmen ist). Dass im Übrigen die Tatrichter aber nicht an der Täterschaft des Nichtigkeitswerbers gezweifelt haben (und nur darauf kommt es an, nicht auf Bedenken des Verteidigers), zeigen die Konstatierungen.

Auch die Behauptung unvollständiger und unzureichender Begründung der Altersfeststellung des Angeklagten durch das Erstgericht (Z 1 und Z 11 iVm Z 5) geht fehl. Wie die Beschwerde selbst ausführt, hat sich dieses bei der Altersfeststellung ("im Tatzeitpunkt jedenfalls älter als 21 Jahre" - US 13) des Angeklagten O***** auf den persönlichen Eindruck gestützt. Ein solcher Schluss ist jedoch entgegen der Beschwerde durchaus nachvollziehbar, weil er nicht unlogisch ist, sodass die Konstatierung mängelfrei blieb. Das Gericht ist nämlich nicht nur befugt, "zwingende" Schlüsse zu ziehen, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse, sofern sie nur den Denkgesetzen nicht widersprechen bzw mutwillig erscheinen. Wenn sich aber die Tatrichter für eine der logisch möglichen Varianten entschieden haben, und sei es auch die für den Angeklagten ungünstigere, so ist dies ein mit der Mängelrüge unbekämpfbarer Ausfluss der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Die Tatsachenrüge (Z 5a, gemeint Z 1 und Z 11 iVm Z 5a) wendet sich ebenfalls gegen die Altersfeststellung, zeigt jedoch weder sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen auf noch legt sie - soweit die Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit ins Treffen geführt wird - dar, aus welchen Gründen der Angeklagte an einer diesbezüglichen Antragstellung gehindert war. Auch die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass über die Berufungen und Beschwerden beider Angeklagten das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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