OGH 13Os52/96

OGH13Os52/9624.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Mag.Strieder, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Eckert-Szinegh als Schrift- führerin, in der Strafsache gegen Mohamed Faouzi Ben Ahmed Marzougui S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.November 1995, GZ 2 d Vr 10.299/95-38, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Freispruch unberührt bleibt, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mohamed Faouzi Ben Ahmed Marzougui S***** der Vergehen (zu I) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und (zu II) der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er die Mutter seines Kindes Zlatanka B*****

I. zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar durch die Äußerungen

1. am 31.August 1995, er werde sie zerhacken bzw einen Freund dafür bezahlen, daß er sie töte;

2. am 7.September 1995 durch die Äußerung, er werde sie "bestimmt kriegen";

II. durch gefährliche Drohung zur Überlassung des gemeinsamen Kindes Sandra B***** zu nötigen versucht, und zwar durch folgende Äußerungen

1. am 3.September 1995, er bringe sie um, wenn er sein Kind nicht sehe;

2. am 4.September 1995, wenn er sein Kind nicht sehe, mache er etwas anderes;

3. am 13.September 1995, er wolle sein Kind sehen und wenn sie dem nicht einstimme, werde er sie und ihre Familie auf offener Straße umbringen bzw ihr mit seinem Messer die Zunge herausschneiden.

Vom weiteren Vorwurf, daß er Zlatanka B***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt und hernach mit einer Todesdrohung zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu nötigen versucht hätte, wurde der Angeklagte freigesprochen, weil das Schöffengericht der diesbezüglich eindeutig belastenden Aussage der Zeugin B***** nicht glaubte.

Rechtliche Beurteilung

Während der Freispruch unangefochten blieb, bekämpft der Angeklagte den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Schon der Mängelrüge (Z 5) kommt Berechtigung zu.

Zur Begründung des Schuldspruchs begnügte sich das Erstgericht, vom Urteilsfaktum II 3 abgesehen, mit dem pauschalen Hinweis auf kumulativ angeführte Beweismittel unter besonderer Hervorhebung der vor der Polizei (ON 2) deponierten Angaben der Zeugin B*****.

Eine darüberhinausgehende Begründung erfuhr nur die Ablehnung der grundsätzlichen Bestreitung jeglicher Bedrohung durch den Hinweis auf die Aussagen der Zeugin Milica M*****, die, ohne einzelne Vorfälle konkretisieren zu können, ganz allgemein Drohungen und Nötigungsversuche des Angeklagten gegenüber B***** bestätigte, ferner der Nötigungsversuch vom 13.September 1995 (II 3) und die Verwerfung der Behauptung des Angeklagten, mit B***** im gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben, weshalb er keinen Anlaß gehabt habe, einen Kontakt mit seiner Tochter zu erzwingen.

In bezug auf das Urteilsfaktum I 1 gingen die Tatrichter ersichtlich von der Sachverhaltsschilderung der Zeugin B***** in ihrer Anzeige vom 31.August 1995 (S 36) und damit davon aus, daß den inkriminierten Äußerungen des Angeklagten die Ablehnung seines Begehrens auf Aufnahme in die Wohnung der Mutter der Zeugin vorangegangen ist. Letztere hatte indes in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht angegeben, der Angeklagte, der im achten Bezirk gewohnt habe, habe mit seinen (weder nach Art noch nach Zeit und Ort präzisierten) Drohungen erreichen wollen, daß ihre Tochter mit ihm zusammen lebe (S 160).

Einer Erörterung dieser vom Beschwerdeführer zutreffend aufgezeigten Diskrepanz hätte es aber schon deshalb bedurft, weil das Erstgericht, ausgehend von einer "in eindrucksvoller Weise widerspruchsfreien" Darstellung aller vom Schuldspruch erfaßten Tathandlungen durch die Zeugin B***** auf deren Glaubwürdigkeit geschlossen hatte (US 6), die es in anderem Zusammenhang (nämlich hinsichtlich des Vergewaltigungsdeliktes, von dem der Angeklagte freigesprochen wurde,) verneinte (US 9).

Damit in engem Zusammenhang, weil letztlich abermals die Glaubwürdigkeit der Zeugin B***** insgesamt tangierend, steht die als mangelhaft (Z 5) reklamierte Begründung der zum Faktum II 3 getroffenen Feststellung der Identität des Angeklagten mit jener männlichen Person, deren als Nötigungsversuch beurteilte Äußerungen auf einem (technisch nicht ausgewerteten) Tonband festgehalten sind. Daß nämlich die Verantwortung des Beschwerdeführers, nicht der Anrufer gewesen zu sein, "dadurch als Lüge entlarvt" sei, daß auf der Cassette die Stimme seiner kleinen Tochter zu hören sei, die öfters "Papa, Papa" gerufen habe und "wohl jedem Vater ohne Zweifel klar" sei, "daß seine kleine Tochter wohl zu keinem anderen Mann Papa sagen würde", läßt ganz abgesehen davon, daß diese Annahme in der Tonbandaufnahme gar keine Deckung findet, außer acht, daß es sich bei der Tochter des Angeklagten um einen sechs Monate alten Säugling handelte.

Das Übergehen dieser von der Mängelrüge aufgezeigten, für den gesamten Schuldspruch relevanten Verfahrensergebnisse stellt bereits den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund dar, sodaß es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeeinwände nicht mehr bedurfte.

Der Schuldspruch war daher gemäß § 285 e StPO schon bei einer nichtöffentlichen Sitzung sofort aufzuheben und die Verfahrenserneuerung durch den Einzelrichter des Landesgerichtes (s Mayerhofer/Rieder StPO3 ENr 49 a zu § 288; § 9 Abs 1 StPO) anzuordnen. Durch die damit ver- bundene Kassation des Strafausspruches sind die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegenstandslos.

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