OGH 13Os5/11a

OGH13Os5/11a17.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kirnbauer als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Johann K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 29. November 2010, GZ 24 Hv 183/10s-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil ordnete das Landesgericht Innsbruck die Unterbringung des Johann K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB an, weil er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie mit deutlich ausgeprägter Residualsymptomatik, beruhte,

(I) am 14. Juni 2010 in Innsbruck dem Robert S***** dadurch, dass er mit einem geöffneten Taschenmesser mit einer Klingenlänge von sechs Zentimetern auf diesen zulief und versuchte, ihm einen Stich in den Oberkörper zu versetzen, eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen versuchte;

(II) am 25. Juni 2010 in Kufstein den Polizeibeamten Franz P***** während der Vollziehung seiner Aufgaben, nämlich der Verbringung des Johann K***** auf die Polizeiinspektion nach dessen Festnahme, vorsätzlich am Körper verletzte, indem er ihm durch mehrere Schläge in das Gesicht Prellungen im Bereich der rechten Gesichtshälfte zufügte;

(III) am 3. August 2010 in Hall in Tirol die Sachverständige Dr. Karin Kr***** während der Vollziehung ihrer Aufgaben, nämlich seiner Untersuchung zur Feststellung der Zurechnungsfähigkeit im Auftrag der Staatsanwaltschaft, vorsätzlich am Körper verletzte, indem er ihr Tritte versetzte, sie an den Haaren zu Boden zerrte, in weiterer Folge seine Daumen mehrmals in ihre Augen drückte und ihr dadurch Prellungen, Kratzwunden und Verletzungen an den Augen zufügte,

und dadurch das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (I) und die Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (II und III) beging.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen (nominell ausschließlich) aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen kommt keine Berechtigung zu.

Der im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Punkt I des Urteilstenors der Sache nach erhobene Vorwurf einer in unterlassener Erörterung einer bestimmten Passage des psychiatrischen Sachverständigengutachtens, wonach der Betroffene „unfähig war, die Realität und das Unrecht seiner Verhaltensweisen und Handlungen zu erkennen und einzusehen“ (ON 37 S 38), gelegenen Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5 zweiter Fall) geht ins Leere. Denn das Erstgericht hat sich mit den schriftlichen und mündlichen Ausführungen der Sachverständigen im Ganzen ohnehin beweiswürdigend auseinandergesetzt (US 15 f) und war mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, sämtliche Details des Gutachtens ausdrücklich zu erörtern (RIS-Justiz RS0098778). Der ins Treffen geführten Gutachtenspassage ist dem Beschwerdevorbringen zuwider außerdem kein Hinweis - im Sinn eines für die Feststellung entscheidender Tatsachen (vorliegend der auf Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichteten Absicht - vgl US 7) erheblichen, solcherart erörterungsbedürftigen Umstands - auf einen Absicht ausschließenden Tatbildirrtum (vgl RIS-Justiz RS0118333) zu entnehmen. Dies erhellt auch aus den über Befragung durch den Verteidiger gerade zu dieser Formulierung ergänzten Ausführungen der Sachverständigen in der Hauptverhandlung, wonach der Betroffene „nie eine Persons- oder Situationsverkennung gehabt“ und „immer gewusst“ habe, „in welcher Situation er sich befindet, auch dass“ (Anmerkung: mit Bezug auf Punkt III des Urteilstenors) „ein Gutachten erstellt wird“ und weiters bei ihm zwar „eine hoch psychiatrische Angst“ vorliege, er aber nicht bloß in einer Abwehrreaktion gehandelt, sondern „ganz gezielt“ zugeschlagen habe (ON 56 S 29, 31 und 33).

Aus dem gleichen Grund versagt auch der Beschwerdehinweis auf eine weitere - ebenfalls isoliert herausgegriffene - Aussage der psychiatrischen Sachverständigen, wonach der Betroffene „massive Denkstörungen“ habe, sein Denkziel nicht erreiche und sich verfolgt fühle (ON 56 S 32).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die unter anderem in Bezug auf Putativnotwehr getroffene Negativfeststellung (US 10 f iVm US 16) mit dem Verweis auf vermeintlich widersprechende Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen (ON 56 S 33) bekämpft, verfehlt sie den - gerade im Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts (einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen) mit dem festgestellten Sachverhalt gelegenen - Gegenstand des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0117247). Lediglich der Vollständigkeit halber sei daher darauf hingewiesen, dass die Beschwerdebehauptung, der Annahme der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung (vgl § 21 Abs 1 StGB) stünde (krankhaft bedingte) Putativnotwehr entgegen, eine methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz vermissen lässt (vgl Ratz in WK² § 21 Rz 18).

Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

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