OGH 13Os49/89

OGH13Os49/8915.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Juni 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer (Berichterstatter), Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vondrak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard H*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 f. StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 21. Februar 1989, GZ. 8 b Vr 606/89-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Jerabek, des Angeklagten Gerhard H*** und des Verteidigers Dr. Buchgraber zu Recht erkannt:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der strafbaren Handlungen und im Strafausspruch aufgehoben sowie gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

 

Spruch:

Gerhard H*** hat die ihm nach dem aufrecht bleibenden Schuldspruch zur Last fallenden Diebstähle durch Einbruch in der Absicht begangen, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Er hat hiedurch das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z. 1, 130, höherer Strafsatz, und 15 StGB. begangen und wird hiefür unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB. auf das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 19. April 1989, 2 a E Vr 276/89, gemäß §§ 130, zweiter Strafsatz, 40 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 10 (zehn) Monaten verurteilt.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft hierauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 28. März 1955 geborene beschäftigungslose Gerhard H*** wurde des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z. 1 und 15 StGB. schuldig erkannt.

Nach den auf das Geständnis des Angeklagten gestützten Urteilsfeststellungen beschloß dieser im November 1988, in Bauwagen von Bauunternehmen und in unbewohnte Gartenhäuser einzubrechen oder einzusteigen, weil er witterungsbedingt die Möglichkeit zum Schlafen in einem geschlossenen Raum benötigte. Hiebei beabsichtigte er, falls er dort Lebensmittel oder Getränke finden sollte, diese wegzunehmen und zu verbrauchen. Nach Überzeugung des Gerichts hatte er die Hoffnung, Ende Jänner 1989 Beschäftigung zu finden, und die Überzeugung, daß dadurch seine Notsituation beendet sein werde. In rechtlicher Hinsicht wird in den Urteilsgründen ausgeführt, daß die dem Angeklagten zur Last fallenden wiederholten (teils erfolglos gebliebenen) insgesamt fünfzehn Einbruchsdiebstähle im Hinblick darauf, daß er diese Ende Jänner 1989 beenden und jeweils nur Lebensmittel und Getränke stehen wollte, nicht der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit zu unterstellen seien.

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht beschwert sich dagegen die Anklagebehörde (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.): Eine bloß auf die Beschaffung von Nahrungs- und Genußmitteln für den Eigenbedarf gerichtete Absicht reiche für gewerbsmäßiges Handeln aus. Für dessen Annahme genüge auch eine auf wiederholte Zueignung unmittelbar der Befriedigung von Lebensbedürfnissen dienender Sachwerte zielende innere Tendenz (LSK. 1977/8 zu § 70 StGB.). Welchen Umfang und welche Bedeutung im Rahmen der Lebensführung des Täters die erstrebten Einkünfte aus der wiederholten Tatbegehung haben, ist ohne Belang, sofern diese nur - wie hier - die Bagatellgrenze übersteigen.

Die für die gewerbsmäßige Tatbegehung begriffsessentielle Zielsetzung des Angeklagten, wiederholt Einbruchsdiebstähle zu verüben, wurde vom Gericht festgestellt. Eine solche, auf wiederkehrende Begehung gleichartiger Straftaten zielende Absicht setzt nicht voraus, daß der Tatplan eine unbegrenzte Zeitspanne umfaßt, innerhalb dessen der Täter seine deliktischen Angriffe fortzusetzen gedenkt. Wesentlich für die Annahme dieser Qualifikation ist aber nach ständiger Rechtsprechung ferner, daß es dem Täter darauf ankommt, sich durch die wiederholte Begehung der Straftaten eine fortlaufende, d.h. eine zumindest für längere Zeit wirkende, wenn auch nicht unbedingt regelmäßige Einkommensquelle zu erschließen; das Einkommen, das sich der Täter durch sein kriminelles Tun zu verschaffen sucht, muß für einen zwar nicht unbegrenzten, aber doch für einen längeren Zeitraum wirksam sein (EvBl. 1983/135; 12 Os 163/87).

Diesem Kriterium ist indes, wie die Staatsanwaltschaft im Ergebnis richtig erkannt hat, entsprochen, wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Täter sich drei Monate lang (November 1988 bis Ende Jänner 1989) durch eine Serie von deliktischen Angriffen regelmäßig Lebensmittel und Getränke zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verschaffen will. Ein derartiger Vermögenszufluß ist rechtlich als fortlaufende Einnahme und die auf deren Erlangung abzielende Tendenz als auf gewerbsmäßige Begehung der inkriminierten Diebstähle gerichtete Absicht zu werten; "wiederkehrend" und "fortlaufend" in §§ 70, 130 und 148 StGB. bedeuten nämlich nicht "zeitlich unbegrenzt". Da sich die gewerbsmäßige Begehung auf Diebstähle durch Einbruch bezog, verwirklichen die inkriminierten Tathandlungen des Angeklagten die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 130, höherer Strafsatz, StGB.

Die Vorhaftanrechnung (§ 38 StGB.) und die Verfällung in den Verfahrenskostenersatz erster Instanz (§ 389 StPO.) blieben von der Teilaufhebung unberührt.

Bei der nach § 130, zweiter Strafsatz, StGB. vorzunehmenden Strafneubemessung waren erschwerend die zahlreichen, die Bedingungen des § 39 StGB. erfüllenden Vorstrafen des Angeklagten (nicht die Qualifikation des § 129 Z. 1 StGB., denn diese bestimmt schon den höheren Strafsatz des § 130 StGB.). Mildernd fielen hingegen das reumütige Geständnis des Angeklagten, welches auch der Wahrheitsfindung diente, seine Notlage sowie die Umstände, daß er sich der Zufügung größeren Schadens enthielt und daß die Tat zweimal beim Versuch blieb, ins Gewicht.

Gemäß § 31 StGB. war auf das im Spruch angeführte Urteil des Jugendgerichtshofs Wien Bedacht zu nehmen (§ 198 Abs. 2 StGB.: vier Monate Freiheitsstrafe). Neben § 130, zweiter Strafsatz, StGB. war § 40 StGB. strafnormierend (§ 260 Abs. 1 Z. 4 StPO.): § 40 StGB. stellt die Regel auf, daß die Zusatzstrafe innerhalb der vom § 31 StGB. gezogenen Grenzen so zu bemessen ist, daß die Summe der Strafen jener Strafe entspricht, die bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen wäre. Im gegenständlichen Fall erschien bei zusammengefaßter Bestrafung ein Freiheitsentzug von vierzehn Monaten tat- und tätergerecht, sodaß sich die Zusatzstrafe mit zehn Monaten ergab. Angesichts des von einem Jahr bis zu zehn Jahren reichenden zweiten Strafrahmens des § 130 StGB. wäre das vorangeführte Ergebnis (Zusatzstrafe von zehn Monaten) ansonst nur mittels Heranziehung des § 41 StGB. erzielbar. Indes ist hier § 41 StGB. wegen der Vorstrafenbelastung des Angeklagten nicht anwendbar. Das zeigt, daß § 40 StGB. eine Regel aufstellt, die in gewissen Fällen (wie dem gegebenen) bei Bindung an § 41 StGB. nicht eingehalten werden könnte. Daraus wiederum folgt, daß in solchen Fällen das gesetzliche Mindestmaß ohne Anwendung des § 41 StGB., nämlich allein auf der Grundlage des § 40 StGB. unterschritten werden, sonach § 40 StGB. nach Lage des Falls den § 41 StGB. ersetzen kann (10 Os 57/77, 13 Os 86, 87/81, LSK. 1976/378).

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf die Strafneubemessung zu verweisen.

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