OGH 13Os48/88

OGH13Os48/8819.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Mai 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef K*** wegen des Verbrechens des Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Wr. Neustadt als Schöffengerichts vom 9. Dezember 1987, GZ. 12 b Vr 191/87-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Akten werden zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Der am 23.März 1935 geborene Josef K*** ist des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB. schuldig erkannt worden. Darnach hat er im September 1982 in Natschbach mit dem Vorsatz, die Eheleute Helmut und Ottilie W*** unrechtmäßig zu bereichern, Franz K*** durch die Vorspiegelung, dem Helmut W*** werde in Kürze ein geförderter Gewerbekredit ausbezahlt werden, zur Übernahme der Bürgschaft für den von der R*** P*** zu Konto Nr. 76.901 den Eheleuten W*** gewährten Kredit von 1,400.000 S verleitet, die Franz K*** mit diesem Betrag am Vermögen geschädigt hat. Der Angeklagte war Direktor der V*** N***, die Helmut W*** einen Kredit eingeräumt

hatte. Obwohl er als Direktor dieses Geldinstituts ohne Zustimmung des Aufsichtsrats eine Überziehung des Kredits nur bis 250.000 S zulassen durfte, gestattete er ein Anwachsen der Schuld bis zum Herbst 1982 auf 1,400.000 S. Zu dieser Zeit wurde in der V*** N*** eine Revision durchgeführt. Der Angeklagte, der im Hinblick auf die dem Helmut W*** unberechtigt gewährte Kontoüberziehung größere Schwierigkeiten befürchtete, bemühte sich daher, diese Überziehung abzudecken, damit die Revisionsbeamten sein eigenmächtiges Vorgehen nicht bemerkten (S. 328, 329). Um Helmut W*** einen Kredit bei einem anderen Institut zu beschaffen, mit welchem die Überziehung bei der V*** N*** abgedeckt werden konnte, war, weil keine anderen Sicherheiten vorhanden waren, ein tauglicher Bürge notwendig. Zu diesem Zweck wandte sich der Angeklagte im Herbst 1982 an den ihm bekannten Landwirt Franz K*** und bat diesen, ihm zu helfen. Er erklärte K*** wahrheitsgemäß, daß er Helmut W*** unberechtigterweise zu hohe Kredite eingeräumt habe und diese für die Dauer der Revision abdecken müsse, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Er bat K***, entweder selbst einen Kredit aufzunehmen und W*** das Geld zu borgen, oder aber als Bürge für einen Kredit des W*** gutzustehen. Um den zögernden K*** zur Kreditaufnahme oder zur Übernahme einer Bürgschaft zu bewegen, erzählte er ihm wahrheitswidrig, daß sich Förderungskredite für W***, mit denen dessen Schulden bei der V*** N***

abgedeckt werden könnten, verzögert hätten, daß diese aber in drei bis vier Monaten sicher einlangen würden; dies, obwohl er wußte, daß beim Niederösterreichischen Wirtschaftsförderungs- und Strukturverbesserungsfonds für W*** bisher nur formlos um die Gewährung von Zinsenzuschüssen angesucht, ein formelles Ansuchen jedoch mangels entsprechender Unterlagen nicht einmal für diese Zinsenzuschüsse eingebracht worden war.

Weiters wußte der Beschuldigte auf Grund der von ihm unberechtigterweise gestatteten Kontoüberziehung auf fast 1 1/2 Millionen Schilling darüber Bescheid, daß die wirtschaftliche Lage des Helmut W*** so schlecht war, daß ein Kredit für ihn ohne entsprechende Sicherheitsleistung von dritter Seite kaum erlangt werden konnte. Trotz dieser Kenntnisse bedrängte er K*** weiter, W*** finanziell beizustehen, bis

K*** schließlich im Vertrauen auf die Zusage des Angeklagten als Bürgermeister und Bankdirektor, die Kredite für W*** würden in wenigen Monaten einlangen und er würde aus der Haftung entlassen werden, seine Bereitschaft erklärte, für einen Kredit des Helmut W*** zu bürgen. Daraufhin wurde über einen Kreditvermittler bei der R*** P*** für Helmut W*** und dessen Gattin

Ottilie W*** ein Darlehen beantragt, für dessen Rückzahlung K*** bürgte und für das er die zu seiner Landwirtschaft gehörigen Liegenschaften verpfändete.

Der Kredit bei der R*** P*** konnte von Helmut

W*** nicht bezahlt werden, sodaß von diesem Institut auf K*** gegriffen werden sollte. Zunächst wurde von der R*** P*** die Laufzeit des Darlehens mehrere Male

prolongiert und in weiterer Folge wurden von Franz K*** mitgetragene Stützungsmaßnahmen für Helmut W*** auch unter Beiziehung des Angeklagten durchgeführt. Letztlich wurde von den Eheleuten W*** und K***, der hiefür wieder mit seinen Liegenschaften haftete, ein Umschuldungskredit von 4,000.000 S bei der AVA-Bank aufgenommen, aus welchem der Kredit bei der R*** P*** abgedeckt wurde. Helmut und Ottilie

W*** konnten zur Abzahlung dieses Kredits keine Raten leisten, sodaß die Last der Rückzahlung allein auf Franz K*** ruht, der dadurch vor der Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz steht.

Den weiteren Urteilsfeststellungen zufolge wußte der Angeklagte zum Zeitpunkt, als er K*** ersuchte, die Bürgschaft für W*** zu übernehmen, daß W*** bei der V*** hoch

verschuldet war, daß von auszuzahlenden "Gewerbekrediten", von denen er K*** erzählte, daß sie in Bälde an W*** zur Auszahlung gelangen sollten, keine Rede sein konnte und daß für eventuelle Zinsstützungen noch nicht einmal ein formelles Ansuchen eingebracht worden war. Auf Grund dieser Situation hielt es der Angeklagte ernstlich für möglich, daß K*** zur Bezahlung des dem W*** eingeräumten Kredits herangezogen werden könnte und fand sich mit dieser Tatsache ab, um auf diese Weise die Überziehung des W*** bei der V*** N*** abdecken zu können und so eigenen Schwierigkeiten bei der Revision der V*** N*** aus dem Weg zu gehen.

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte aus den Gründen des § 281 Abs. 1 Z. 4 und Z. 5 a StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerde an. Die Verfahrensrüge (Z. 4) bezieht sich auf Beweisanträge, denen das Schöffengericht nicht entsprochen hat: Die zeugenschaftliche Vernehmung des Mag. N. M*** wurde zum Beweis dafür beantragt, daß die N*** K*** mbH auch

deshalb ins Leben gerufen wurde, um in Not geratene Kreditnehmer zu unterstützen, damit vor allem die in der Landespolitik forcierten Nahversorgungsprobleme gelöst werden können; des weiteren zum Beweis dafür, daß sich um die Jahreswende 1982/83 der Angeklagte mit Mag. M*** in Verbindung setzte, ihn von der nunmehr bekannt gewordenen schlechten Situation des W*** unterrichtete und Mag. M*** sagte, zumal sich Landesrat S*** für die Durchsetzung von Krediten für W*** zur Herstellung der Nahversorgung verwenden werde, man werde problemlos wie in einer Reihe anderer, ähnlich gelagerter Fälle durch Übernahme der Landeshaftung ermöglichen, daß W*** einen Kredit von zumindest 1,400.000 S bekommt, weil ja überdies durch den geplanten Zinsenzuschuß parallel das Land (Niederösterreich) dem W*** unter die Arme greifen werde. Eine derartige Transaktion werde nicht länger als einige Monate dauern. Die zeugenschaftliche Vernehmung des Dr. T*** sollte, ebenso wie die Beischaffung der Akten Zahl 357.158 des Handelsministeriums, zum Beweis dafür dienen, daß auch seitens anderer politischer Institutionen getrachtet worden sei, W*** zu helfen (S. 320).

In Abweisung dieser Anträge führte das Schöffengericht aus, daß

der Geschäftszweck der N***

K*** mbH im Sinn des Beweisantrags bereits

geklärt sei und sich der Angeklagte seiner eigenen Verantwortung zufolge bei M*** erst Monate nach der Bürschaftsübernahme durch K*** bemühte; auch die Bemühungen des Dr. T*** um einen Kredit für W*** hätten erst nach der Bürgschaftsübernahme durch K*** stattgefunden (S. 321, 322).

In seiner Verfahrensrüge versucht der Angeklagte durch aus dem Zusammenhang gelöste Zitate von Teilen zeugenschaftlicher Depositionen darzutun, daß W*** doch noch berechtigte Aussicht gehabt hätte, einen Kredit zu bekommen. Daraus aber will der Beschwerdeführer den Schluß gezogen wissen, daß er selbst zumindest der Meinung gewesen sein konnte, das Land Niederösterreich werde an W*** so viel an Kredit auszahlen, daß die Bürgschaft des K*** abgedeckt werden könne.

Daß der in der Folge eingetretene Erfolg (die Schädigung K***) zur Tatzeit ohne weiteres vorhersehbar war, wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Die Urteilskonstatierung, daß es der Angeklagte bei der gegebenen Sachlage zumindest ernstlich für möglich hielt, daß Kredite für W*** nicht mehr aufzutreiben sein werden und es daher zur Haftung des K*** kommen werde, womit sich der Angeklatte auch abfand (S. 335), beruht als Rückschluß von einem äußeren Geschehen auf innere Vorgänge letztlich auf der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.), die grundsätzlich nur anfechtbar ist, wenn beschwerdemäßig geltend gemachte (Z. 5 a) erhebliche Bedenken gegen sie obwalten. Die angestrebte Beweisführung betrifft zudem hypothetische Einschätzungen der Sanierung einer schlechthin ausweglosen finanziellen Situation und ist daher nicht geeignet, die zur Konstatierung der subjektiven Tatseite maßgebenden Entscheidungsgrundlagen zu verändern.

Rechtliche Beurteilung

Aber auch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen sind, der Beschwerde (Z. 5 a) zuwider, den Akten nicht zu entnehmen. Der Nichtigkeitswerber vermeint, daß ihm nur die Schuldform der "luxuria" (culpa luxuria, also der bewußten Fahrlässigkeit) anzulasten sei (S. 344), ein zwingender Schluß auf "dolus eventualis" (bedingten Vorsatz) aber nicht gezogen werden könne (S. 343).

Das aber ist für eine relevante Urteilsfeststellung gar nicht erforderlich. Gibt es doch keine Beweisregel, die besagt, wie sich das Gericht seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu verschaffen habe und unter welchen Voraussetzungen ein für die Schuldfrage entscheidener Umstand als erwiesen anzusehen sei. Dem Gericht ist es nicht verwehrt, auf Grund denkrichtiger Schlußfolgerungen aus erwiesenen Tatsachen zur Überzeugung von der Richtigkeit weiterer Tatsachen zu gelangen und diese somit gleichfalls als erwiesen anzusehen, wobei es sich für eine dem Angeklagten ungünstigere Schlußfolgerung entscheiden kann, obwohl aus den betreffenden Vordersätzen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse gezogen werden könnten. Es ist dies ein zulässiger Akt freier Beweiswürdigung, der, sofern die zur Wahl zwischen den möglichen Folgerungen führende Überzeugung des Gerichts einleuchtend, d.h. logisch begründet ist, einer Anfechtung etwa durch Mängelrüge (Z. 5) entzogen wäre (EvBl. 1967/48 u.v.a.). Dies gilt erst recht für die an sich subtile Würdigung, ob ein Sachverhalt auf bewußte Fahrlässigkeit oder aber auf bedingten Vorsatz zurückgeführt werden kann. Eine hier dem Angeklagten ungünstigere Sachverhaltsvariante zur inneren Tatseite vermag schon der Natur der Sache nach in aller Regel keine erheblichen Bedenken der von der Beschwerde relevierten Art (Z. 5 a) zu erwecken. Zudem läßt der Beschwerdeführer gänzlich außer acht, daß die Annahme der Schuldform auch eine rechtliche Komponente enthält und daß eben diese rechtliche Seite der von ihm angefochtenen Würdigung eines inneren Vorgangs der Relevierung aus Z. 5 a überhaupt entzogen ist. Demgemäß war die Nichtigkeitsbeschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d StPO.) und die Zuleitung der Akten an das zur Entscheidung über die Berufung zuständige Oberlandesgericht Wien zu verfügen (§ 285 i StPO.).

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