OGH 13Os46/00

OGH13Os46/0028.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Habl, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Finanzstrafsache gegen Johann R***** wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Finanzamtes Wels als Finanzstrafbehörde I. Instanz und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4. November 1999, GZ 29 Vr 2039/97-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes Wels als Finanzstrafbehörde I. Instanz werden zurückgewiesen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen der auf eine verdeckte Gewinnausschüttung der R***** GmbH an den Angeklagten (durch Ankauf von sechs Bildern und einem Teppich um insgesamt 1,000.000 S) entfallenden Abgabenverkürzung (Pkt I/8 der Anklageschrift [US 7 f]) sowie im Strafausspruch, einschließlich der (verfehlt) ins Urteil aufgenommenen Weisung (§ 26 Abs 2 FinStrG), aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Linz zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und das Finanzamt Wels als Finanzstrafbehörde I. Instanz auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Johann R***** wurde des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 13 FinStrG schuldig erkannt.

Darnach hat er vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen für 1989 eine Abgabenverkürzung bewirkt und für 1990 bis 1994 zu bewirken versucht, und zwar im - nach Jahren und Steuerarten aufgegliederten - Gesamtbetrag von

I) 1,157.938 S (528.010 S an Körperschaftsteuer, 14.666 S an

Umsatzsteuer, 483.214 S an Kapitalertragsteuer und 132.048 S an Gewerbesteuer) als "Verantwortlicher" der Johann R***** GmbH;

II) 3,034.020 S (1,149.173 S an Einkommensteuer, 1,200.706 S an Umsatzsteuer, 271.101 S an Gewerbesteuer und 413.040 S an Vermögensteuer) als Einzelunternehmer.

Hinsichtlich weiterer - in gleicher Weise aufgegliederter - Abgabenverkürzungen wurde er für denselben Zeitraum mit Bezug auf sein Handeln als "Verantwortlicher" der Johann R***** GmbH (I) und als Einzelunternehmer (II) von der Anklage wegen des teils (für 1989) vollendeten, teils versuchten (für 1990 bis 1994) Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 13 FinStrG "gemäß § 259 Z 3 StPO" (s aber § 214 Abs 2 FinStrG) freigesprochen.

Gegen den Freispruch hat die Staatsanwaltschaft aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO, gegen den Schuldspruch der Angeklagte aus Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO Nichtigkeitsbeschwerde erhoben. Das Finanzamt Wels als Finanzstrafbehörde I. Instanz hat die Nichtigkeitsbeschwerde bloß angemeldet, aber nicht ausgeführt (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO). Auch die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist nicht am Verfahrensrecht orientiert, wogegen jener des Angeklagten teilweise Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Aktenwidrigkeit (Z 5) liegt nur vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E185). Mit der Behauptung, Feststellungen in Hinsicht auf den Anklagevorwurf eines Kunsthandels (Pkt II/2 der Anklageschrift) stünden, was eine "Unterdeckung für die Jahre 1989 bis 1993" anlange, im Widerspruch zu den im Urteil gar nicht wiedergegebenen (und überdies mit dem Hinweis auf eine vom Angeklagten verfasste Aufstellung nicht für überzeugend erachteten; US 25, erster Absatz) "Erhebungsergebnissen der Betriebsprüfung" des Finanzamtes Wels, wird eine solche nicht aufgezeigt. Zudem unterläßt es die Anklagebehörde, die Konstatierung des Schöffengerichtes zu rügen, wonach "(auch wenn die Geldmittelrechnung tatsächlich Unterdeckungsbeträge ergeben hätte) nicht nachweisbar" sei, "dass die 'fehlenden Gelder' auf eine Tätigkeit des Johann R***** als Verkäufer von Bildern und Kunstgegenständen zurückzuführen sind." (aaO).

Die Rechtsrüge hält nicht an den tatsächlichen Urteilsannahmen fest. Die für das Abgabenverfahren durch § 184 BAO ermöglichte Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung ändert daran nichts.

Daraus folgt - in Übereinstimmung mit der Ansicht der Generalprokuratur - die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des öffentlichen Anklägers (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Die Verfahrensrüge (Z 3) räumt letztlich selbst ein, dem Urteil sei deutlich genug zu entnehmen, dass der Angeklagte schuldig erkannt wurde, hinsichtlich der im einzelnen unter den Punkten I/2 bis 5, 8 und 10 bis 14 sowie II/1, 3 und 4 näher beschriebenen Vorgänge einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht nicht entsprochen und solcherart vorsätzlich eine Abgabenverkürzung bewirkt oder zu bewirken versucht zu haben (S 4). Damit aber ist dem Gebot ausreichender Individualisierung (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) Genüge getan. Einer vollständigen Beschreibung der vielfältigen und unterschiedlichen Tathandlungen des Angeklagten im Urteilsspruch bedurfte es dazu ebensowenig wie einer exakten Angabe der diesen Vorgängen zugeordneten Verkürzungsbeträge (vgl Mayerhofer StPO4 § 260 E 40c). Weil die auf ein Versehen des Steuerberaters verweisende Darstellung des zu Pkt I/7 beschriebenen Vorganges (US 7) dessen - sonst unverständliche - Erwähnung bei der (pauschalen) Feststellung des Täterwillens bezüglich der Schuldspruchfakten (US 16) deutlich genug als Schreibfehler ausweist und demnach insoweit ein Freispruch erfolgt ist, liegt der angezogene Nichtigkeitsgrund nicht vor. Die aus Z 5 vorgetragene Behauptung einer Unvollständigkeit des Urteilsspruchs kann auf sich beruhen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 3 E 41, § 260 E 94c).

Zutreffend zeigt die Mängelrüge demgegenüber auf, dass der Sitz einer GmbH ausschließlich durch den Vertrag und nicht den Ort bestimmt wird, an dem die Verwaltung tatsächlich ausgeübt wird (Schönherr/Nitsche HGB E 1 zu § 4 GmbHG), weshalb aus der Sitzverlegung an den Ort des Wohnsitzes des Angeklagten allein ein formal einwandfreier Schluss auf dort fehlende Betriebsräumlichkeiten bis zu diesem Zeitpunkt nicht möglich ist (vgl US19 f). Das führt zur Aufhebung des Schuldspruchs hinsichtlich der auf eine verdeckte Gewinnausschüttung der R***** GmbH an den Angeklagten (durch Ankauf von sechs Bildern und einem Teppich um insgesamt 1,000.000 S) entfallenden Abgabenverkürzung (Pkt I/8 der Anklageschrift [US 7 f]).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt mit dem Vorbringen, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, "durch welche Handlungsweisen welche Abgaben in welcher Höhe hinterzogen wurden bzw. der entsprechende Versuch unternommen wurde", eine Ausrichtung am Verfahrensrecht, weil sie nicht darlegt, warum die gerichtliche Strafbarkeit durch fehlende Zuordnung der Verkürzungsbeträge zu einzelnen Tathandlungen berührt sein sollte.

Demgegenüber zeigt die Beschwerde aus Z 11 erster Fall zutreffend auf, dass der Verkürzungsbetrag aus den Urteilsgründen rechnerisch nicht nachvollzogen werden kann (RZ 1997/76), womit sich auch der Strafausspruch als nichtig erweist.

Trotz Zurückweisung von Mängel- und Rechtsrüge (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO) ist nach dem Gesagten die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden (§ 285e StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet auf § 390a StPO.

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