Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und zugleich aus deren Anlass gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,
1. im Ausspruch, der Angeklagte habe durch das ihm zu Punkt I. des Schuldspruchs angelastete Tatverhalten den Christian B***** zur Unterlassung seiner Anhaltung genötigt, demgemäß
2. in der rechtlichen Beurteilung der Nötigung als vollendet sowie
3. im Unterbleiben der Beurteilung der Tathandlungen auch als Vergehen des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB und
4. im Strafausspruch (nicht aber im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt.
Horst Leopold W***** hat am 9. Juli 1999 in Wiener Neustadt
I. den Kaufhausdetektiv Christian B***** mit Gewalt, nämlich durch einen Faustschlag in das Gesicht, zur Unterlassung seiner Anhaltung zu nötigen versucht sowie
III. fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei Play-Station-Spiele im Wert von 1.398 S, Verfügungsberechtigten der Firma M***** mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Horst Leopold W***** hat hiedurch zu I. das Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und zu III. das Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15 Abs 1, 127 StGB begangen
und wird hiefür sowie für das ihm zu Schuldspruch II. weiterhin zur Last liegende Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB nach § 105 Abs 1 StGB zu drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird der Vollzug der Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Horst Leopold W***** des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 9. Juli 1999 in Wiener Neustadt den Kaufhausdetektiv Christian B***** mit Gewalt, indem er ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, zur Unterlassung der Anhaltung seiner Person nötigte (Schuldspruch I.) und dadurch überdies in Form einer Jochbeinprellung und einer Nackenzerrung vorsätzlich am Körper verletzte (Schuldspruch II.).
Das Unterbleiben eines Schuldspruches auch wegen (des in der Anklage wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls enthalten gewesenen) Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15 Abs 1, 127 StGB wird von der Staatsanwaltschaft mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 7 und 10, in eventu Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, der Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Nach den Urteilsfeststellungen begab sich der Angeklagte am 9. Juli 1999 in die Firma M*****. Als er dort zwei Play-Station-Spiele im Wert von 1.398 S an sich nahm, kam er auf die Idee, diese zu stehlen. Er entfernte daher die Preisaufkleber und steckte die Kassetten in den Hosenbund. Dabei wurde er vom Kaufhausdetektiv Christian B***** beobachtet. Der Angeklagte begab sich in Richtung Ausgang und passierte die Kassa ohne Bezahlung der verborgenen Kassetten. Christian B***** ging dem Angeklagten nach und hielt ihn nach der Kassa an.
Nachdem er dem Angeklagten seinen Detektivausweis vorgezeigt hatte, versetzte ihm Horst Leopold W***** mit der Faust einen Schlag ins Gesicht, wodurch Christian B***** eine Prellung der unteren Augenhöhle und eine Zerrung des Nackens erlitt. Durch den Schlag fiel Christian B***** zu Boden, und der Angeklagte rannte in Richtung seines am Parkplatz abgestellten Autos davon. Der Detektiv verfolgte Horst Leopold W***** und konnte ihn anhalten, nachdem dieser am Parkplatz ausgerutscht war. Der Angeklagte setzte nunmehr keinerlei Fluchtanstalten, sondern begab sich gemeinsam mit Christian B***** in das Büro der Firma M*****, wobei er am Weg dorthin noch versuchte, die Videokassetten fallen zu lassen.
Der Angeklagte beabsichtigte sich die Videokassetten zueignen und sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Durch das Versetzen eines Faustschlags gegen den Kaufhausdetektiv wollte sich - so die Urteilsfeststellungen - Horst Leopold W***** lediglich seiner Anhaltung entziehen und fliehen, sich aber nicht auch die weggenommenen Sachen erhalten.
Nach diesen unbedenklichen, auch auf das Geständnis des Angeklagten gestützten Urteilskonstatierungen ist - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend aufzeigt - das der Tätlichkeit und (versuchten) Nötigung vorangehende Verhalten des Angeklagten rechtlich als Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15 Abs 1, 127 StGB zu beurteilen (Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 228).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war betreffend das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB gemäß § 290 Abs 1 StPO auch der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO wahrzunehmen:
Ist das Ziel des Täters die Erzwingung einer Unterlassung, dann kann der Erfolgseintritt nicht bereits in einer bloß vorübergehenden, bezogen auf den Zweck, die Dringlichkeit und die Nachholbarkeit der zu verhindernden Handlung nur unerheblichen Verzögerung liegen (EvBl 1988/36; 9 Os 7/87; 12 Os 104/95). Nach den Urteilsfeststellungen ließ sich der Kaufhausdetektiv ungeachtet des ihm vom Horst Leopold W***** versetzten Faustschlags zu keiner Zeit von seinem Vorhaben abbringen, den Angeklagten anzuhalten. Mit dieser Gewalttätigkeit konnte sich dieser zwar "zunächst" (US 5) der Anhaltung entziehen, erzwang aber dadurch bloß eine vorübergehende, nach Zweck, Dringlichkeit und Nachholbarkeit der zu hindernden Handlung nur unerhebliche Verzögerung der Anhaltung, ohne dass der von ihm angestrebte Erfolg, nämlich ein Gelingen seiner Flucht (US 4), eintrat. Die Nötigung blieb daher beim Versuch.
Diese dem Urteil anhaftende Nichtigkeit gereicht dem Angeklagten zum Nachteil (§ 290 Abs 1 Satz 2 StPO).
Die zweifache Korrektur des Schuldspruchs zwingt zu einer Aufhebung der vom Erstgericht ausgesprochenen Strafe und zur Neubemessung derselben.
Bei der Strafzumessung waren erschwerend das Vorliegen von drei Vergehen, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel, die weitgehende Schadensgutmachung zu Faktum II, das Geständnis und der Umstand, dass es zu Faktum I und III beim Versuch blieb. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe erschien die (gleich hohe wie in 1. Instanz) verhängte Freiheitsstrafe - unter der bereits vom Erstgericht vorgenommenen Ausklammerung des § 37 StGB - tat- und tätergerecht. Die bedingte Nachsicht ist angesichts der bisherigen Unbescholtenheit und der sofort gezeigten Schuldeinsicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.
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