Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu den Urteilsfakten 6 und 9 im Punkt II des Urteilssatzes wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch (jedoch nicht im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Otto L*** wird von der Anklage, das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB (auch) dadurch begangen zu haben, daß er Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückte, indem er diese an sich nahm und wegwarf, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß die Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten und Tatsachen gebraucht werden, und zwar
am 31.August 1988 in St. Valentin zum Nachteil der Elfriede K*** eine Bankomatkarte;
am 28.Mai 1989 in Amstetten zum Nachteil der Erika B*** eine Bankomatkarte und drei Sozialversicherungskarten,
gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Otto L*** wird für die ihm nach den Punkten I und III sowie dem unberührt gebliebenen Teil des Punktes II des Schuldspruches weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, und zwar das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130, erster Fall, und 15 StGB (Punkt I), das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 StGB (Punkt III) und das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB (Punkt II) nach dem § 129 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Juni 1930 geborene Otto L*** (alias B***, alias K***) zu I/ des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster Fall und 15 StGB, zu II/ des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB und zu III/ des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Dem Inhalt des Schuldspruches nach hat er - zusammengefaßt - in Salzburg, St. Valentin, Amstetten und Blindenmarkt in der Zeit vom 20. Juli 1988 bis 11.November 1988 und vom 28.Mai 1989 bis 27. Juli 1989 Bargeld im Gesamtbetrag von rund 60.000 S sowie einige Gebrauchsgegenstände, teilweise durch Einbruch, gewerbsmäßig in 18 Angriffen gestohlen; in einem weiteren Fall blieb es beim Versuch. Ferner hat er in 9 Fällen verschiedene, bei den erwähnten Diebstählen erlangte Urkunden unterdrückt und in 9 Fällen ebensolche Geldbörsen und einige andere Gegenstände den Berechtigten dauernd entzogen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 3, 5, 5 a und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, wobei nur der Rechtsrüge teilweise Berechtigung zukommt.
Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 3 StPO rügt der Beschwerdeführer, daß seine Ladung zur Hauptverhandlung lediglich aufgrund des ihm zugestellten Strafantrages (ON 20) erfolgt sei, während Gegenstand der Hauptverhandlung dann (auch) - zufolge Delegierung des als ON 23 einbezogenen Strafaktes 28 Vr 1979/88 des Landesgerichtes Salzburg durch den Obersten Gerichtshof an das Landesgericht St. Pölten - die von der Staatsanwaltschaft Salzburg erhobene Anklage (ON 29 in ON 23) war.
Zwar hat der zuständige Einzelrichter des Landesgerichtes St. Pölten tatsächlich zunächst über den genannten Strafantrag eine Hauptverhandlung für den 15.November 1989 anberaumt. Nach Einbeziehung des oben erwähnten, an das Landesgericht St. Pölten delegierten Aktes als ON 23 verlegte er sodann (nunmehr als Vorsitzender des Schöffensenates) die Hauptverhandlung auf den 13. Dezember 1989 und ließ davon die ursprünglich Geladenen verständigen; die Zustellung des Einbeziehungsbeschlusses vom 17. Oktober 1989 und der Ladung für den 13.Dezember 1989 an den Angeklagten erfolgte am 24.Oktober 1989 (an den Verteidiger am 20. Oktober 1989 - Rückscheine am Ende des Aktes einliegend), somit jedenfalls rechtzeitig (vgl. die 3-tägige Vorbereitungsfrist des § 221 Abs. 1 StPO). Überdies wurden ganz offensichtlich das Einspruchserkenntnis des Oberlandesgerichtes Linz und der Delegierungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes dem Angeklagten ebenfalls zugestellt; von der bevorstehenden Entscheidung über den Delegierungsantrag der Staatsanwaltschaft an das Landesgericht St. Pölten hatte der Beschuldigte durch seine Anhörung hiezu Kenntnis (S 35 f in ON 23). Es kann somit nicht bezweifelt werden, daß er bei Erhalt der Ladung vom Gegenstand der bevorstehenden Hauptverhandlung (und ihrer Durchführung vor einem Schöffengericht) wußte. Darüber hinaus wäre angesichts der Länge der dem Angeklagten zur Verfügung gestandenen Frist zwischen Erhalt der Ladung und dem Termin der Hauptverhandlung eine Benachteiligung im Sinne des § 281 Abs. 3 StPO jedenfalls ausgeschlossen, zumal er in der Hauptverhandlung jede Möglichkeit zur Verteidigung und zu weiterer Antragstellung hatte, ohne davon Gebrauch gemacht zu haben (vgl. aaO E 29). Die behauptete Nichtigkeit ist somit nicht gegeben. Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5), das Gericht gebe für die Annahme eines auf Urkundenunterdrückung und dauernde Sachentziehung gerichteten Vorsatzes nur eine inhaltslose Scheinbegründung, trifft nicht zu. Die Tatrichter haben denkrichtig und lebensnah aus äußeren Tatsachen (nämlich dem Wegwerfen der angeführten Urkunden und Sachen) einen Schluß auf die innere Tatseite gezogen. Für Urkunden besagt die ständige Rechtsprechung, es genüge das - in der modernen Gesellschaft vorauszusetzende - "Begleitwissen" des Täters über den Zweck von Urkunden zum Gebrauch im Rechtsverkehr für die Annahme des bedingten Vorsatzes (siehe Foregger-Serini StGB4 Anm. III zweiter Absatz zu § 229). Ähnliches muß auch für die Feststellung der subjektiven Tatseite zum Vergehen nach dem § 135 StGB gelten. Auch hier war nach den übrigen Verfahrensergebnissen nicht indiziert, aus dem Wegwerfen der Gegenstände einen anderen als den vom Erstgericht angenommenen Vorsatz abzuleiten, sodaß es auch keiner weiteren Begründung bedurfte (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO E 128 zu § 281 Z 5). Die Tatsachenrüge (Z 5) stellt auf den - von den Tatrichtern ohnedies in den Kreis ihrer Erwägungen einbezogenen (vgl. US 18 f) - Umstand ab, daß der Angeklagte bei keiner einzigen strafbaren Handlung unmittelbar betreten oder von den Zeugen mit völliger Sicherheit wiedererkannt wurde und daß bei ihm auch kein Diebsgut sichergestellt werden konnte. Mit diesem - einer sorgfältigen Prüfung unterzogenen - Einwand vermag der Angeklagte indes nicht aufzuzeigen, inwiefern der Schöffensenat hiedurch gegen seine Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit gröblich verstoßen oder Verfahrensergebnisse in einer Weise gewürdigt hätte, daß daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dem Schuldspruch zugrundegelegten entscheidenden Sachverhalts resultieren müßten. Die vom Beschwerdeführer aufgrund der Aussage des Zeugen L*** in der Hauptverhandlung bekämpfte Urteilsfeststellung (US 15, 27), der Angeklagte sei nach dem Diebstahl laut Faktum 14./ vor seiner Festnahme bei einem Würstelstand Geld zählend angetroffen worden, gründet sich nicht, wie der Beschwerdefüher vermeint, auf die (in der Hauptverhandlung negierte) Beobachtung dieses, bei der Festnahme gar nicht anwesend gewesenen Zeugen, sondern auf den Bericht der Gendarmeriebeamten Willibald R*** und Wolfgang S*** (S 19 in ON 6 in ON 23). Auch insofern liegt daher weder ein Begründungsmangel vor noch bestehen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der genannten Feststellung.
Hingegen kommt der Rechtsrüge des Beschwerdeführers (Z 9 lit. a) Berechtigung zu. Bloße "Bankomatkarten", wie sie im Schuldspruch zu II/6/ und 9/ angeführt sind, stellen nämlich keine Urkunden dar, weil sie nur aus einem nicht lesbaren Magnetstreifen bestehen (vgl. EvBl. 1985/146 = RZ 1985/47 = LSK 1985/23). Keine Urkundenqualität haben auch die vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger ausgestellten und von Versicherungsträgern an die Versicherten ausgegebenen Versicherungskarten, wie sie laut Faktum II/9/ entfremdet wurden (EvBl. 1984/144 = RZ 1984/65 = JBl. 1984, 566 = LSK 1984/59). Sie sind daher kein geeignetes Objekt der Urkundenunterdrückung, sodaß die Schuldsprüche zu II/6/ und 9/ tatsächlich eine gerichtlich nicht strafbare Handlung betreffen. Das weitere Beschwerdevorbringen in der Rechtsrüge, mangels Feststellung eines Schädigungsvorsatzes zum Faktum II/ und eines Sachentziehungsvorsatzes zum Faktum III/ fehle es an der Erfüllung der inneren Tatseite dieser Tatbestände und hätte daher ein Freispruch gefällt werden müssen, übergeht die zur subjektiven Tatseite getroffenen (von ihm übrigens in der Mängelrüge bekämpften) ausreichenden Feststellungen (US 18); aus der verallgemeinernden Verwendung des Wortes "Stehlen" bei der Beschreibung der einzelnen Fakten kann nicht abgeleitet werden, daß nach Annahme des Erstgerichtes der Unterdrückungs- bzw. Gebrauchsentziehungsvorsatz erst nach Wegnahme der Sachen gefaßt worden wäre. Insoferne ist das Rechtsmittel, das in einer bei der Darstellung der Rechtsrüge unzulässigen Weise vom Urteilssachverhalt abweicht, daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Mithin war über die Nichtigkeitsbeschwerde wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.
Bei der Neubemessung der Strafe war von den durch das Erstgericht im wesentlichen richtig und vollständig festgestellten Strafzumessungsgründen auszugehen. Die insgesamt 31 Vorstrafen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten weisen in Verbindung mit der offenbaren Erfolglosigkeit selbst empfindlicher vorangegangener Abstrafungen auf eine gegenüber den rechtlich geschützten Werten ablehnende Einstellung des Angeklagten hin, sodaß ungeachtet des (nur zwei minder bedeutsame Fakten betreffenden) Teilfreispruchs die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe, die der Schuld und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten entspricht, zu verhängen war.
Mit seiner durch die Strafneubemessung gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)