OGH 13Os39/92-9

OGH13Os39/92-917.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juni 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Dr. Massauer, Dr. Markel und Dr. Schindler als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Liener als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karim K***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und 3 Z 3 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Karim K***** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 11.Februar 1992, GZ 9 Vr 670/91-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten Karim K***** und des Verteidigers Dr. Brugger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Strafe auf 20 (zwanzig) Monate herabgesetzt, im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der (jugendliche) Angeklagte Karim K***** des Verbrechens nach dem § 12 (erg: Abs. 1 und) Abs. 3 Z 3 SGG schuldig erkannt, weil er am 1.November 1991 über die Grenzkontrolle Nickelsdorf den bestehenden Vorschriften zuwider vorsätzlich 263 Gramm (reine) Heroin(base), mithin ein Suchtgift in einer solchen Menge eingeführt hat, daß die Weitergabe geeignet war, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit (erg: von Menschen) entstehen zu lassen, wobei er die Tat in Beziehung auf eine zumindest das 25fache der im § 12 Abs. 1 SGG angeführten Menge ausmachende Suchtgiftmenge begangen hat.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 9 lit a und b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Die Beschwerde releviert zunächst Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite (Z 9 lit a). Zutreffend wird ausgeführt, daß der subjektive Tatbestand Vorsatz in bezug auf alle Tatbestandsmerkmale, somit insbesondere auch auf das Merkmal "Suchtgift in großer (hier: übergroßer) Menge" sowie der Eignung der Weitergabe, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, erfordert.

Die Urteilsfeststellungen, der Angeklagte habe in Kenntnis von Art und Menge des Suchtgiftes (1040 Gramm Heroin) dieses zum Transport nach Frankfurt am Main und Übergabe an seinen Auftraggeber übernommen und am Körper verborgen nach Österreich eingeführt, reichen im Hinblick auf das spruchgemäß festgestellte vorsätzliche Verhalten zur Beurteilung der subjektiven Tatseite aus. Aus dem detailliert festgestellten Verhalten des Angeklagten ergibt sich mit ausreichender Deutlichkeit die Annahme des Schöffengerichtes, daß die Eignung des eingeschmuggelten Suchtgifts, wegen dessen geplanter Weitergabe eine Gemeingefahr entstehen zu lassen, vom (zumindest bedingten) Tätervorsatz umfaßt und auch die Übermenge des Suchtgiftes in den Tatplan einbezogen war, weil im Hinblick auf den als allgemein anzunehmenden Kenntnisstand in bezug auf das Suchtgiftproblem die Wirkungsweise von Heroin der festgestellten Quantität als auch dem Beschwerdeführer bewußt vorausgesetzt werden kann (vgl dazu Foregger-Litzka, SGG2, Anm VI; Leukauf-Steininger, Nebengesetze2,

2. Erg.Heft 1985, Anm 5, jeweils zu § 12 SGG).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) versagt auch, soweit sie das Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes nach dem § 10 Abs. 1 StGB behauptet, weil der Angeklagte durch den Suchtgifttransport einen ihm drohenden bedeutenden Nachteil habe abwenden wollen.

Nach den Urteilsfeststellungen erklärte sich der Angeklagte bereit, Suchtgift zu schmuggeln, weil ihm sein Auftraggeber schon vorher den Paß abgenommen hatte und ihm für diesen Fall die Rückgabe des Reisepasses sowie ein Flugticket in seine Heimat Libanon und 500 US-Dollar versprach. Der Angeklagte willigte ein, weil er mit großen Schwierigkeiten bei der Heimreise ohne Paß und Geld rechnete (US 4). Dazu kam, daß dieser Auftraggeber, nachdem der Angeklagte im Zug nach Österreich das Heroin übernommen und auf der Toilette an seinem Körper versteckt hatte, erklärte, es befänden sich zwei Personen im Zug, die ihn beoachten würden, es sei deshalb zwecklos zu fliehen und er würde es sehr bereuen, wenn er das Suchtgift nicht weisungsgemäß nach Frankfurt bringe (US 4 und 5). Das Erstgericht ging ausdrücklich davon aus, daß der Angeklagte keinen anderen Ausweg aus seiner finanziellen Misere erblickte und deswegen auf das Angebot des Auftraggebers einging (US 9).

Die Tatrichter billigten entschuldigenden Notstand deshalb nicht zu, weil sie den vom Angeklagten zu befürchtenden Nachteil für den Fall seiner Weigerung, das Heroin zu transportieren, nicht als bedeutend erachteten (US 11). Soweit die Beschwerde in dieser Hinsicht davon ausgeht, der Angeklagte habe um sein Leben bangen müssen, geht sie an den zum drohenden Nachteil für den Angeklagten getroffenen Urteilsfeststellungen vorbei.

Ausgehend von diesen Urteilsannahmen hat das Schöffengericht zutreffend die Tat des Angeklagten als nicht im Sinne des § 10 Abs. 1 StGB entschuldigt gewertet, weil er es unterlassen hat, der befürchteten Gefahr durch Inanspruchnahme der Hilfe der Polizei zu begegnen, obgleich dies nach Lage des Falles möglich gewesen wäre (US 11; SSt 50/69).

Die in der Beschwerde des weiteren aufgeworfene Frage der Verhältnismäßigkeit der vom Angeklagten behaupteten Notstandslage zu dem durch die Tat drohenden Schaden kann daher auf sich beruhen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach den § 12 Abs. 3 SGG, § 5 JGG (unter Anrechnung der Vorhaft) zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. Als erschwerend wurde dabei kein Umstand, als mildernd die Notlage des Angeklagten gewertet.

Die dagegen erhobene Berufung strebt Herabsetzung und bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe an. Sie ist nur zum Teil begründet.

Soweit sie für den Angeklagten das Vorliegen der Milderungsgründe nach dem § 34 Z 4 und 11 StGB reklamiert, ist ihr zu erwidern, daß diese Umstände unter dem zusammenfassenden Begriff der Notlage des Angeklagten vom Schöffengericht berücksichtigt worden sind. Ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung kann ihm ebensowenig zugute gehalten werden, weil der wesentliche Sachverhalt von den Grenzkontrollorganen aufgedeckt wurde. Das Erstgericht hat es jedoch, wie die Berufung zu Recht bemängelt, unterlassen, den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten als mildernd zu berücksichtigen. Die Freiheitsstrafe wurde deshalb auf das aus dem Spruch ersichtliche, tat- und tätergerechte Ausmaß reduziert.

Trotz des bisher ordentlichen Lebenswandels kommt beim Angeklagten, der sich durch die Tat die Möglichkeit der reibungsfreien Rückkehr in seine Heimat sowie einiges Bargeld verschaffen und sich so aus einer mißlichen finanziellen Situation befreien wollte, vor allem auch im Hinblick auf die Menge des von ihm eingeschmuggelten, besonders gefährlichen Suchtgiftes Heroin und dessen negative Auswirkung gerade auf schutzbedürftige junge Menschen die bedingte Strafnachsicht der über ihn verhängten Freiheitsstrafe in keiner Form in Betracht.

Die Kostenentscheidung findet ihre Begründung in der angeführten gesetzlichen Bestimmung.

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