OGH 13Os39/03

OGH13Os39/033.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl I***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer Straftaten über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 8. Jänner 2003, GZ 9 Hv 10/02f-46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Karl (Eduard) I***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1. und 3.), der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 (aF) StGB (2.) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (4.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Mariasdorf

zu 1.) in der Zeit vom Sommer 1992 bis etwa Juni 1997 in mehrfachen Angriffen zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten mit seiner damals unmündigen Nichte Carina I*****, geboren am 14. Dezember 1985, den Beischlaf unternommen;

zu 2.) vom Sommer 1994 bis 30. September 1998 in mehrfachen Angriffen zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten unmündige Personen, nämlich Carina I***** durch Analverkehr (im Zeitraum von Juli 1997 bis 30. September 1998) und Jessica I*****, geboren am 8. Juli 1988, durch Eindringen mit den Finger in die Scheide zur Unzucht missbraucht;

zu 3.) zwischen 1. Oktober 1998 und 13. Dezember 1999 mehrfach zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen unternommen, indem er Analverkehr mit Carina I***** unternahm; zu 4.) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen mit unmündigen Personen, nämlich mit Jessica I*****, vorgenommen, inder er zwischen 1995 und 1999 mehrfach zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten mit seinem Penis bis zum Samenerguss an deren Gesäß bzw deren Rücken rieb.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Schuldsprüche 1. und 3. zur Gänze und 2. sowie 4. teilweise richtet sich die auf Z 2, 3, 4, 5, 5a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche jedoch nicht berechtigt ist.

Die Rüge nach Z 2 moniert die trotz Verwahrung des Verteidigers in der Hauptverhandlung vorgenommene Verlesung der Vernehmungsprotokolle ON 19 und 20 (der Zeuginnen Carina I***** und Jessica I*****), als angeblich nichtige Voruntersuchungsakte. Dies einerseits deshalb, weil die Zeuginnen zum Zeitpunkt der jeweiligen Befragung bereits das 14. Lebensjahr vollendet gehabt hätten und deshalb die Befragung durch die Untersuchungsrichterin selbst - und somit nicht durch einen Sachverständigen - hätte vorgenommen werden müssen, jedenfalls die Rechtsbelehrung nach § 152 Abs 5 StPO die Untersuchungsrichterin vorzunehmen gehabt hätte; andererseits deshalb, weil die Zeuginnen nicht über ihr Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO, sondern über jenes nach Z 2 leg cit belehrt worden wären.

Die Rüge geht in beiden Punkten ins Leere.

Zum ersteren genügt der Hinweis, dass § 162a Abs 2 StPO die Befragung eines auch mehr als 14-jährigen Zeugen durch einen Sachverständigen keineswegs untersagt ("insbesondere") und auch die Belehrung des Zeugen über sein Entschlagungsrecht unter Beiziehung des Sachverständigen erfolgen darf (vgl § 162a Abs 4 zweiter und dritter Satz), zum anderen genügt es darauf hinzuweisen, dass das von der Beschwerde ins Treffen geführte Entschlagungsrecht nach der Z 2a des § 152 Abs 1 StPO zum Tragen kommt, wenn der aktuellen Vernehmung eine kontradiktorische gerichtliche Vernehmung vorausgegangen ist - was hier - im Vorverfahren nicht der Fall war (zur Belehrung nach § 162a Abs 4 siehe zur Rüge nach Z 3).

Die Verfahrensrüge nach Z 3 behauptet eine nichtigkeitsbegründende Verlesung der genannten Vernehmungsprotokolle ON 19 und ON 20, weil die Erklärung der Zeuginnen im Vorverfahren, zur Hauptverhandlung nicht geladen werden zu wollen (S 114 bzw S 121), keine (berechtigte) "Verweigerung" sei. Entgegen der Beschwerde lassen jedoch diese Äußerungen die vom Erstgericht vorgenommene Deutung zu, sich im weiteren Verfahren der Aussage entschlagen zu wollen, und indizieren damit auch eine umfassend stattgefundene Belehrung nach § 162a Abs 4 erster Satz StPO. Die nach § 252 Abs 1 Z 2a StPO vorgenommenen Verlesungen erfolgten daher rechtens, demzufolge auch jene der Vernehmungsprotokolle der Gendarmerie.

Aus welchen Gründen die im Tenor des Urteils enthaltene Tatortbezeichnung "in Mariasdorf" keine "gesetzmäßige Konkretisierung" (gemeint: Individualisierung) "des Tatortes" darstellen soll, bleibt unerfindlich. Im Übrigen ist im Urteilsspruch die Tat verwechslungsausschliessend darzustellen, was auch geschah. Die Verfahrensrüge nach Z 4 moniert die Abweisung des Beweisantrages auf Ladung und Einvernahme der Zeuginnen Carina I***** und Jessica I*****, jedoch zu Unrecht. Im Hinblick auf die (berechtigte) auf die Hauptverhandlung bezogene Aussageverweigerung beider Zeuginnen vor der Untersuchungsrichterin hätte der Antrag nämlich fundierter Behauptungen dahin bedurft, dass die Zeuginnen trotz gegenteiliger Erklärung nunmehr bereit wären, vor dem erkennenden Gericht auszusagen.

Die von der Mängelrüge (Z 5) behauptete Undeutlichkeit und Widersprüchlichkeit der Konstatierung des Beginnes des Tatzeitraumes betreffend Carina I***** ("Sommer 1992, möglicherweise aber auch im Sommer 1993 - US 4") betrifft fallbezogen keine entscheidende Tatsache.

Die Behauptung des gänzlichen Fehlens rechtlicher Erwägungen releviert keine "offenbar unzureichenden Gründe" im Sinne der Z 5, weil allenfalls mangelhafte Erwägungen, von denen das Gericht bei der Entscheidung der Rechtsfragen geleitet wurde, den angezogenen Nichtigkeitsgrund keinesfalls herstellen (Mayerhofer, StPO4 § 281 Z 5 ENr 129). Abgesehen davon ist das Vorbringen aktenfremd (US 14 zweiter Absatz).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) zeigt keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Feststellungen entscheidender Tatsachen auf, sondern bekämpft nach Art einer Schuldberufung - und damit unzulässig - die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich gegen die Unterstellung der zu Schuldspruch 1. bezeichneten Tat unter § 206 Abs 1 StGB nF (schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen) trotz des vor dem 1. Oktober 1998, dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998 liegenden Tatzeitraumes, statt unter § 206 Abs 1 StGB aF (Beischlaf mit Unmündigen), unterlässt jedoch darzulegen, aus welchen Gründen dies für den Angeklagten (bei gleichen Strafdrohungen) von Vorteil gewesen wäre (§ 61 StGB). Solcherart wird jedoch der Nichtigkeitsgrund nicht zur prozessordnungsgemäßen Ausführung gebracht.

Unbegründet bleibt auch mangels Ableitung aus dem Gesetz, weswegen (im Übrigen gegen die herrschende Rechtsprechung) ein Analverkehr (Schuldspruch 3.) keine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung sein soll.

Die eine mangelnde Berücksichtigung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten als Milderungsgrund kritisierende Strafbemessungsrüge (Z 11) macht mit diesem Vorbringen einen Berufungs-, jedoch keinen Nichtigkeitsgrund geltend.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass das Oberlandesgericht Wien für die Berufungsentscheidung zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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