OGH 13Os3/24a

OGH13Os3/24a6.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Drach in der Strafsache gegen * B* wegen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 31. Oktober 2023, GZ 24 Hv 81/23b‑57, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00003.24A.0306.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* mehrerer Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 87 Abs 1 und 15 StGB (I) und mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in G*

(I) am 28. Juni 2023 anderen eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt (1) und zuzufügen versucht (2), und zwar

1) * M*, indem er ihm eine Glasflasche heftig gegen den Kopf schlug, sodass sie zerbrach, und ihm, nachdem er dadurch benommen zu Boden gestürzt war, zumindest zwei Tritte gegen den Kopf versetzte, wodurch der Genannte einen Schädelbruch und eine Gehirnblutung erlitt, sowie

2) * C*, indem er ihm mit einer Glasflasche heftig gegen den linken Ellbogen und die rechte Seite des Oberkörpers schlug, sodass sie zerbrach, und in der Folge mit einer Schere Stichbewegungen gegen den Oberarm und den Oberkörper des Genannten führte, wodurch dieser Prellungen am Oberkörper rechts, Prellungen des linken Ellbogens und Schürfungen an beiden Unterarmen erlitt, weiters

(II) am 20. Mai 2023 andere vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1) * O* durch Versetzen mehrerer Faustschläge ins Gesicht, wodurch der Genannte einen Nasenbeinbruch links, einen Anbruch des rechten Schneidezahns und eine Platzwunde an der Oberlippe erlitt, sowie

2) * Mi* durch Versetzen eines Kniestoßes ins Gesicht, wodurch der Genannte eine Rissquetschwunde an der Unterlippe erlitt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 (richtig) lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 56 S 9 f) der nachangeführten Anträge Verteidigungsrechte nicht verletzt.

[5] Die Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung der jeweils als „unmittelbare Tatzeugen“ bezeichneten

- * D* zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte weder den * M* noch * C* am 28. Juni 2023 verletzt hat“ (ON 56 S 7), legte nicht dar, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis hätte erbringen sollen, obwohl D* von der Kriminalpolizei vernommen angegeben hatte, betrunken gewesen zu sein und sich nicht erinnern zu können (ON 32.4 S 4 iVm ON 56 S 10),

- im Antrag erstmals – ohne weiteres Vorbringen – genannten „* P*“ zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte am 20. Mai 2023 weder * O* noch * Mi* verletzt hat“ (ON 56 S 10), unterlässt jegliches Vorbringen dazu, in welchem Zusammenhang die Genannte mit den inkriminierten Vorfällen stehen und weshalb sie diese unmittelbar wahrgenommen haben sollte.

[6] Solcherart lief das Antragsvorbringen jeweils auf einen bloßen Erkundungsbeweis hinaus (siehe aber RIS‑Justiz RS0099453 [T1]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

[7] Mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot hat das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618).

[8] Den Antrag auf „Ladung und Einvernahme von * F* zum Beweis dafür, dass der Angeklagte am 20. Mai 2023 weder * O* noch * Mi* verletzt hat und insbesondere * O* seine Verletzungen durch einen Sturz erlitten hat“ (ON 56 S 9), stellte der Angeklagte, nachdem der Zeuge * G* behauptet hatte, sein Freund dieses Namens, dessen aktuelle Telefonnummer er nicht kenne, sei bei einem zeitlich nicht näher eingrenzbaren Vorfall im Lokal „H*“ dabei gewesen und habe (auch) gesehen, dass jener Mann, bei dem es sich um * Mi* gehandelt haben könnte, von selbst gestürzt sei (ON 56 S 8). Der Antrag enthielt jedoch weder eine ladungsfähige Adresse des * F*, noch beinhaltete er Informationen zur allfälligen Ausforschung des Genannten. Solcherart bezeichnete er entgegen § 55 Abs 1 zweiter Satz StPO nicht jene Informationen, die für die Durchführung der Beweisaufnahme erforderlich gewesen wären (vgl Schmoller, WK-StPO § 55 Rz 61).

[9] In Ansehung des Schuldspruchs II 1 versagt die Rüge, soweit sie eine Verletzung von Verteidigungsrechten durch Abweisung des Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung des * D* geltend macht, schon mangels eines bezughabenden Antrags. Ein solcher ist nämlich dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung ebenso wenig zu entnehmen wie der von der Beschwerde behauptete Umstand, dass der Zeuge * G* jenen in diesem Zusammenhang als Tatzeugen genannt hätte (vgl ON 56 S 7 ff iVm ON 35.2).

[10] Dass zum Schuldspruch II 1 die Erwägungen der Tatrichter zu den als unglaubwürdig erachteten Angaben des Zeugen * G* (ON 56 S 7 ff iVm ON 35.2, US 9) den Beschwerdeführer „nicht zu überzeugen“ vermögen, begründet der Beschwerdeansicht zuwider keine Unvollständigkeit im Sinn der Z 5 zweiter Fall.

[11] Die Angaben des Zeugen * O*, wonach er nicht ausschließen könne, auch noch von einem weiteren Täter geschlagen worden zu sein (ON 49 S 5), stehen entgegen dem Rügevorbringen zum Schuldspruch II 1 nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den Feststellungen entscheidender Tatsachen (zum Begriff Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399).

[12] Die leugnende Verantwortung des Angeklagten zu I 1 haben die Tatrichter nicht übergangen, sondern insbesondere aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindrucks als unglaubwürdig beurteilt (US 8). Zu einer Erörterung sämtlicher Details seiner Aussage waren sie entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0098778 und RS0106295).

[13] Mit eigenen Beweiswerterwägungen zu einzelnen, vom Schöffensenat ohnedies berücksichtigten (vgl US 6) Passagen der Aussage des Zeugen * M* (ON 30 S 7 f) wendet sich die Beschwerde zum Schuldspruch I 1 bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[14] Die zum Schuldspruch I 1 Feststellungen zur subjektiven Tatseite vermissende Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) nicht am Urteilssachverhalt (US 5).

[15] Der Vorwurf des substanzlosen Gebrauchs der verba legalia macht nicht klar, weshalb es den Feststellungen zur subjektiven Tatseite zum Schuldspruch I 2 (US 5) am erforderlichen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS-Justiz RS0119090 [T2 und T3]).

[16] Dem weiteren Beschwerdevorbringen zum Schuldspruch I 2 zuwider blieb die Feststellung der Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB, US 5) nicht unbegründet (der Sache nach Z 5 vierter Fall). Vielmehr ist der von den Tatrichtern gezogene Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen (US 9 f) ohne Weiteres rechtsstaatlich vertretbar und bei einem – wie aktuell – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0098671 und RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

[17] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[18] Die Entscheidung über die Berufung und die implizierte Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[19] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte