European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00032.15B.0630.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im auf Begehung durch Unterlassung (§ 2 StGB) bezogenen Teil des Schuldspruchs (b), demzufolge auch in der gebildeten Subsumtionseinheit, in der Subsumtion nach § 156 Abs 2 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz K***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt, wobei das Erstgericht teilweise von der Begehung durch Unterlassung (§ 2 StGB) ausging (b).
Danach hat er in L***** als Schuldner mehrerer Gläubiger Bestandteile seines Vermögens verheimlicht „bzw“ sein Vermögen wirklich verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er trotz anhängigen Konkursverfahrens (seit dem IRÄG 2010 „Insolvenzverfahren“)
(a) vom 22. Oktober 2009 bis zum 10. Mai 2010 erzielte Einkünfte in der Gesamthöhe von 19.503,20 Euro dem Masseverwalter (seit dem IRÄG 2010 „Insolvenzverwalter“) verschwieg und
(b) vom Mai 2010 bis zum Juni 2012 „als Einkommensteuerpflichtiger und Verpflichteter zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung trotz wiederholter Aufforderung durch den Masseverwalter RA Dr. Andreas Fritsch es unterließ, diesem die Belege für die von ihm getätigten Spesenzahlungen in Höhe von 59.503,20 Euro vorzulegen, sodass aufgrund von in Rechtskraft erwachsenen Vorschreibungen nachfolgende Zahlungen aus der Konkursmasse getätigt werden mussten, und zwar
1. Einkommensteuer für das Jahr 2009 in Höhe von EUR 7.682,57 (ON 14 AS 153);
2. Einkommensteuer für das Jahr 2010 in Höhe von EUR 7.203,39 (ON 14 AS 153);
3. Beiträge zur Sozialversicherung für die Jahre 2010 und 2011 in Höhe von EUR 16.234,32 (ON 14 AS 153);
4. Zinsen in Höhe von EUR 310,97 (ON 14 AS 153)
5. Zinsen in Höhe von EUR 117,49 (ON 14 AS 153).“
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Vorweg sei festgehalten, dass die Erklärung, Berufung wegen „Nichtigkeit und Strafe“ anzumelden (ON 52 S 4), den Willen, Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben, hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt (vgl RIS‑Justiz RS0099965 und RS0100007 [insbesondere T4, T6 und T7]). Da der Angeklagte diese Erklärung innerhalb der dreitägigen Frist des § 284 Abs 1 erster Satz StPO abgab (ON 49 S 1 iVm ON 52 S 1), meldete er die Nichtigkeitsbeschwerde sohin rechtzeitig an.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf Einholung eines Gutachtens „aus dem Gebiet des Rechnungswesens zum Beweis dafür, dass den mutmaßlich Geschädigten ein Schaden in behaupteter und angeklagter Höhe nicht entstanden wäre, wenn die diesbezüglich richtige Meldung beim zuständigen Finanzamt hinsichtlich der Höhe des Einkommens erfolgt wäre“ (ON 49 S 2 und 6 iVm ON 28 S 12), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 49 S 7), weil dieser auf den Nachweis möglicher Folgen eines hypothetischen Kausalverlaufs zielte und damit keinen Konnex zu schuld- oder subsumtionsrelevanten Umständen erkennen ließ (§ 55 Abs 2 Z 1 und 2 StPO).
Die Schadenshöhe stellt im Übrigen (sofern sie nicht „null“ beträgt) beim Verbrechen der betrügerischen Krida (§ 156 StGB) nur insoweit eine entscheidende Tatsache dar, als die Wertgrenze des § 156 Abs 2 StGB (50.000 Euro) tangiert ist. Auch in diese Richtung enthielt der Beweisantrag kein Vorbringen.
Hinzu kommt, dass der Antrag nicht erkennen ließ, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse und solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung zielte (RIS‑Justiz RS0118444).
Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.
Indem die Mängelrüge (Z 5) die Begründung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite und zum Überschreiten der Wertgrenze des § 156 Abs 2 StGB als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) bezeichnet, ohne sich mit der Gesamtheit der diesbezüglichen Überlegungen der Tatrichter (US 8, 9 und 10) auseinanderzusetzen, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (12 Os 36/04, ÖJZ‑LSK 2005/34; RIS‑Justiz RS0119370).
Soweit die Beschwerde die Feststellungen zur subjektiven Tatseite anhand eigener Beweiswerterwägungen zu erschüttern trachtet, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
Entsprechendes gilt für die Tatsachenrüge (Z 5a), die sich zur Gänze im Anstellen eigener beweiswürdigender Überlegungen erschöpft.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) beschränkt sich darauf, die Feststellungen des Erstgerichts zum Schuldspruch a zu bestreiten, und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Der Schuldspruch b basiert in objektiver Hinsicht auf Zahlungen des Masseverwalters an Einkommensteuer, Sozialversicherungsbeiträgen und „Zinsen“ (US 5). Diesbezüglich ging das Erstgericht davon aus, dass es der Angeklagte unterlassen habe (§ 2 StGB), Nachweise zu erbringen, wonach es sich bei den diesen Abgaben‑ und Zinsforderungen zu Grunde liegenden Beträgen „nicht um Einkommen, sondern um Spesenzahlungen in Höhe von EUR 59.503,20 gehandelt habe“ (US 5).
Da die angefochtene Entscheidung keine Feststellungen darüber enthält, wem der angesprochene Betrag auf welcher Rechtsgrundlage zugeflossen ist, tragen die Urteilskonstatierungen den Schuldspruch b nicht.
Dieser war daher gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben. Demzufolge konnten auch die gebildete Subsumtionseinheit und die Subsumtion nach § 156 Abs 2 StGB nicht bestehen bleiben.
Im zweiten Rechtsgang wird durch Feststellungen zu klären sein, ob ‑ gegebenenfalls an wen ‑ der dem Anklagevorwurf b zugrunde liegende Betrag von 59.503,20 Euro geflossen ist. Sodann werden Konstatierungen zum Rechtsgrund eines solchen allfälligen Zahlungsflusses zu treffen sein. Dabei wird insbesondere festzustellen sein, ob Einkünfte im Sinn des § 2 Abs 3 und 4 EStG vorlagen, gegebenenfalls, ob diesen das Einkommen mindernde Abzugsposten (§ 2 Abs 2 EStG) gegenüberstanden. Die Nichtvorlage von Belegen kann dem Angeklagten hier nämlich nur dann als nach § 156 StGB relevante Unterlassung (§ 2 StGB) angelastet werden, wenn der allfällige Zufluss tatsächlich nicht die Einkommensteuerpflicht ausgelöst hätte. Entsprechendes gilt für die „Beiträge zur Sozialversicherung“, wobei diesbezüglich überdies zu klären sein wird, welche Beiträge überhaupt in Rede stehen, um Konstatierungen darüber treffen zu können, ob eine entsprechende Leistungspflicht bestand.
Die Basis für die insoweit erforderlichen Feststellungen wird im Rahmen der neuerlichen Hauptverhandlung durch die Befragung des Angeklagten und allfälliger Zeugen (wie beispielsweise des Masseverwalters) zu schaffen sein. Die solcherart gewonnenen Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) werden kritisch zu würdigen sein (§ 258 Abs 2 StPO).
Rechtlich sei hinzugefügt, dass die Anklage zu b der Sache nach auf eine Tatbestandsvariante scheinbarer Vermögensverringerung zielt, weil dem Angeklagten insoweit vorgeworfen wird, tatsächlich nicht bestehende Forderungen (durch Unterlassen [§ 2 StGB] der Vorlage entsprechender Belege) anerkannt zu haben (vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 16, Rainer SbgK § 156 Rz 20). Ein neuerlicher Schuldspruch würde auch dementsprechende Konstatierungen zur subjektiven Tatseite voraussetzen.
Die Teilaufhebung des Schuldspruchs hatte die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge, worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war.
Der Kostenausspruch ‑ der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12) ‑ beruht auf § 390a StPO.
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