European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00025.15Y.0415.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jovan S***** mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er
(I) vom Jahr 2010 bis zum November 2013 in S***** und an anderen Orten in zahlreichen Angriffen mit der am 26. Jänner 2002 geborenen, sohin damals unmündigen, Vanessa St***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er jeweils einen Finger in ihre Scheide einführte,
(II) vom 5. März 2012 bis zum 3. September 2012 in O***** außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an der am 26. Jänner 2002 geborenen, sohin damals unmündigen, Vanessa St***** vorgenommen, indem er ihre Scheide leckte und ihre Brüste massierte, sowie
(III) vom Jahr 2010 bis zum November 2013 durch die zu I und II beschriebenen Taten mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, nämlich seiner am 26. Jänner 2002 geborenen Enkeltochter Vanessa St*****, wiederholt geschlechtliche Handlungen vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 3, 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 3), das Protokoll über die polizeiliche Vernehmung der Zeugin Vanessa St***** (ON 3 S 33 bis 47) sei unter Verletzung der Bestimmungen des § 252 StPO in der Hauptverhandlung vorgekommen (§ 258 Abs 1 StPO), entfernt sich von der Aktenlage. Nach dem insoweit ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 33) erklärten sich die Beteiligten des Verfahrens nämlich mit dem Vortrag (§ 252 Abs 2a StPO) des gesamten Akteninhalts, darunter ausdrücklich des ‑ das angesprochene Vernehmungsprotokoll enthaltenden -Anlassberichts des Landeskriminalamts Niederösterreich (ON 3) einverstanden (ON 33 S 56). Der Umstand, dass dabei einzelne Aktenteile (wie das angesprochene Protokoll) wörtlich verlesen wurden (ON 33 S 56), ändert nichts an der Zulässigkeit des Vorkommens in der Hauptverhandlung.
Indem die Mängelrüge (Z 5) den vom Erstgericht angenommenen Beginn des Tatzeitraums in Frage stellt und diesen Zeitraum betreffende Ungenauigkeiten releviert, bezieht sie sich nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268).
Entsprechendes gilt für die Beschwerdeüberlegungen zur zeitlichen Abfolge von Mitteilungen der Vanessa St***** über die Taten gegenüber mehreren Vertrauenspersonen.
Inwieweit Feststellungen zur „Wohnsituation“ und zur „konkreten Schlafsituation“ hier entscheidungsrelevant sein sollen, legt die Beschwerde nicht dar, aus welchem Grund sie insoweit die prozessordnungskonforme Darstellung des der Sache nach herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) verfehlt (12 Os 52/02, SSt 64/31; RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).
Die (den Beschwerdeführer entlastenden) Angaben der Zeugin Tanja A***** hat das Erstgericht keineswegs übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern eingehend gewürdigt (US 30 bis 32). Indem die Beschwerde aus diesen Depositionen für ihren Prozessstandpunkt sprechende Schlüsse ableitet, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich zur Gänze darin, den beweiswürdigenden Überlegungen des Erstgerichts eigene Beweiswerterwägungen entgegenzustellen. Damit verkennt sie das Wesen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes, das darin besteht, aktenkundige Beweisergebnisse aufzuzeigen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen wecken (12 Os 120/04, ÖJZ‑LSK 2005/97; RIS‑Justiz RS0119583).
Gemäß § 31 Abs 1 StGB ist eine Zusatzstrafe zu verhängen, wenn die in Rede stehende Tat nach der Zeit ihrer Begehung schon in einem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 [richtig] erster Fall) folgt daraus, dass bei Tatmehrheit nur dann im Sinn des § 31 Abs 1 StGB auf eine Vorverurteilung Bedacht zu nehmen ist, wenn sämtliche der nachträglichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten vor jener begangen wurden (RIS‑Justiz RS0090813). Da der Tatzeitraum hier im November 2013 endete (US 7), sprach das Erstgericht somit zu Recht keine Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 4. Mai 2011 (US 4) aus.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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