OGH 13Os23/83

OGH13Os23/8324.3.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Müller, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführers in der Strafsache gegen Emanuel Ernst A und Johann B wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Johann B gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 30.November 1982, GZ. 20 q Vr 5803/81-155, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung des Angeklagten Emanuel Ernst A nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Brustbauer, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Gadzinski und Dr. Rifaat und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen, Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. haben die Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen der am 10.September 1962

geborene Kellner Emanuel Ernst A der in Tateinheit begangenen Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB.

und des schweren Raubs nach §§ 142 Abs. 1, 143 (1. und 2. Anwendungsfall) StGB. und der am 9.September 1959

geborene Schriftsetzer Johann B des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 142 Abs. 1, 143 (1., 2. und letzter Anwendungsfall) StGB. schuldig erkannt.

Die Angeklagten haben am 29.Mai 1981 in Wien den Juwelier Franz C unter Verwendung einer Pistole beraubt, wobei A das Opfer durch zwei gezielte Schüsse in den Kopf ermordet hat.

Darüber hinaus hat B vier weitere Raubüberfälle mit gesondert Verfolgten begangen.

Der Angeklagte B ficht das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde nach Z. 6, 9 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO.

an, weil der Tod des Juweliers ihm nach dem dritten Strafsatz des § 143 StGB. angelastet wurde.

Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer in dem Unterlassen einer Eventualfrage, ob er den Mord seines Raubgenossen zu verhindern (vorsätzlich) unterlassen habe und damit des Vergehens nach § 286 StGB. schuldig sei. Eine solche Frage war durch die in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen geradezu kontraindiziert; denn nach dem dazu alleinigen Vorbringen der beiden Angeklagten hatte der Nichtigkeitswerber überhaupt keine Gelegenheit, das nicht vereinbarte und 'blitzartige' Erschießen des Juweliers zu hindern (s. Hauptverhandlungsprotokoll S. 5, 7 f., 17).

Aber noch mehr: Der Täter des § 286 StGB. begeht die dort beschriebene Unterlassung mit dem Vorsatz, daß von einem anderen eine Vorsatztat ausgeführt werde. Angewendet auf die Unterlassung der Verhinderung eines Mordes heißt dies, daß der Unterlassende (§ 286 StGB.) die vorsätzliche Tötung eines Menschen will, daß er dessen Ermordung in seinen eigenen Vorsatz aufgenommen (indessen hiezu weder eine Ausführungsnoch eine Beihilfehandlung gesetzt noch angestiftet) hat.

Der Beschwerdeführer wurde wegen nur fahrlässiger Schuld (Mitschuld) am Tod des Franz C verurteilt; seine Prozeßeinlassung läuft auf die Bestreitung selbst dieser fahrlässigen Mitschuld hinaus. Begehrt der Zweitangeklagte eine Eventualfrage nach § 286 StGB., so wäre, um damit durchzudringen, ein Verhandlungsergebnis (§ 314 StPO.) in der Richtung des Vorsatzes des Beschwerdeführers, daß C getötet werde, erforderlich. Ein solches Verhandlungsresultat fehlt; es gesellt sich aber zu diesem Mangel, wie schon dargetan, der Widerspruch des die Z. 6 des § 345 Abs. 1 StPO. anziehenden Beschwerdevorbringens mit dem eigenen Prozeßstandpunkt des Rechtsmittelwerbers, dessen Rüge damit in mehrfacher Beziehung versagt.

Den Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs. 1 Z. 9 StPO.

sieht der Beschwerdeführer darin, daß in der an die Geschwornen gestellten Hauptfrage und demzufolge in der Antwort nur auf das tatsächliche Erschießen des Raubopfers, nicht aber auch auf die Schuldform, mit welcher er diesen Tod zu verantworten hätte, Bezug genommen worden ist. Die Anwendung des dritten Strafsatzes des § 143 StGB.

beruhe außerdem auf einer unrichtigen Gesetzesauslegung, weil nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens feststehe, daß der Beschwerdeführer die vorsätzlich von seinem Raubgenossen auf den Juwelier abgefeuerten Schüsse nicht vorhergesehen habe. Zufolge dieser Vorsatztat sei auch der Kausalzusammenhang mit seinem vorangehenden fahrlässigen Verhalten durch überlassen einer scharf geladenen Pistole an den nachmaligen Mörder unterbrochen und insoweit das Urteil ebenfalls nach § 345 Abs. 1 Z. 12 StPO. nichtig. Eine Formulierung der Frage dahin, von welcher Schuldform des Rechtsmittelwerbers das Erschießen des überfallenen durch den Raubgenossen getragen war, konnte unterbleiben, weil es sich um ein gemäß § 7 Abs. 2 StGB. subintelligiertes Merkmal handelt, welches auch im Text des § 143 StGB. nicht genannt ist (siehe § 312 Abs. 1 StPO.:

'alle gesetzlichen Merkmale'). Folgerichtig wird in der Rechtsbelehrung die Notwendigkeit eines fahrlässigen Verhaltens dem (Mord-) Vorsatz gegenübergestellt und zeigt auch die ausdrücklich auf eine Fahrlässigkeit bezugnehmende Niederschrift, daß darüber bei den Geschwornen keine Unklarheiten entstanden sind (vgl. SSt. 46/49). Daraus ergibt sich aber auch, daß der Ausspruch, der Nichtigkeitswerber ist des Verbrechens des Raubs nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB.

(in allen drei Qualifikationen) schuldig, vom Wahrspruch gedeckt ist.

Soweit der Beschwerdeführer behauptet, daß der Tod des Juweliers für ihn unvorhersehbar gewesen sei und damit seinerseits kein fahrlässiges Verhalten vorliege, bezieht er sich ausdrücklich auf Umstände, die in den Wahrspruch nicht aufgenommen wurden. Die Konfrontierung mit dessen Inhalt ist aber Voraussetzung des insoweit angerufenen Nichtigkeitsgrunds nach § 345 Abs. 1 Z. 12 StPO. (arg. § 351 StPO.: die der Feststellung durch die Geschwornen vorbehaltenen Tatsachen, die der Oberste Gerichtshof seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat;

siehe auch § 337 StPO.: bei Zugrundelegung der Tatsachen, die im Wahrspruch der Geschwornen festgestellt sind). Im übrigen war angesichts des vereinbarten Raubüberfalls unter Verwendung einer geladenen Pistole deren bestimmungsmäßiger Einsatz durch Abfeuern von Schüssen leicht voraussehbar.

Rechtsrichtig wurde die Fahrlässigkeit des Angeklagten in bezug auf die Todesfolge auch aus dem Gesichtspunkt der Kausalität bejaht. Der Ursachenzusammenhang ist nach ständiger Rechtsprechung auch im Bereich der Erfolgsqualifikation auf der Grundlage der öquivalenztheorie zu prüfen. Darnach ist jede Bedingung für den Erfolg ursächlich, bei deren Wegfall dieser Erfolg in seiner konkreten Gestalt nicht mehr vorstellbar ist. Eine 'Unterbrechung des Kausalzusammenhangs' (so die ältere Ausdrucksweise) bzw. eine Aufhebung des Bedingungskonnexes setzt (bei richtigem Verständnis dieser Begriffe) voraus, daß die Wirksamkeit des Verhaltens des Täters infolge des späteren Eingreifens einer anderen Person gänzlich beseitigt wird. Franz C ist mit der Pistole des Beschwerdeführers erschossen worden. Daß letzterer die Waffe seinem Komplizen gegeben hat, war eine Bedingung für den Tod C. Die Wirksamkeit dieser Bedingung für den Erfolg (Tod) ist von niemandem beseitigt worden: der Bedingungszusammenhang (Kausalnexus) wurde nicht aufgehoben. Der Rechtsmittelwerber hat vorsätzlich an einem Raubüberfall unter Verwendung einer geladenen Pistole mitgewirkt. Dadurch hat er verbotswidrig (§ 143 StGB.) jenes Wagnis (Risiko) auf sich genommen, das sich dann in der Tötung des überfallenen verwirklicht hat (Risikozusammenhang). Folglich unterliegt die oben aufgegliederte Kausalität keiner Einschränkung aus dem Rechtsgrund der sogenannten objektiven Zurechenbarkeit (speziell zur gegenständlichen Qualifikationshaftung aufschlußreich Kienapfel BT II § 143 StGB. RN. 45, 46).

Zusammenfassend:

Der Tod des Raubopfers ist dem Beschwerdeführer als fahrlässig verschuldet (mitverschuldet) zuzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde aber war zu verwerfen.

Das Geschwornengericht bestrafte Emanuel Ernst A nach §§ 28, 75 StGB. mit achtzehn Jahren, Johann B nach dem dritten Strafsatz des § 143 StGB.

(ergänze: gleichfalls unter Anwendung des § 28 StGB.) mit fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe.

Als erschwerend wurden gewertet: bei A dessen drei einschlägigen Vorstrafen, sein rascher Rückfall und das Zusammentreffen strafbarer Handlungen verschiedener Art sowie der hohe Schaden; bei B dessen einschlägige Vorstrafe, die Tatwiederholung, die Anstiftung des A zum Raub, die führende Tatbeteiligung bei den weiteren Raubfakten sowie ebenfalls der hohe Schaden. Mildernd fiel demgegenüber ins Gewicht, daß beide Angeklagten ihre Taten vor Vollendung des 21. Lebensjahrs begangen haben, ihr Faktengeständnis, bei A überdies, daß er (freilich nur zum Raub) angestiftet wurde, und die völlige, bei B die teilweise, objektive Schadensgutmachung.

Mit ihren Berufungen wenden sich die Angeklagten gegen das Strafausmaß. Sie scheitern an den Dimensionen von Schuld und Unrecht, deren Bewältigung sie der Rechtsgemeinschaft aufgegeben haben; wie weit sie an dieser Bewältigung selbst teilhaben können, wird erst das Ende des Strafvollzugs erweisen.

Im einzelnen: Die von A aufgestellte Behauptung einer unrichtigen, zu seinem Nachteil vorgenommenen Gewichtung der angeführten Strafzumessungsgründe geht ins Leere. Angesichts der mehrfach angewendeten brutalen Gewalt gegen das Raubopfer (wuchtige Schläge mit der Pistole) und vor der Tatsache der schließlichen Ermordung des bereits auf dem Boden liegenden Mannes, weil er noch Lebensregungen zu erkennen gab, mit zwei gezielten Schüssen in den Kopf treten die aufgezählten üblichen Strafzumessungserwägungen förmlich verblassend in den Hintergrund.

Der Angeklagte B wiederum vermag, entgegen seinem Vorbringen, keine neuen Milderungsgründe zu nennen. Selbst wenn von einer Verführung (§ 33 Z. 3 StGB.) des A zum Raub nicht gesprochen werden könnte, weil letzterer aus Geldnot dem Raubvorschlag des B sofort zugestimmt hätte, so ist zu berücksichtigen, daß die todbringende Schußwaffe von B an A ausgehändigt worden war. Das 'Faktengeständnis' wurde vom Geschwornengericht ohnehin als volles gewertet, weil eine Einschränkung auf bestimmte Taten nicht vorgenommen wurde. Die Vorstrafe des Angeklagten B erfüllt alle Voraussetzungen des § 33 Z. 2 StGB.

und widerlegt auch einen bisher ordentlichen Lebenswandel. Ein solcher wäre zusätzlich zu der von B genannten Bedingung, daß seine Taten in auffallendem Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten stünden, Voraussetzung des Milderungsgrunds nach § 34 Z. 2 StGB. Die insgesamt fünf (!) Raubüberfälle, wobei im letzten Fall sogar die Mitschuld am Tod des Raubopfers auf dem Berufungswerber lastet, verknüpft mit der mehrfachen Verbrechensqualifikation, gebieten eine für die schwere Aufgabe der gesellschaftlichen Wiedereingliederung eines derartigen Rechtsbrechers ausreichende, nämlich lange Prisonierung. Von den Tatrichtern mit lediglich drei Vierteln des verfügbaren zeitlichen Maßes geschöpft, ist die über Johann B verhängte Strafe nicht reduktionsfähig.

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