European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00023.24T.0424.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens verfügt, der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 29. Dezember 2023 (ON 18.1) aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung über die Beschwerde des Strafgefangenen vom 7. Dezember 2023 (ON 16) an dieses Gericht verwiesen.
Gründe:
[1] Mit mündlich verkündetem Beschluss vom 14. November 2023 (ON 15) lehnte das Landesgericht Korneuburg als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen * S* nach § 46 Abs 1 StGB ab.
[2] Nach erteilter Rechtsmittelbelehrung erbat der Strafgefangene drei Tage Bedenkzeit (ON 13), sodass die Frist für die Anmeldung der Beschwerde (§ 152a Abs 3 StVG) mit Ablauf des 17. November 2023 endete.
[3] Am 11. Dezember 2023 brachte der Verteidiger beim Landesgericht Korneuburg eine als „Rekurs“ bezeichnete Beschwerdeschrift (ON 16) gegen den am 7. Dezember 2023 zugestellten (und irrig mit 6. Dezember 2023 datierten) Beschluss (ON 15) ein.
[4] Mit Beschluss vom 29. Dezember 2023 (ON 18.1) wies das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht diese Beschwerde als unzulässig zurück, weil kein Rechtsmittel angemeldet worden sei und folglich der bekämpfte Beschluss mit Ablauf der dreitägigen Anmeldungsfrist zur Beschwerdeerhebung in Rechtskraft erwachsen sei (BS 2 f).
[5] Ohne Kenntnis des Beschwerdegerichts war aber bereits am 15. November 2023 – somit fristgerecht – eine Rechtsmittelanmeldung des Strafgefangenen beim Landesgericht Korneuburg eingelangt (ON 19). Zwar wurde darin irrig das Aktenzeichen des seinerzeit gegen * S* beim selben Gericht anhängigen Hauptverfahrens (sowie ein Aktenzeichen des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht in einer Strafvollzugssache wegen § 133 Abs 2 StVG betreffend * S*) genannt, als Bezug wurde jedoch ausdrücklich „Bedingte Entlassung aus der Strafhaft“ angeführt und – wenn auch ohne nähere Bezeichnung – auf eine, die bedingte Entlassung des Strafgefangenen ablehnende gerichtliche Entscheidung hingewiesen. Dieser – unmissverständlich an das zuständige Landesgericht Korneuburg als Vollzugsgericht (vgl auch die handschriftliche Verfügung des Vorsitzenden des Schöffengerichts, ON 19, 1) adressierte – Schriftsatz wurde erst am 3. Jänner 2024 dem Oberlandesgericht Wien „zwecks allfälliger Entscheidung“ mit einer neuerlichen Aktenvorlage übermittelt (ON 20).
Rechtliche Beurteilung
[6] Bei der Prüfung der Akten ergeben sich – wie die Generalprokuratur in ihrem gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO gestellten Antrag zutreffend aufzeigt – erhebliche Bedenken (§ 362 Abs 1 StPO) gegen die Richtigkeit der dem Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 29. Dezember 2023 (ON 18.1) zu Grunde gelegten Annahme, der Strafgefangene habe die Beschwerde nicht rechtzeitig angemeldet. Vielmehr folgt aus den nachträglich vorgelegten Urkunden (ON 19 und 20) die Einhaltung der dreitägigen Frist des § 152a Abs 3 StVG.
[7] Somit ist eine (nicht vom Obersten Gerichtshof getroffene) letztinstanzliche Entscheidung eines Strafgerichts auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv unrichtigen Verfahrensgrundlage ergangen, ohne dass diesem Gericht ein Rechtsfehler anzulasten ist. Dies war durch Verfügung der außerordentlichen Wiederaufnahme auf die im Spruch ersichtliche Weise in analoger Anwendung des § 362 Abs 1 Z 2 StPO zu sanieren (RIS‑Justiz RS0117416 und RS0117312).
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