European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00023.21P.0607.000
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil sowie der Beschluss auf Erteilung einer Weisung aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.
Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf die Aufhebung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas L***** des Finanzvergehens des Abgabenbetrugs nach (richtig) §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG) idF vor BGBl I 2015/118 (A) sowie der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (B) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er im Bereich des Finanzamts Salzburg‑Stadt als Geschäftsführer der I***** GmbH vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt, nämlich
(A) durch Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen unter Verwendung falscher Beweismittel, indem er zu Unrecht Vorsteuerbeträge und Betriebsausgaben aus Scheinrechnungen geltend machte, und zwar
1) für das Jahr 2011 an Umsatzsteuer um 28.613,17 Euro und an Körperschaftsteuer um 11.848,96 Euro,
2) für das Jahr 2012 an Umsatzsteuer um 11.020,22 Euro und an Körperschaftsteuer um 23.323,25 Euro sowie
3) für das Jahr 2013 an Umsatzsteuer um 5.785,12 Euro und an Körperschaftsteuer um 16.034,42 Euro, weiters
(B) an Kapitalertragsteuer, indem er deren Anmeldung und Abfuhr spätestens mit 8. Jänner des jeweiligen Folgejahres unterließ, und zwar
1) für das Jahr 2011 um 43.598,73 Euro,
2) für das Jahr 2012 um 16.567,70 Euro,
3) für das Jahr 2013 um 61.499,23 Euro,
4) für das Jahr 2014 um 7.200 Euro sowie
5) für das Jahr 2015 um 7.200 Euro.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil mit – nicht geltend gemachter – materieller Nichtigkeit behaftet ist, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 195 Abs 1 FinStrG):
[5] 1) Zum Schuldspruch A:
[6] § 39 FinStrG ist eine Qualifikationsnorm, die unter anderem an den hier in Rede stehenden Grundtatbestand der Abgabenhinterziehung (§ 33 Abs 1 FinStrG) anknüpft. Voraussetzung für die Subsumtion nach § 39 FinStrG ist dabei allerdings, dass das Basisdelikt „durch das Gericht zu ahnden“ ist, also originäre Gerichtszuständigkeit vorliegt.
[7] Dies ist beim Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung (§ 33 Abs 1 FinStrG) der Fall, wenn (bei einem Finanzvergehen) der strafbestimmende Wertbetrag oder (bei mehreren zusammentreffenden Finanzvergehen [§ 21 Abs 1 FinStrG]) die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge 100.000 Euro (§ 53 Abs 1 FinStrG) übersteigt ( Lässig in WK 2 FinStrG § 39 Rz 2 f).
[8] Nach den Urteilsfeststellungen beträgt die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge zum Schuldspruch A nur 96.625,14 Euro (US 6 iVm US 1 f), weshalb die – unter Bildung einer Subsumtionseinheit sui generis (RIS‑Justiz RS0130035) vorgenommene – Subsumtion der von A 1 bis A 3 umfassten Taten nach § 39 FinStrG rechtlich verfehlt ist (Z 10). Vielmehr hat der Angeklagte nach den Feststellungen (US 5 f) sechs Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG verwirklicht (RIS-Justiz RS0124712; vgl die Beispiele bei Lässig in WK 2 FinStrG § 39 Rz 4).
[9] 2) Zum Schuldspruch B:
[10] Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 6) beziehen sich ausschließlich auf die Verkürzung von Abgaben „durch die unrichtige Abgabe von Jahressteuererklärungen“, somit auf die vom Schuldspruch A umfassten Taten. Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der Verkürzung von Kapitalertragsteuer durch die vom Schuldspruch B umfassten Taten (US 5 f; vgl §§ 95 Abs 3, 96 Abs 1 und 3 EStG; RIS-Justiz RS0124712 [T4]) sind dem Urteil hingegen nicht zu entnehmen (Z 9 lit a).
[11] Solcherart war das angefochtene Urteil bei der nichtöffentlichen Beratung zur Gänze zu beheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO). Daraus folgte die Aufhebung des verfehlt gemeinsam mit dem Urteil ausgefertigten (RIS‑Justiz RS0120887 [T2 und T3]) Beschlusses auf Erteilung einer Weisung.
[12] Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, seiner Berufung und seiner impliziten Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO iVm § 195 Abs 1 FinStrG) gegen die Erteilung einer Weisung war der Angeklagte auf die Aufhebung zu verweisen.
[13] Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt:
[14] Die von der Finanzbehörde im Abschlussbericht vom 13. Mai 2019 (ON 2, ON 44 S 11) berücksichtigten verdeckten Gewinnausschüttungen beinhalten auch Beträge „lt Tz 1 ScheinRe in Euro“ (ON 2 S 6). Im angefochtenen Urteil ging das Gericht – unter Hinweis auf den genannten Abschlussbericht (US 7) – von der dort errechneten Gesamtsumme an verdeckten Gewinnausschüttungen aus (US 6 iVm US 2), traf jedoch nur Feststellungen (US 5 f) bezüglich der als solche beurteilten privaten Entnahmen vom Verrechnungskonto („Verdeckte GA lt. Tz 5 Verr Kto“, ON 2 S 6) und Geltendmachung von privaten Fahrten als betrieblichen Aufwand („Verdeckte GA lt 6 PKW“, ON 2 S 6).
[15] Für den Fall neuerlicher Schuldsprüche wegen Hinterziehung von Kapitalertragsteuer wird das Erstgericht Feststellungen zum objektiven und zum subjektiven Tatbestand in Ansehung aller Tathandlungen zu treffen und zu begründen haben, die es bei der Berechnung des diesbezüglich die Strafbefugnis determinierenden strafbestimmenden Wertbetrags (§ 33 Abs 5 FinStrG; vgl Lässig in WK 2 FinStrG § 33 Rz 4) heranzieht.
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