Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 15. Oktober 2002, GZ 27 Hv 160/02k-39, verletzt im Schuldspruch wegen "des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG" (A) das Gesetz in der genannten Bestimmung.
Es wird in dem zu A) ergangenen Schuldspruch sowie im Strafausspruch (ausgenommen die Einziehung des sichergestellten Suchtgifts und die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung
1. zu A)1)a), b) und c) sowie 2) in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Veli G***** hat im Sommer und Herbst 2001 in Linz in der Absicht, sich durch wiederkehrende Suchtgiftübergabe eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, das zu A)1)a) bis c) und 2) genannte Haschisch durch gleichartige Taten an Dominik Z*****, Christian B*****, Christoph R*****, Michael G***** und zahlreiche weitere Personen übergeben, demnach anderen den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift überlassen oder verschafft und hiedurch eine unbestimmte Anzahl von Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster oder siebter Fall und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG begangen;
2. zu A)1)d) die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung (samt Strafneubemessung) an das Landesgericht Linz zurückverwiesen. Im Übrigen bleibt das Urteil unberührt.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem infolge einer gegen den Ausspruch über die Strafe ergriffenen Berufung des Angeklagten noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 15. Oktober 2002, GZ 27 Hv 160/02k-39, wurde Veli G***** unter anderem "des Verbrechens nach § 28 Abs 2" (zu ergänzen: vierter Fall) SMG schuldig erkannt
(A).
Danach hat er "den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in Verkehr gesetzt, und zwar dadurch, dass er
1) im Sommer und Herbst 2001 mindestens 2 kg Haschisch an zahlreiche Personen weiterverkaufte, insbesondere
- a) 20g an Dominik Z*****,
- b) 10g an Christian B*****,
- c) 4 bis 9 g an Christoph R***** verkaufte und
- d) am 30. Oktober 2001 7,2 g Haschisch der mj Fatma Ü*****, geb. am 14. März 1984 übergab;
2) in der Zeit von Jänner bis März 2002 25 g Haschisch an Michael G***** verkaufte."
Während Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Suchtgiftes fehlen, enthalten die Entscheidungsgründe - vermengt mit beweiswürdigenden Überlegungen - zur subjektiven Tatseite der Suchtgiftübergaben folgende Aussagen (US 5 f): "Der Angeklagte hat bewusst und gewollt Suchtgift in Verkehr gesetzt, verkauft und anderen überlassen. ... G***** hat Haschisch verkauft, um sich dadurch ein regelmäßiges Einkommen zu verschaffen. Er hat durch die wiederkehrenden Verkäufe ein fortlaufendes Einkommen zu erzielen getrachtet und auch erzielt.
... Feststellungen darüber, dass er die Absicht hatte, jeweils eine
große Menge Haschisch in Verkehr zu setzen, konnten ... nicht
getroffen werden, dass er insgesamt eine große Menge in Verkehr setzen wollte, konnte nicht festgestellt werden. Es waren zur gewerbsmäßigen Absicht nur Feststellungen möglich über kleine Mengen, die er abgegeben hat." Zu A)1) wird - erst in den Entscheidungsgründen - Linz, zu A)2) kein Tatort genannt. In seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt der Generalprokurator Folgendes aus:
Das Urteil des Landesgerichtes Linz steht in Ansehung des Punktes A) des Schuldspruchs mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 260 Abs 1 Z 1 und 2 StPO muss das Strafurteil aussprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden wurde, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, und welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, begründet wird.
Gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO ist in den Entscheidungsgründen ua mit voller Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen und aus welchen Gründen der Gerichtshof sie als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat und von welchen Erwägungen er bei der Entscheidung der Rechtsfragen geleitet wurde.
Ein Widerspruch der aus Erkenntnis und Entscheidungsgründen gebildeten Gesamtmenge der im Urteil genannten entscheidenden Tatsachen mit sich selbst begründet Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO (Ratz WK-StPO § 281 Rz 276; Mayerhofer StPO4 § 260 E 94 c). Gemäß § 28 Abs 2 SMG ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6) erzeugt, einführt, ausführt oder in Verkehr setzt. Einzelmengen aus einer Serie von Tathandlungen, die für sich die große Menge nicht erreichen, sind zu einer großen Menge dann zusammenzurechnen, wenn der (festgestellte) Vorsatz des Täters von vornherein die bewusste kontinuierliche Tatbegehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste (Foregger/Litzka/Matzka SMG § 28 Erl III.2, Mayerhofer NG4 § 28 SMG E 9 f; 13 Os 74/02 ua). Für die Qualifikation gewerbsmäßiger Tatbegehung (§ 28 Abs 3 erster Fall SMG) ist die Absicht des Täters erforderlich, sich durch wiederkehrendes Erzeugen, Einführen, Ausführen oder Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Diese Voraussetzung kann auch bei Verwirklichung der großen Menge in Teilmengen erfüllt werden. In einem solchem Fall bedarf es aber Feststellungen, dass der Vorsatz des Täters bei Setzung der die Grenzmenge erreichenden Teilakte darauf gerichtet war, die Tat durch weitere Teilakte, die jeweils zur Summierung des Suchtgiftes zu großen Mengen führen sollten zu wiederholen (JBl 2001, 802; 11 Os 44, 45/00).
Demnach bieten die (im Widerspruch zum Tenor stehenden) Urteilsfeststellungen keine Grundlage für die im Urteilsspruch vorgenommene rechtliche Beurteilung als "Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG", sondern könnten diese lediglich dem Vergehenstatbestand des § 27 Abs 1 und 2 Z 2 erster Fall SMG unterstellt werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Ein Urteil ist nach § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO nichtig, wenn man davon sprechen kann, dass der "Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen (§ 270 Abs 2 Z 4 und 5)" - maW die aus Erkenntnis (§ 270 Abs 2 Z 4 [§ 260 Abs 1 Z 1] StPO) und Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) gebildete Summe der im Urteil genannten entscheidenden Tatsachen - mit sich selbst im Widerspruch steht. Abweichungen des Erkenntnisses zwar nicht in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen, wohl aber mit Bezug auf sonstige Individualisierungsmerkmale sind hingegen Gegenstand der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 276 f, 392, 437). Einen von der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes angenommenen Widerspruch zwischen Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 270 Abs 2 Z 4 [§ 260 Abs 1 Z 1] StPO) vermag der Oberste Gerichtshof vorliegend nicht zu erkennen, weil es - nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen (aaO § 281 Rz 439) - ohne weiteres möglich ist, dass ein insgesamt die Grenzmenge übersteigendes Suchtgiftquantum in Verkehr gesetzt wird, ohne dass sich der Vorsatz des Täters auf die Übergabe einer oder mehrerer großer Mengen (vgl § 28 Abs 2 SMG: "in einer großen Menge") erstreckt. Überdies geht aus dem Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) - in Ermangelung von Angaben über die Reinsubstanz - die Menge des im "Haschisch" (A) enthaltenen Wirkstoffes ebensowenig hervor wie aus den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).
Soweit sich die Beschwerde jedoch darauf beruft, dass die in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen den Schuldspruch wegen „des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG", maW den Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO, wonach durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG begründet wird, nicht tragen, ist sie im Recht (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO).
Nach Maßgabe der tatsächlichen Urteilsannahmen wollte der Angeklagte bei der durch zahlreiche Einzeltaten erfolgten Weitergabe der unter Punkt A) genannten Gesamtmenge von "mindestens 2 kg" (A/1) und weiteren "25 Gramm Haschisch" (A/2) nicht einmal insgesamt 20 g des Wirkstoffgehaltes THC, also die Grenzmenge, in Verkehr setzen. Mangels einer Feststellung über den wahren Wirkstoffgehalt blieb zudem offen, ob solcherart objektiv eine oder mehrere große Mengen des Suchtgiftes in Verkehr gesetzt wurden.
Die Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen hinwieder bezog sich nur auf Übergabe die Grenzmenge nicht erreichender Suchtgiftquanten, womit - recht besehen - durch die unter Pkt A) zusammengefassten gleichartigen Taten - mit Ausnahme der zu A)1)d) genannten - eine unbestimmte Anzahl von Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster oder siebter Fall und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG begründet werden. In diesem Umfang war sogleich in der Sache selbst ein Schuldspruch zu fällen (§§ 292 erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 erster SatzStPO).
In Hinsicht auf die Weitergabe von 7,2 g Haschisch an die minderjährige Fatma Ü***** (A/1/d) war dem Obersten Gerichtshof die Entscheidung in der Sache selbst jedoch infolge eines Feststellungsmangels zur Frage, ob der Angeklagte dabei einer noch nicht 18-Jährigen Suchtgift überlassen wollte, sein Vorsatz sich also auf das Alter des Mädchens erstreckte (§§ 5 Abs 1, 7 Abs 1 StGB, Art I Abs 1 StRAG, § 27 Abs 2 Z 1 SMG), nicht möglich (§§ 292 erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter SatzStPO).
Insoweit ist, wie zur Klarstellung angemerkt sei, auch nicht Teilrechtskraft eingetreten, sodass das Landesgericht Linz im zweiten Rechtsgang an keinerlei Feststellungen des angefochtenen Urteils gebunden ist (aaO § 289 Rz 16, 18).
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