OGH 13Os204/94

OGH13Os204/9411.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Jänner 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kahofer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Abdülkadir A***** und eines weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG, teilweise auch nach § 15 StGB, hinsichtlich des Angeklagten Abdülkadir A***** zum Teil nach § 12 dritter Fall StGB, sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Abdülkadir A***** und Fevzi T***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 30.Juni 1994, GZ 8 Vr 1297/94-35, sowie über die vom Angeklagten Fevzi T***** angemeldete jedoch nicht ausgeführte Beschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben und, teils auch gemäß § 290 Abs 1 StPO, das angefochtene Urteil - das im Schuldspruch der Angeklagten wegen des Finanzvergehens nach § 35 Abs 1 FinStrG, beim Angeklagten Abdülkadir A***** in der Täterschaftsform nach § 11 dritter Fall FinStrG (C des Urteilsspruchs) sowie im Erkenntnis über die Einziehung des tatgegenständlichen Suchtgiftes (3.554,1 Gramm Heroin, beinhaltend 1.860 +/- 50 Gramm reine Heroinbase abzüglich der bei der Untersuchung verbrauchten Menge), unberührt bleibt - aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden beide Angeklagten, ebenso wie der Angeklagte Fevzi T***** mit seiner Beschwerde, auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Fevzi T***** und Abdülkadir A***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG, teilweise auch nach § 15 StGB, der Angeklagte Abdülkadir A***** zum Teil nach § 12 dritter Fall StGB, sowie des Finanzvergehens nach § 35 Abs 1 FinStrG, Abdülkadir A***** nach § 11 dritter Fall FinStrG, schuldig erkannt.

Ihnen wurde angelastet, den bestehenden Vorschriften zuwider ein das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs 1 SGG genannten Suchtgiftmenge übersteigendes Suchtgiftquantum aus- und eingeführt zu haben, indem Fevzi T***** am 8.Mai 1994 3.554,1 Gramm Heroin (beinhaltend 1.860 [+/- 50] Gramm reine Heroinbase) mit einem PKW aus Rumänien aus- und über Ungarn nach Österreich einführte (A/I), während A***** dazu dadurch beitrug, daß er sich zur gemeinsamen Tatbegehung bereit erklärte und im vorhinein nach Österreich einreiste (A/II), beide Angeklagten als unmittelbare Täter am Tag nach der Einfuhr das genannte Suchtgift nach Verkauf in Verkehr zu setzen suchten (B), sowie durch die Einfuhr des Suchtgiftes eingangsabgabenpflichtige Waren in einem Wertbetrag von 1,869.456 S vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen zu haben (C).

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten (unter rechtsirriger Anwendung des § 28 Abs 1 StGB; siehe § 22 Abs 1 FinStrG) nach § 12 Abs 3 SGG zu Freiheitsstrafen sowie nach § 12 Abs 5 SGG zu Geldstrafen (für den Fall deren Uneinbringlichkeit zu Ersatzfreiheitsstrafen) und gemäß §§ 35 Abs 1 (gemeint Abs 4), 15 Abs 2 FinStrG zu Freiheits- und Geldstrafen (samt entsprechenden Ersatzfreiheitsstrafen) und erkannte auf Einziehung des tatgegenständlichen Suchtgiftes sowie auf Verfall des zur Beförderung verwendeten Personenkraftwagens (§ 13 Abs 1 und 3 SGG).

Rechtliche Beurteilung

Die von beiden Angeklagten gegen die Schuldsprüche wegen des Verbrechens nach dem Suchtgiftgesetz aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerden, die den Mangel erforderlicher Feststellungen zur subjektiven Tatseite geltend machen, sind im Recht.

Zum eigentlichen Tatablauf stellte das Schöffengericht (objektiv) fest, daß der Angeklagte Fevzi T***** am 7.Mai 1994 in Bukarest 3.554,1 Gramm Heroin übernahm und in seinem PKW in einem Loch unter der Rücksitzbank versteckte, das mit einem Blech abgedeckt und zugeschweißt wurde. Das solchermaßen versteckte Suchtgift schmuggelte er am 8.Mai 1994 beim Grenzübergang Nickelsdorf nach Österreich. Nach Kontaktaufnahme mit einem (Schein-)Aufkäufer wurde das Suchtgift in einer Tiefgarage aus dem Versteck genommen; anschließend fuhren die Angeklagten zu einem Hotel, wo sie festgenommen wurden (US 10 und 11).

Mit Ausnahme des (im Rahmen der rechtlichen Beurteilung) konstatierten Umstandes, daß die Angeklagten das tatgegenständliche Suchtgift illegal durch Schmuggel nach Österreich einführten und es durch Verkauf in Verkehr zu setzen suchten (US 12 und 13), findet sich im Urteil kein weiterer Hinweis auf ihr die Tatverwirklichung betreffendes Wissen und Wollen.

Zur Erfüllung des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG ist zumindest bedingter Vorsatz nötig, der sich auf alle Tatbildmerkmale, also auch auf die Menge des Suchtgiftes, beziehen muß. Der Täter muß überdies in seinen Vorsatz die Eignung der Suchtgiftmenge im Fall der Weitergabe in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, aufgenommen haben (Foregger-Litzka, SGG2, Erl VI; Leukauf-Steininger, Nebengesetze, zweites Ergänzungsheft 1985, Anm 5., beides zu § 12 SGG). Dazu muß im vorliegenden Fall auch noch kommen, daß die Täter die Tatverwirklichung in Beziehung auf die sogenannte "Übermenge" im Sinn des § 12 Abs 3 Z 3 SGG zumindest ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden verweisen zu Recht darauf, daß es dem zum Suchtgiftverbrechen lediglich eine Schilderung des äußeren Tatgeschehens enthaltenden Urteil in dieser Hinsicht an Feststellungen mangelt, wodurch die Überprüfung der Richtigkeit der Rechtsanwendung durch die Tatrichter gehindert wird.

Die unterlaufenen Feststellungsmängel begründen Nichtigkeit des Urteils nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO und erfordern deshalb die Aufhebung der davon betroffenen Schuldsprüche (A I und II, B) einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Strafaussprüche nach dem Suchtgiftgesetz (§ 12 Abs 3 und Abs 5 SGG) sowie jenem der Nebenstrafe des Verfalles nach § 13 Abs 3 SGG, des zur Beförderung des Suchtgiftes verwendeten Fahrzeugs und eine diesbezügliche Verfahrenserneuerung. Der (von den Angeklagten unangefochten gebliebene) Schuldspruch C nach § 35 Abs 1 FinStrG ist von einer solchen Nichtigkeit jedoch nicht betroffen, die dazu getroffenen Feststellungen (der illegalen Einfuhr des Suchtgiftes durch Schmuggel) enthalten, wenn auch knapp, so doch ausreichend, die notwendigen Konstatierungen auch zur subjektiven Tatseite.

Lediglich der Vollständigkeit wegen sei zur Rechtsrüge des Angeklagten Fevzi T***** darauf hingewiesen, daß infolge des Einschreitens eines "verdeckten Fahnders" keineswegs absolut untauglicher Versuch vorliegt (Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht3, § 12 SGG E 30 und 31).

Zu Recht releviert jedoch dieser Angeklagte Nichtigkeit der Strafaussprüche nach dem Finanzstrafgesetz gemäß § 281 Abs 1 Z 11 StPO. Das Schöffengericht hat bei der Strafbemessung zum Finanzvergehen den hohen Wert des geschmuggelten Suchtgiftes ausdrücklich auch als erschwerend gewertet (US 14). Da der Wert des Suchtgiftes auch die Höhe des Abgabenbetrages nach § 35 Abs 4 FinStrG und damit die Strafobergrenze bestimmt (Mayerhofer-Rieder, aaO, § 35 FinStrG E 3 und 4; sh dazu ON 25), verstößt seine ausdrückliche Heranziehung als besonderer Erschwerungsgrund gegen das Doppelverwertungsverbot und bewirkt damit Nichtigkeit dieses Strafausspruches im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (13 Os 178/86; vgl auch EvBl 1989/63). Dies kommt, wenn auch nicht gesondert geltend gemacht, ebenso dem Mitangeklagten Abdülkadir A***** zustatten, weswegen mit Rücksicht auf den Strafausspruch in diesem Fall gemäß § 290 Abs 1 StPO und damit insgesamt mit der Aufhebung der Strafaussprüche nach dem Finanzstrafgesetz vorzugehen war.

Die in den objektiven Tatfeststellungen begründete (sachbezogene) vorbeugende Maßnahme der Einziehung des tatgegenständlichen Suchtgiftes im Sinn des § 13 Abs 1 SGG (s auch § 16 Abs 3 SGG) war hingegen (auch bei Bedachtnahme auf die unausgeführte Beschwerde) unberührt zu belassen (vgl Leukauf-Steininger, aaO, Anm A; Foregger-Litzka, aaO, Erl I., beides zu § 13 SGG).

Im übrigen war wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

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