OGH 13Os197/85

OGH13Os197/8520.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.März 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Friedrich W*** und Othmar T*** wegen des Verbrechens des Raubs nach §§ 142 f StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Innsbruck vom 27.August 1985, GZ 20 Vr 4586/84-74, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, und der Verteidiger Dr. Pölzl und Dr. Leuthner, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Friedrich W*** und Othmar T*** wurden auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster, zweiter und dritter Fall) StGB schuldig erkannt. Sie haben am 7.Dezember 1984 in Innsbruck in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) dem Oskar N*** dadurch, daß sie ihm den Anorak teilweise vom Leib rissen, mit den Fäusten auf ihn einschlugen, W*** mehrmals mit einer Eisenstange auf seinen Kopf und auf seinen Rücken schlug, wodurch er schwer verletzt wurde, T*** ihm eine Schreckschußpistole vorhielt, und sie von ihm Geld verlangten, mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe Bargeld in der Höhe von 1.400 S und 500 DM geraubt. Die Angeklagten bekämpfen ihren Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerden; W*** macht die Nichtigkeitsgründe der Z 6 und 12, T*** jene der Z 5 und 6 des § 345 Abs. 1 StPO geltend.

Zur Beschwerde des Angeklagten Friedrich W***:

Zum Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO rügt dieser Angeklagte die Formulierung der ihn betreffenden Hauptfrage 1, weil darin nicht unterschieden werde, von wem die einzelnen Ausführungshandlungen gesetzt worden seien, und daher auch ihm angelastet werde, von Oskar N*** Geld verlangt zu haben, obwohl nach den Verfahrensergebnissen das Verlangen nach Geld nur von T*** gestellt worden sei. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers war es dem Schwurgerichtshof jedoch nicht verwehrt, in die für jeden Täter gesondert gestellten, auf Verübung eines Raubs in Gesellschaft eines Beteiligten gerichteten Hauptfragen auch jeweils jene Handlungen aufzunehmen, welche der andere der im einverständlichen Zusammenwirken agierenden Raubgenossen zur gemeinsamen Tatausführung gesetzt oder durch welche er am Tatort zur Tatbegehung des anderen fördernd beigetragen hat, zumal es den Geschwornen offen stand, im Fall einer Verneinung der Schuldfrage bezüglich eines Täters durch Ausschaltung der die Beteiligung mehrerer am Raub ausdrückenden Worte aus dem Text der den anderen Angeklagten betreffenden Frage (§ 330 Abs. 2 StPO) einen Widerspruch zu vermeiden (Mayerhofer-Rieder 2 , II/2, E Nr 30 zu § 317 StPO und E Nr 2 und 2 a zu § 330 StPO). Im übrigen ist für die rechtliche Beurteilung der Tat nicht entscheidungswesentlich, welcher der Raubgenossen oder ob beide vom Raubopfer Geld gefordert haben. Ein einverständliches Vorgehen der Angeklagten ist von den Geschwornen durch die Bejahung der beiden Hauptfragen (1 und 10) festgestellt worden. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Mangel der Fragestellung liegt daher nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Verfehlt ist auch der Beschwerdeeinwand des Angeklagten W***, die Geschwornen seien auf Grund unrichtiger Anwendung der rechtlichen Vorschriften über die Beteiligung zur Bejahung der Hauptfrage 1 gelangt. Voraussetzung für eine in diesem Zusammenhang erfolgreiche Geltendmachung des Nichtigkeitsgrunds des § 345 Abs. 1 Z 12 StPO ist nämlich, daß die Merkmale der strafbaren Handlung, deren ein Angeklagter schuldig erkannt worden ist, im Wahrspruch der Geschwornen keine Deckung finden. Eine Anfechtung des Wahrspruchs als solchen, der darin enthaltenen Konstatierungen und der diesen Konstatierungen zugrundeliegenden Beweiswürdigung, sowie eine Bezugnahme auf bestimmte Verfahrensergebnisse ist unstatthaft. Im vorliegenden Fall wurde von den Geschwornen als erwiesen angenommen, daß die Angeklagten W*** und T*** in Gesellschaft als Beteiligte durch ihr im Wahrspruch näher umschriebenes Tatverhalten dem Oskar N*** unter Anwendung einer Waffe Bargeld mit dem Vorsatz abgenötigt haben, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, sohin die Feststellung getroffen, daß auch der Angeklagte W*** nicht bloß mit Mißhandlungsvorsatz, sondern ebenfalls mit Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz gehandelt und - gleich, ob (auch) von ihm selbst oder nur vom Mitangeklagten T*** das Verlangen nach Geld expressis verbis zum Ausdruck gebracht worden ist - sich des Tatmittels der Gewalt gegen eine Person bedient hat, um das Tatopfer zur Herausgabe von Bargeld zu zwingen. Damit sind im Wahrspruch alle tatsächlichen Momente festgestellt worden, welche auch in bezug auf den Angeklagten W*** das Verbrechen des schweren Raubs nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (erster, zweiter und dritter Fall) StGB begründen; für die Annahme eines allein mit Mißhandlungsvorsatz bewirkten deliktischen Verhaltens des Beschwerdeführers bleibt auf der Basis dieses Wahrspruchs kein Raum.

Zur Beschwerde des Angeklagten Othmar T***:

Einen den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 5 StPO verwirklichenden Verfahrensmangel erblickt dieser Angeklagte in der Unterbrechung seines Verteidigers bei der Befragung des Zeugen Oskar N*** und in der Erteilung eines "Ordnungsrufes" während des Schlußvortrags durch den Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs. Abgesehen davon, daß die in der Verfahrensrüge relevierten Vorgänge aus dem maßgebenden Inhalt des ungerügten Hauptverhandlungsprotokolls nicht hervorgehen, wäre Voraussetzung für deren wirksame Geltendmachung ein förmlicher Antrag oder Widerspruch des Angeklagten oder seines Verteidigers. Sofern daher der Verteidiger vom Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs an einer erschöpfenden Erörterung der Beweis- und Rechtsfragen im Schlußvortrag oder an einer lückenlosen Befragung eines Zeugen gehindert worden sein sollte, hätte der Verteidiger hierüber einen Gerichtsbeschluß beantragen müssen. Inwieweit der Vorsitzende des Schwurgerichtshofs von seiner Sitzungspolizei Gebrauch macht, muß im Rahmen des § 345 Abs. 1 Z 5 StPO unerörtert bleiben. Als unzutreffend erweist sich aber auch der Beschwerdeeinwand des Angeklagten T***, die Qualifikationsmerkmale des § 143 StGB hätten nicht in eine einzige Hauptfrage aufgenommen werden dürfen, sondern zum Gegenstand einer gesonderten Fragestellung gemacht werden müssen (§ 345 Abs. 1 Z 6 StPO). Nach § 317 Abs. 2 StPO ist es dem Schwurgerichtshof nämlich grundsätzlich anheimgestellt, ob den Geschwornen eine auch die strafsatzändernden Tatumstände enthaltende einheitliche Hauptfrage vorgelegt wird oder ob in die Hauptfrage nur die gesetzlichen Merkmale des Grundtatbestands aufgenommen, die Qualifikationsmerkmale jedoch selbständigen Zusatzfragen vorbehalten werden (Mayerhofer-Rieder 2 , II/2, E Nr 8 zu § 316 StPO und E Nr 18 zu § 345 Abs. 1 Z 6 StPO). Auf die Möglichkeit einer Fragebeantwortung mit der Einschränkung, daß einzelne in der Frage enthaltene Qualifikationsumstände nicht vorliegen, sind die Geschwornen ausdrücklich hingewiesen worden (siehe S 9 der schriftlichen Rechtsbelehrung, Beilage 3 zum Hauptverhandlungsprotokoll, Band II, ON 73). Durch die Aufnahme der Deliktsqualifikationen der Raubgenossenschaft und der Begehung eines Raubs unter Verwendung einer Waffe, sowie der Erfolgsqualifikation der schweren Verletzung in die den Angeklagten T*** betreffende Hauptfrage 10 sind daher Vorschriften über die Fragestellung (§§ 312 bis 317 StPO) nicht verletzt worden.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Die Angeklagten wurden nach § 143, erster Strafsatz, StGB mit je

zehn Jahren Freiheitsentzug bestraft.

Bei beiden fielen deren zahlreiche einschlägige Vorstrafen, der jeweils sehr rasche Rückfall, die dreifache Tatqualifikation zum schweren Raub sowie der Umstand erschwerend ins Gewicht, daß die Tat mit besonderer Roheit begangen und das Opfer in Todesangst versetzt worden war. Mildernd wurde das jeweilige Teilgeständnis der Angeklagten, trotz ihres Alters von 27 und 34 Jahren zur Tatzeit auch ihre vernachlässigte Erziehung (vgl jedoch Leukauf-Steininger 2 , RN 5 zu § 34 StGB), bei W*** schließlich eine durch Epilepsie bedingte, geringe Wesensänderung in Anschlag gebracht.

Beide Angeklagten berufen gegen das Strafmaß.

Der Einwand W***, daß sein Vorsatz "vorzüglich" nur auf Mißhandlung gerichtet war, scheitert am Wahrspruch. Damit ist auch seinen weiteren Überlegungen, welche Strafe er für eine bloß schwere Körperverletzung zu erwarten gehabt hätte, der Boden entzogen. Abstrakte Vergleiche mit der gesetzlichen Mindeststrafe für Mord haben keinen Bezugspunkt zum vorliegenden Strafausspruch wegen schweren Raubs. Im übrigen war es W***, der äußerst brutal mit einer Eisenstange auf das Raubopfer eingeschlagen und selbst nach Ausfolgung der Beute seine Gewaltakte nicht beendet hat, sondern den Beraubten dazu zwingen wollte, sich niederzuknien, woraufhin dieser in der nicht unbegründeten Furcht, nunmehr erschlagen zu werden, die Flucht ergriff (II. Band S 554 f; 565, 557 f). Die vernachlässigte Erziehung wurde WOlF*** ohnehin zugute gehalten. Den "Staat" als "Haupterziehungsberechtigten (!)" zum Mitschuldigen zu erklären und deshalb eine mildere Beurteilung seines Verbrechens zu begehren läuft im Gegenteil geradezu auf das Verlangen nach einer möglichst intensiven pädagogischen Einwirkung in einem entsprechend langen Strafvollzug (§ 20 StVG) hinaus, bringt aber kein schuldminderndes Moment ins Spiel.

Der Angeklagte T*** meint, daß der angenommene rasche Rückfall im § 39 StGB aufgehe. Nun wurde aber diese Strafschärfungsvorschrift, obwohl deren Voraussetzungen bei beiden Angeklagten vorliegen, bei keinem von ihnen angewandt (§ 260 Abs. 1 Z 4 StPO). Der rasche Rückfall war daher gar wohl neben den Vorstrafen zusätzlich als erschwerend heranzuziehen. Sicherlich gehört zur Raubdrohung meist eine Einschüchterung des Opfers, die aber gewiß nicht in jedem Fall, wie hier, eine Steigerung bis zur Todesangst erfahren wird. Wurde doch Oskar N*** nicht nur bedroht, sondern zusätzlich massiver Gewalt ausgesetzt, sodaß er sogar fürchtete, erschlagen zu werden (II. Bd S 558, 565). Die Tat, nämlich den Raub, hat T*** nicht eingestanden, umsoweniger dieselbe bereut (II. Bd S 548, S 551). Daß er die angewendete Gewalt einbekannt und sich beim Opfer in der Hauptverhandlung entschuldigt hat, fällt alles in den schon vom Erstgericht genannten Milderungsgrund des Teilgeständnisses. Die Alkoholisierung wurde zutreffend bei keinem der Angeklagten als mildernd gewertet, weil beide seit langem Alkoholmißbrauch treiben und wissen, daß der Alkohol ihre Neigung zu Straftaten nicht hemmt, sondern fördert (Wolfsberger: ON 28; LG Innsbruck 26 Vr 2790/79, S 102; 26 Vr 663/83, S 12, 26 Vr 1792/77, S 26, 47; 26 Vr 2929/81, S 38, II; T***: ON 30). Für eine spontane und affektive Handlungsweise bietet der Geschehensablauf, der in mehreren Gewaltakten, verbunden mit einer längeren Verfolgung des Opfers bestand, keinen Anhaltspunkt. Wenn auch, wie der Berufungswerber meint, eine große Beute als Erschwernisgrund zu werten ist, ist darum eine (hier übrigens gar nicht so) geringe Raubbeute noch nicht als mildernd in Anschlag zu bringen. Auch hat T*** keinen untergeordneten Tatbeitrag geleistet; war doch er derjenige, der eine Schreckschußpistole dem verängstigten und geschlagenen Opfer vorhielt und das Geld in Empfang nahm. Die über die beiden Angeklagten in gleicher Höhe verhängten Freiheitsstrafen entsprechen durchaus ihrer jeweils gleich hohen Schuld, die sich im gewichtigen Unrechtsgehalt der Tat manifestiert. Eine Minderung der Strafen ist hier nicht vertretbar.

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