Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch des Angeklagten von der Anklage wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB und gemäß § 289 StPO im Schuldspruch des Angeklagten zu den Punkten II) 3) und 4) des Urteilssatzes wegen des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 298 Abs. 1 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Ernst A des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, 129 Z. 1 und 2 StGB und des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 298 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, von der weiteren Anklage wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1, zweiter Anwendungsfall, StGB hingegen gemäß dem § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.
In den vom Freispruch betroffenen Anklagefakten wird ihm von der Anklagebehörde zum Vorwurf gemacht, er habe in Schärding andere dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er sie gegenüber Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Schärding des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war, und zwar 1.) am 9.Jänner 1978 und am 1.Februar 1978 den Friedrich B durch die Behauptung, er sei an dem von ihm (A) zum Nachteil des Franz C verübten Eingewesen und 2.) am 9.Jänner 1978 den Friedrich B und den Ferdinand D durch die Behauptung, sie hätten im August 1976 a) in Andorf einen Einbruchsdiebstahl in eine Autowerkstätte begangen, wobei sie ca. 17.000 S bis 18.000 S erbeuteten, b) in Raab einen Einbruchsdiebstahl in einen Holzverarbeitungsbetrieb begangen, wobei sie einige tausende Schilling erbeuteten. Dieses - in seinen Schuldsprüchen unangefochten gebliebene - Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft in seinem freisprechenden Teil mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Nach den zur subjektiven Tatseite getroffenen Urteilsfeststellungen wußte der Angeklagte zwar, daß die inkriminierten Behauptungen falsch waren; er wollte aber nicht, daß Friedrich B und Ferdinand D der Gefahr behördlicher Verfolgung ausgesetzt werden, da es ihm nur darauf ankam, die Gendarmerie irrezuführen, und ihm bekannt war, daß sich die beiden Verdächtigten zu den angegebenen Tatzeitpunkten in Haft befanden, sodaß er sicher damit rechnete, daß ihnen 'nichts passieren' werde.
Diesen Ausspruch des Schöffengerichtes bezeichnet die Staatsanwaltschaft vor allem deshalb als im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO nichtig, weil sich das Erstgericht mit der Verantwortung des Angeklagten, er habe mit Nachforschungen und Erhebungen der Gendarmerie gerechnet, nicht auseinandergesetzt habe, und weil dieser Ausspruch im Urteil nur offenbar unzureichend begründet worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Mängelrüge kommt Berechtigung zu.
§ 297 Abs. 1 StGB erfordert in objektiver Hinsicht, daß der Täter einen anderen durch die wissentlich falsche Verdächtigung der konkreten Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, die auch eine bloß vorübergehende sein kann. Dazu genügen kurzfristige Verhaftungen oder der Aufklärung des Verdachtes dienende Vorerhebungen, auch ohne förmliche Einleitung eines Strafverfahrens (Regierungsvorlage eines Strafgesetzbuches; 30 d.Beil. zu den stenograph. Protokollen des Nationalrates XIII. GP., 446). Der Begriff der behördlichen Verfolgung ist - auch bei den gerichtlich strafbaren Handlungen - weiter als der der Gerichtsanhängigkeit nach dem § 58 Abs. 3 Z. 2 StGB Auch staatsanwaltliche Erhebungen ohne Einschaltung der Gerichte fallen jedenfalls darunter, soweit sie der überprüfung des fälschlich behaupteten Sachverhaltes dienen.
Auf der subjektiven Tatseite ist erforderlich, daß die Gefährdung des Verdächtigten vom zumindest bedingten Vorsatz des Täters (§ 5 Abs. 1 StGB) umfaßt ist, wobei er auch dann mit Gefährdungsvorsatz handelt, wenn er sicher damit rechnet, daß die Erhebungen letztlich zu keinem für den Verdächtigten nachteiligen Ergebnis und zur Widerlegung des Verdachtes führen werden.
So gesehen schließt der Umstand, daß der Angeklagte in dem Bewußtsein handelte, die beiden Verdächtigten seien zu den angegebenen Tatzeiten in Haft gewesen und könnten deshalb wegen der Tathandlungen, deren sie zu Unrecht bezichtigt wurden, jedenfalls nicht verurteilt werden, die Annahme eines Gefährdungsvorsatzes im Sinne des § 297 Abs. 1 StGB nicht aus. Wesentlich ist nur, ob der Angeklagte wußte oder es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, daß auf Grund seiner Falschbezichtigung gegen die Verdächtigten Schritte, die als behördliche Verfolgung im Sinne des § 297 StGB anzusehen sind, unternommen werden könnten.
Im vorliegenden Fall stellte das Erstgericht zum Freispruchsfaktum
1.) zwar fest, der Angeklagte habe nicht daran gedacht, Friedrich B durch die Beschuldigung, er wäre an dem von ihm (tatsächlich) begangenen Einbruchsdiebstahl zum Nachteil des Franz C (als Mittäter) beteiligt gewesen, in Form von Vernehmungen und Erhebungen des Sachverhaltes einer behördlichen Verfolgung aussetzen; es ließ jedoch die eigene Verantwortung des Angeklagten unberücksichtigt, wonach er dachte, Friedrich B könne bloß deshalb nichts passieren, weil er für den Einbruchsdiebstahl zum Nachteil des Franz C ein sicheres Alibi hatte (vgl. S. 46 d.A.), und folglich rechnete, daß auf Grund seiner Falschbezichtigung gegen diesen - zunächst - Erhebungen wegen Mittäterschaft an diesem Einbruchsdiebstahl gepflogen würden (vgl. S. 11 b d.A.), durch die sich der gegen ihn geäußerte Verdacht schließlich als unrichtig herausstellen werde. Diese einen (allenfalls bedingten) Gefährdungsvorsatz in bezug auf behördliche Verfolgungsakte im dargelegten Sinn des § 297 StGB nicht ausschließende Verantwortung des Angeklagten wurde vom Erstgericht mit Stillschweigen übergangen, sodaß sich der Vorwurf einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung insoweit als berechtigt erweist, zumal inhaltlich der Verhandlungsschrift auch die Angaben des Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter Gegenstand der Hauptverhandlung waren.
Bei der das Freispruchsfaktum 2) betreffenden Annahme, der Angeklagte habe mit (Verfolgungs-) Schritten gegen die Verdächtigten nicht gerechnet, ließ das Erstgericht seine Verantwortung, er habe sich gedacht, die Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Schärding würden beim Gendarmeriepostenkommando Raab nachforschen, ob Anzeigen vorlägen und dann die Wahrheit herausfinden (S. 47 d.A.), in ihrer Tragweite unerörtert. Denn diese Nachforschungen, erstreckten sich im konkreten Fall auch auf die Eruierung der angeblichen Tatorte in Begleitung des (dazu naturgemäß vernommenen) Angeklagten (siehe S. 31 und 32 d.A.) und führten sohin in Gegenwart des Angeklagten zu - ihm solcherart auch bewußt gewordenen -
behördlichen Verfolgungsakten im Sinne des § 297 Abs. 1 StGB, sodaß der Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten im gegebenen Zusammenhang eine offenbar unzureichende Begründung im Sinne des § 5 des § 281 Abs. 1 StPO darstellt.
Zufolge der aufgezeigten Begründungsmängel im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO ist eine Aufhebung des Urteils in seinem freisprechenden Teil und - angesichts der Subsidiaritätsklausel in der Bestimmung des § 298 Abs. 1 StGB - gemäß § 289 StPO auch im Schuldspruch des Angeklagten wegen des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 298 Abs. 1 StGB, dies jedoch nur, soweit diesem die Fakten zu den Punkten II/3) und 4) des Urteilssatzes zugrunde liegen, sowie demgemäß auch im Strafausspruch und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unumgänglich, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen, insbesondere auf die in der Annahme, der Angeklagte habe Erhebungen gegen die Verdächtigten 'geradezu erwartet', nicht von den Urteilskonstatierungen ausgehende und demnach nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge der Staatsanwaltschaft, bedurfte. Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
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