Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hansjörg B***** jeweils einer unbestimmten Zahl von Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (I/1) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I/2), ebenso vieler (weil in Idealkonkurrenz verwirklichter) Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (I/3) und mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er
I. in Graz, Innsbruck und Dornbirn in unzähligen Angriffen
1. von 1991 bis 1993 eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er die am 20. Mai 1986 geborene Michelle M*****, vormals Bianca P*****, im Brust- und Genitalbereich betastete sowie immer wieder den Finger in ihre Scheide einführte,
2. von 1993 bis 19. Mai 2000 mit einer unmündigen Person den (außerehelichen) Beischlaf unternommen, indem er an der am 20. Mai 1986 geborenen Michelle M*****, geborene Bianca P*****, den Geschlechtsverkehr vollzog,
3. durch die zu I. 1. und I. 2. geschilderten Tathandlungen mit einer minderjährigen Person, die als de facto Stiefkind seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung dieser Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen,
II. Michelle M*****, geborene Bianca P*****, mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, und zwar
1. von August bis Oktober 2004 in Graz in zwei Angriffen, indem er sie an den Handgelenken erfasste, niederdrückte und sodann an ihr den Geschlechtsverkehr vollzog,
2. im Winter 2004/2005 in Graz, indem er sie an den Handgelenken erfasste, in ein Gebüsch zog, zu Boden drückte, festhielt und sodann an ihr den Geschlechtsverkehr vollzog,
3. im Juli 2006 in Graz, indem er sie im Umkleideraum eines Restaurantbetriebs am Hals erfasste und würgte, sie gegen eine Wand drückte und sodann im Stehen an ihr den Geschlechtsverkehr vollzog.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten (Z 4) wurde der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf neuerliche Vernehmung der Zeugin Michelle M***** „im Hinblick auf die heutigen Zeugenaussagen der Gisela, Theresa und Silke P***** zum Beweis dafür, dass die verbleibenden Fakten der Anklageschrift nicht der Wahrheit entspringen, sondern offenkundig Erfindungen der Michelle M***** sind" (S 345/III), vom Erstgericht im Hinblick darauf abgelehnt, „dass die Zeugin berechtigt die Aussage verweigert" habe und „gerichtliche Vernehmungen" der Genannten unter Beteiligung des Angeklagten und des Verteidigers stattgefunden hätten (S 346/III; vgl ON 136).
Die dagegen von der Verfahrensrüge unter Hinweis auf eine Kommentarstelle (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 362) ins Treffen geführten Erwägungen betreffen Konstellationen, in denen die kontradiktorische Vernehmung eines (Belastungs-)Zeugen in Abwesenheit eines Verteidigers erfolgt ist, mit der allfälligen Konsequenz, dass in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen das im Schutz des Zeugen gelegene Beweismittelverbot (§ 156 Abs 1 Z 2 StPO; vgl Art 8 MRK) gegen das Verteidigungsinteresse an ergänzender Befragung zurückzutreten hat (ausführlich dazu Ratz aaO). Auf eine solche Konstellation bezog sich der Angeklagte mit seinem Antrag nicht. Die genannte Zeugin war übrigens je ein Mal kontradiktorisch und - im ersten Rechtsgang - in der Hauptverhandlung, jeweils unter Beiziehung auch des Verteidigers vernommen worden (ON 34, 112). Entgegen dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nahmen die Tatrichter durchaus auf die Aussagen der Zeugen Gisela, Silke und Theresa P***** Bedacht, maßen diesen Zeugen ein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem Angeklagten zu und hoben hinsichtlich der beiden Töchter die Erwägung hervor, dass diese „massiv von ihrem Vater beeinflusst" zu sein scheinen und die Zeuginnen „begünstigende Aussagen tätigten, die zum Teil abgesprochen wirkten", worauf sie eine vertiefende Argumentation folgen ließen (US 15 f). Angesichts dessen war eine noch weiter gehende Erörterung der Angaben der drei Zeuginnen der Beschwerdeauffassung zuwider nicht geboten.
Auch die Verurteilung der Zeugin M***** wegen Verleumdung sowie ihre Angaben zum Vorfall vom 4. Oktober 2006 wurden in den Entscheidungsgründen bedacht (US 10, 14).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Auf die in der Tatsachenrüge hervorgehobenen Beschuldigungen des Angeklagten durch Michelle M***** wegen eines von ihm nicht begangenen Diebstahls und des genannten Vorfalls vom 4. Oktober 2006 gingen wie erwähnt bereits die Tatrichter ein, ohne daraus Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin in Betreff der hier in Rede stehenden Vorfälle zu gewinnen.
Weder die Beschwerdehinweise auf diese Vorwürfe noch jene auf sonstige Verfahrensergebnisse, aus denen der Angeklagte eine Tendenz der Zeugin ableitet, ihn zu belasten, wecken erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht dar, welche Feststellungen zur inneren Tatseite über die ohnedies getroffenen hinaus (US 5 f, 9) vom Angeklagten noch vermisst werden.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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