Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit auf dem (einstimmigen) Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Wolfgang O***** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (I.), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (II.) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (III.) schuldig erkannt.
Ihm liegt zur Last:
I. am 2.Juni 1995 Sonja S***** durch Ertränken in einem Stausee vorsätzlich getötet;
II. das Mordopfer und zwei weitere Frauen widerrechtlich gefangen gehalten und ihnen die persönliche Freiheit auf eine solche Weise entzogen zu haben, daß sie ihnen besondere Qualen bereitete, und zwar:
1) Beim Mordopfer: vom 30.Mai 1995, ca 23.45 Uhr, bis 2.Juni 1995 abends dadurch, daß er es, als es einen PKW verlassen wollte, ins Fahrzeug zurückdrängte, mit einem Tuch knebelte, die Hände durch Verkleben mit Leukoplast auf den Rücken fesselte, es in seine Wohnung brachte, dort im gefesselten und über einen langen Zeitraum unbekleideten Zustand über zwei Tage gefangen hielt, mit dem gefesselten und unbekleideten Opfer, dem er auch die Augen verklebte, eine Fahrt mit seinem Campingmobil nach Großreifling unternahm, wo er es in weiterer Folge tötete;
2) bei einem weiteren Opfer vom 13.Juni 1995, 22.30 Uhr, bis 14.Juni 1995, 7.40 Uhr, dadurch, daß er ihm ein Tuch um den Hals legte, die Augen verklebte, es mit einem Tuch knebelte und an Armen und Beinen mit Handschellen fesselte, in weiterer Folge in seine Wohnung brachte und dort gefangen hielt;
3) sowie bei einem dritten vom 17.Juni 1995, 8.50 Uhr, bis 18.Juni 1995, 3.00 Uhr, dadurch, daß er es an den Oberarmen erfaßte, ihm die Arme auf den Rücken drehte, es zu Boden drückte, am Hals würgte, mit einem Papiertaschentuch und einem T-Shirt knebelte, in weiterer Folge mit einem Spagat fesselte, im Kofferraum seines PKWs verwahrte und mit ihm eine Fahrt über Linz in den Raum Wildalpen-Großreifling und zurück an den Attersee unternahm.
III. Ferner liegt ihm zur Last, seine Opfer zu II./2. und 3. auch mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes genötigt zu haben (jeweils durch die zu II. beschriebenen Handlungen sowie indem er das Opfer zu II./2. in seiner Wohnung auf eine Matratze drängte, ihm die Beine auseinanderzwängte und sein Glied in dessen Scheide einführte sowie zu II./3., indem er das Opfer zu Boden drängte, es würgte, gewaltsam entkleidete und sein Glied in dessen Scheide einführte).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten erhobene, auf § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 12 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Die Rüge der Fragestellung (Z 6) behauptet unter Hinweis auf die Gutachten der Sachverständigen Dr.F***** und insbesondere Dr.P*****, der beim Angeklagten eine geistig-seelische Abartigkeit höheren Grades festgestellt habe, eine Verletzung der Vorschrift des § 313 StPO und reklamiert eine Zusatzfrage in Richtung des § 11 StGB.
Zusatzfragen nach einem Strafaufhebungs- oder Strafausschließungsgrund sind gemäß § 313 StPO dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, die, werden sie als erwiesen angenommen, die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen würden.
Nun ist zwar der zweitgenannte Sachverständige bei der Beurteilung der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten im Zusammenhang mit der (etwaigen) Anwendung der in § 21 (2) StGB vorgesehenen Maßnahme (s. S 291/V) zur Ansicht gelangt, es liege eine geistig-seelische Abartigkeit höheren Grades vor (S 293/V). Zum Geisteszustand des Angeklagten im Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Taten fand sich jedoch kein Hinweis dafür, daß der Untersuchte während der ihm angelasteten Taten in seinen psychischen Funktionen durch eine akute Psychose, einen höhergradigen Schwachsinn oder eine sonstige schwere seelische Störung beeinträchtigt war (S 289 bis 293/V), die medizinischen Voraussetzungen einer Zurechnungsunfähigkeit wurden von diesem Sachverständigen ausdrücklich ausgeschlossen (s. S 293/V).
Dies stimmt mit den Gutachten der Sachverständigen Dr.F***** (S 183 bis 185/VI) und Dr.Q***** (S 41 und 43/V) überein, die ebenso zum Ergebnis gelangt waren, daß der Beschwerdeführer zu den Tatzeiten weder von einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche betroffen war, noch eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung oder eine schwere, einem dieser Zustände gleichwertige seelische Störung vorlag, sodaß es an Gründen fehlt, denen allenfalls eine die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit ausschließende Bedeutung zukommen könnte.
Auch in der Verantwortung des grundsätzlich seine volle Schuld erkennenden Angeklagten (S 83 f/V) wurden keine Tatsachen dafür vorgebracht, daß er zu den Tatzeiten unfähig gewesen wäre, das Unrecht seiner Taten einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Die von der Beschwerde reklamierte Zusatzfrage war somit nicht indiziert.
Die Instruktionsrüge (Z 8) bemängelt die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung als unvollständig und geeignet, sie zu beirren, weil zur Eventualfrage 1. keine Erklärung der gesetzlichen Merkmale einer fahrlässigen Tötung gegeben worden sei und sie auch eine nach Lage des Falles bedeutsame Abgrenzung des dolus eventualis von der bewußten Fahrlässigkeit vermissen lasse.
Die Rechtsbelehrung ist von den Geschworenen als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen, daher als Einheit und nicht nach ihren Teilstücken zu betrachten (Mayerhofer, StPO4, § 345 Z 8 E 50).
Der Beschwerdeführer verkennt, daß für die Beurteilung, ob eine Rechtsbelehrung hinsichtlich wesentlicher Rechtsbegriffe unvollständig im Sinne der Unrichtigkeit des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes und daher geeignet ist, die Geschworenen irrezuleiten, diese Belehrung nach ihrem gesamten Inhalt zu prüfen ist (Mayerhofer, aaO, E 49). Im vorliegenden Fall hat der Vorsitzende den Geschworenen die Vorsatzformen einschließlich der Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewußten Fahrlässigkeit (S 1 bis 3 der Rechtsbelehrung) in leicht faßlicher (und einer über den an sich ausreichenden Gesetzestext § 6 StGB, s. Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 ENr 31 a hinausgehenden) Form bereits zur Hauptfrage 1. erläutert. Demgemäß bedurfte es keiner Wiederholung dieser Ausführungen zur folgenden (für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I gestellten) Eventualfrage 1. nach dem Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (vgl Mayerhofer, aaO, E 53). Die behauptete Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung liegt somit nicht vor.
Die Subsumtionsrüge (Z 12) strebt eine Ausschaltung des Schuldspruches wegen Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB an, weil sich die Freiheitsentziehung einerseits als straflose Vortat zum Mord, andererseits jeweils als typische Begleittat der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB darstelle.
Abgesehen davon, daß eine Verurteilung nach der letztgenannten Gesetzesstelle gar nicht vorliegt, setzt Konsumtion voraus, daß eine wertabwägende Auslegung der konkurrierenden Tatbestände zu dem Ergebnis führt, daß der eine den deliktischen Unrechtsgehalt des anderen in sich schließt (Mayerhofer/Rieder, StGB4, § 28 E 16). Mehrere verschiedene Strafgesetze wegen mehrerer Handlungen treten miteinander derart in Wettbewerb, daß das eine die Anwendung des anderen ausschließt, weil dieses bereits den gesamten Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfaßt. Dies setzt im Falle der sogenannten straflosen Vortat, die freilich nicht wirklich straflos ist, weil sie durch die Bestrafung der Haupttat mitabgegolten wird, voraus, daß Vortat und Haupttat gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind. Schon dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu, weil einerseits eine strafbare Handlung gegen die Freiheit, andererseits jedoch eine solche gegen Leib und Leben angelastet wird.
Die im Wahrspruch festgestellten, in allen Fällen lang andauernden mit besonderen Qualen verbundenen Freiheitsentziehungen waren nach Abs 2 des § 99 StGB qualifiziert und schon deshalb zu § 201 StGB nicht subsidiär (Kienapfel BT3 § 99 Rz 36 ff, Wr.Komm § 99 RN 36, EvBl 1994/147) und außerdem keineswegs alleinige Begehungsmittel der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB.
Auch die Subsumtionsrüge muß damit scheitern.
Da das Gesetz nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde vorsieht, war nur die rechtzeitige und formgerechte Beschwerdeausführung der Entscheidung zugrunde zu legen. Auf die Eingabe des Angeklagten (vorgelegt mit Eingabe des Verteidigers vom 22. November 1995) konnte demnach nicht Bedacht genommen werden (Mayerhofer, aaO, § 285 E 36, 37, 40); abgesehen davon erfüllt sie nicht im mindesten die zeitlichen Voraussetzungen der §§ 285 (1), 344 StPO. Die zur Stellungnahme der Generalprokuratur abgegebene Äußerung (§ 35 (2) StPO) greift unzulässigerweise über den durch die Nichtigkeitsbeschwerde gezogenen Rahmen hinaus, was der mehrfache Rekurs auf Art 6 EMRK zeigt, obwohl die Nichtigkeitsgründe nach § 345 Abs 1 Z 2, 3 und 5 (der die Beobachtung von Art 6 EMRK auch sichert) StPO gar nicht Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde sind.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe und wertete dabei als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und die Tatwiederholungen bei den Verbrechen der Freiheitsentziehung und der Vergewaltigung, als mildernd hingegen die allzu strenge, lieblose Erziehung des Angeklagten und das Geständnis zu den beiden zuletzt bezeichneten Verbrechen.
Zugleich wurde der Angeklagte gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Die eine zeitliche Freiheitsstrafe anstrebende Berufung des Angeklagten macht unter Hinweis auf seine abnorme Persönlichkeit die Milderungsgründe nach § 34 Z 1 und 11 StGB geltend. Der von den Sachverständigen festgestellten neurotischen Persönlichkeitsstörung (S 35 und 291/V, 183/VI) kommt im vorliegenden Fall im Hinblick auf die auf sie zurückzuführende besondere Aggressivität des Angeklagten keine solche Bedeutung zu, daß sie den vom Erstgericht zu Unrecht angenommenen Milderungsgrund nach § 34 Z 1 letzter Fall StGB (sehr vernachlässigte Erziehung des Täters) aufwiegen könnte (Mayerhofer/Rieder, aaO, § 34 E 7). Bei dem zu den Tatzeiten im 39. Lebensjahr stehenden Angeklagten kann ein mangelnder oder fehlgerichteter erzieherischer Einfluß in den Zeiten seiner pädagogischen Formbarkeit nicht mehr als mildernd veranschlagt werden (Mayerhofer/Rieder, aaO, § 34 E 7 b ff). Im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungsgrundsätze ist aber auch die exemplarische Rücksichtslosigkeit der Vorgangsweise des Angeklagten gegen seine Opfer zu beachten (§ 32 Abs 3 StGB), sodaß eine Änderung der vom Geschworenengericht auf Lebensdauer verhängten Strafe in eine auf bestimmte Zeit nicht stattfinden kann.
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