OGH 13Os188/78

OGH13Os188/7811.1.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Loesch als Schriftführers in der Strafsache gegen Roland A und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 (Abs. 1 Z. 4) Abs. 2, 129 Z. 1 und Z. 2, 130 und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Roland A und die Berufung des Angeklagten Helmut B gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengerichtes vom 5.September 1978, GZ. 22 Vr 804/78-96, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es wird in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Roland A sowie gemäß dem § 290 Abs. 1

(zweiter Anwendungsfall) StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, soweit es diesen Angeklagten und den Angeklagten Franz C zu Punkt A/a/III/1 des Schuldspruchs nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128

(Abs. 1 Z. 4) Abs. 2, 129 Z. 1 und Z. 2, 130 und 15 StGB auch des Diebstahls einer Tasche (mit Dokumenten) im Wert von 200 S und eines Schecks über 21.022 S für schuldig erkennt und demzufolge auch in dem diese Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang dieser Aufhebung zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Roland A auf diese Entscheidung verwiesen.

Mit gesonderter Verfügung wird zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Helmut B ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt werden (§ 296 StPO).

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden u.a. die Angeklagten Franz C und Roland A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 (Abs. 1 Z. 4) Abs. 2, 129 Z. 1 und 2, 130 und 15 StGB (: Abschnitt A des Urteilssatzes), Franz C außerdem (zu Punkt B des Urteilssatzes) des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 und 2 StGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Dem Schuldspruch zu Punkt A a III 1 des Urteilssatzes liegt hiebei zugrunde, daß die beiden genannten Angeklagten am 18.September 1976 in Linz in Gesellschaft als Beteiligte der Christine D durch Einbruch in deren Wohnung einen Bargeldbetrag von zumindest 19.000 S, zwei Ringe im Werte von 3.000 S, eine Tasche (mit Dokumenten) im Werte von 200 S sowie einen (Bar-) Scheck über 21.022 S mit dem Vorsatz wegnahmen, sich durch die Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Angeklagten (auch insoweit) in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch oder Einsteigen ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen.

Nach dem ersichtlich zugrunde liegenden Urteilssachverhalt warf der Angeklagte Roland A in Gegenwart des Angeklagten Franz C den Scheck (nach vorherigem Zerreissen) und die Tasche noch in Tatortnähe weg. Franz C ließ dieses Urteil unangefochten.

Der Angeklagte Roland A hingegen bekämpft mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde den Schuldspruch laut Punkt A a III 1 des Urteilssatzes, und zwar insoweit, als auch die Wegnahme des Barschecks über 21.022 S in den Diebstahlsvorwurf einbezogen wurde, wobei sich der Beschwerdeführer allerdings der Sache nach außerdem gegen die Annahme einer diebischen Wegnahme der Tasche wendet.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt insofern Berechtigung zu, als der Beschwerdeführer zur subjektiven Tatseite Feststellungs- und Begründungsmängel geltend macht; diese Urteilsmängel betreffen in gleicher Weise den Angeklagten Franz C.

Auszugehen ist davon, daß ein im Tatzeitpunkt durch ein entsprechendes Guthaben gedeckter Barscheck - zum Unterschied zu unausgefüllten Scheckformularen (vgl. LSK. 1977/98) - als selbständiger Wertträger (und Wertpapier) an sich ein taugliches Diebstahlsobjekt (LSK. 1975/121) bildet, und zwar (was der Beschwerdeführer verkennt) unabhängig davon, ob nun der Dieb im konkreten Fall nach geschehener Wegnahme des Schecks dessen alsbaldige Verwertung, insbesonders durch Präsentation bei einem Bank- oder Kreditinstitut beabsichtigte, und ob eine solche Verwertung nach Lage des Falls überhaupt erfolgversprechend war. Vollendet ist auch hiebei der Diebstahl, sobald die Täter die tatsächliche Herrschaft über die Sache erlangt haben und der bisherige Gewahrsamsinhaber nicht mehr die faktische Macht hat, über die Sache zu verfügen, wie dies regelmäßig im Fall ihrer Verbringung aus den Räumlichkeiten oder dem sonstigen örtlichen Machtbereich des Bestohlenen zutrifft (LSK. 1977/9 u.a.).

Grundsätzlich vermag auch eine von den Tätern nach Sachwegnahme getroffene, selektierende Auswahl (nur) einzelner Beutestücke an einem im Zeitpunkt der Entziehung aller Sachen vorhandenen globalen Diebstahlsvorsatz, einschließlich Bereicherungstendenz, und damit an der einheitlichen rechtlichen Beurteilung der Tat als Diebstahl aller entzogener Sachen nichts zu ändern (LSK. 1976/12). Anders liegt der Fall hingegen, wenn ein solcher - globaler - Entschluß der Täter zur diebischen Wegnahme sämtlicher zunächst an sich genommener Sachen, bezogen auf den Zeitpunkt der Sachwegnahme, nicht festgestellt werden kann.

In solchen Fällen läßt das Strafgesetzbuch die Möglichkeit einer Aufspaltung der Tathandlung in einen vom Bereicherungsvorsatz der Täter getragenen diebischen Zugriff auf einzelne Beutestücke im Sinn der § 127 ff. StGB (vorliegend trifft dies jedenfalls auf den Bargeldbetrag und die Ringe zu) und in einen bloß zur dauernden Sachentziehung nach dem § 135 StGB führenden Zugriff auf weitere, von den Tätern in der Folge preisgegebene oder vernichtete Gegenstände aus der Beute (etwa auf ein die eigentliche Diebsbeute enthaltendes Behältnis - vgl. LSK. 1976/109 u.a.) zu; unter Umständen kann im Fall der Vernichtung oder Beschädigung von Urkunden, welche die Täter beim Zusammenraffen der Diebsbeute zunächst gleichfalls an sich nahmen, eine Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des § 229 Abs. 1 StGB in Betracht kommen (vgl. LSK. 1978/367).

Ob bzw. welche dieser - rechtlichen - Möglichkeiten im Anlaßfall (: Faktum A a III 1 des Urteilssatzes) hinsichtlich des Barschecks über 21.022 S und der von den Tätern gleichfalls weggeworfenen Tasche der Christine D vorliegend in Betracht kommen, kann wegen des Fehlens diesbezüglicher (zureichend begründeter) Urteilsfeststellungen über den genauen Ablauf des Tatherganges und, vor allem, zur subjektiven Tatseite der Angeklagten A und C derzeit nicht verläßlich beurteilt werden, zumal die - hier zur subjektiven Tatseite allein vorliegende - bloße Wiedergabe der verba legalia des § 127 StGB im Urteilsspruch nicht eine zureichende Feststellung über einen im Sinn des § 127 StGB erforderlichen Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz beinhaltet (Sst 46/78).

Das vom Angeklagten Roland A, ohne Widerspruch zu den Angaben der Zeugin Christine D, vorgebrachte einvernehmliche und prompte Wegwerfen des (vorher von ihm zerrissenen) Barschecks, weiters des Scheckheftes und der Tasche noch in Tatortnähe (s. Bd. II, S. 171 ff., 209; 206 ff. und 239 d.A.), sowie die von Roland A hiefür angegebene Motivation (Bd. II, S. 174 unten d.A.) bildeten jedenfalls im Sinn des § 270 Abs. 2 Z. 5

StPO erörterungsbedürftige Indizien dafür, daß die Angeklagten A und C die diebische Wegnahme derartiger Gegenstände nicht in ihren Vorsatz einbezogen haben könnten und daher diesfalls nicht mit dem erforderlichen Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz im Sinn des Tatbestandes des Diebstahls, möglicherweise aber (hinsichtlich der Tasche) mit einem auf dauernde Sachentziehung gerichteten Vorsatz gehandelt haben.

Diese dem Ersturteil mithin zur inneren Tatseite anhaftenden - vom Angeklagten Roland A gerügten -

Feststellungs- und Begründungsmängel lassen nach dem Gesagten eine abschließende rechtliche Beurteilung der in Rede stehenden Sachwegnahmen nicht zu und machen eine teilweise Verfahrenserneuerung erforderlich.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu erkennen.

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