OGH 13Os175/94(13Os176/94, 13Os177/94)

OGH13Os175/94(13Os176/94, 13Os177/94)30.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.November 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hradil als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas G***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 3 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert K***** und die Berufungen der Angeklagten Thomas G***** und Robert K***** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 24.Mai 1994, GZ 2 b Vr 176/94-15, sowie die Beschwerden der beiden Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil verkündeten und ausgefertigten Widerrufsbeschluß nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Zehetner, der Angeklagten Thomas G***** und Robert K***** und der Verteidiger Dr.Romauch und Dr.Fleischmann zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen und den Beschwerden wird nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Thomas G***** und Robert K***** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 3 StGB, Thomas G***** überdies des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie in der Justizanstalt Gerasdorf ihren Mithäftling Thomas S*****

A. vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1. Thomas G***** allein am 19.Oktober 1993 durch mehrere Schläge, wobei S***** multiple Hämatome im Bereich der Ohren erlitt,

2. Thomas G***** und Robert K***** am 20.Oktober 1993 im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in dem sie S***** mit Zigaretten Verbrennungen am Oberkörper und damit besondere Qualen, zufügten;

B. Thomas G***** allein am 19.Oktober 1993 durch Schläge und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben genötigt, Kot zu essen und es zu dulden, daß er ihm in den Mund urinierte.

Seinen Schuldspruch bekämpft K***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5 a, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund (Z 3) macht er geltend, er sei über die in seiner Abwesenheit gemachte Aussage des Mitangeklagten nicht im Sinne des § 250 Abs 1 StPO in Kenntnis gesetzt worden.

Demgegenüber ergibt sich jedoch aus dem formell ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll, daß K***** nach Abschluß seiner eigenen Vernehmung die in Gegenwart seines Verteidigers abgelegte, ihn nicht belastende (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr 10 zu § 250) Verantwortung des Erstangeklagten (= Thomas G*****) zusammengefaßt (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 5) mitgeteilt worden ist (AS 124).

Mit seiner Mängelrüge (Z 5) moniert der Beschwerdeführer zunächst, das Schöffengericht hätte eine Begründung für die (rechtliche) Annahme, daß durch die festgestellten Brandverletzungen besondere Qualen zugefügt wurden, unterlassen.

Mit diesem Nichtigkeitsgrund können aber Mängel bei der Entscheidung einer Rechtsfrage nicht geltend gemacht werden (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 129 zu § 281 Z 5).

Im weiteren Vorbringen zur Mängelrüge versucht der Beschwerdeführer durch Herausgreifen einzelner Teile der Aussage des Thomas S***** dessen Glaubwürdigkeit zu erschüttern, ohne daß hiedurch Begründungsmängel formaler Natur im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt werden. Denn das Erstgericht hat ausreichend dargetan (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), warum es dieser Aussage grundsätzlich Glaubwürdigkeit zubilligte und damit die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachtete (AS 155). Berücksichtigt man den Druck, unter welchem der Zeuge bei der Tat gestanden ist, so sind die in der Beschwerde zitierten bloßen Unebenheiten durchaus erklärbar.

Einer getrennten, exakten Zuordnung der einzelnen Verletzungen auf die jeweiligen Täter bedurfte es nicht, weil das Schöffengericht, gedeckt durch die Aussagen des Opfers (AS 132, 136 f), bewußtes und gewolltes Zusammenwirken der Angeklagten bei ihrer Tatausführung, also Mittäterschaft, angenommen hat.

Nicht aktenwidrig oder unbegründet ist auch der Ausspruch, dem Angeklagten Robert K***** seien Delikte mit Gewaltbezug nicht wesensfremd, weil er - entgegen der Beschwerde - bereits wegen des Vergehens der Körperverletzung und anderer Gewaltdelikte verurteilt wurde (siehe Strafregisterauskunft).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erzeugen. Der Beschwerdeführer greift vielmehr neuerlich nur Teile der Aussage des Zeugen S***** heraus, ohne auf die gesamte Aktenlage abzustellen. Die Brandverletzungen des Opfers wurden von einem Arzt objektiviert (AS 29), sie stehen mit dem festgestellten Tathergang durchaus im Einklang.

Mit seiner Rechtsrüge (Z 10) bekämpft der Beschwerdeführer die Qualifikation des § 84 Abs 2 Z 3 StGB, weil jede Körperverletzung mit Schmerzen oder Qualen verbunden sei, letztere jedoch ein besonderes Ausmaß nicht erreicht hätten.

Der Ausdruck "besondere Qualen" der zitierten Gesetzesstelle bezeichnet starke körperliche oder seelische Schmerzen, die das Opfer nach Intensität und Dauer außergewöhnlich schwer treffen. Maßgebend ist also eine Kombination zweier Elemente: Erhebliche Intensität der physischen und/oder psychischen Beeinträchtigungen einerseits sowie eine - allenfalls durch wiederholte Schmerzzufügungen ausgefüllte - gewisse Dauer dieser Beeinträchtigung müssen so zusammentreffen, daß das Opfer dadurch insgesamt außergewöhnlich belastet ist. Diese besonderen Qualen müssen bereits mit der Tatverwirklichung als solcher verbunden sein (Leukauf-Steininger Komm3 RN 24 zu § 84 StGB).

Am 20.Oktober 1993 fügten die Angeklagten S***** - der von G***** schon am Vortag gedemütigt (B) und verletzt worden war (A, 1) - mit glühenden Zigaretten mindestens fünf Brandwunden am Oberkörper, darunter auch an beiden Brustwarzen zu. Allein aus diesem Tatablauf ergibt sich, daß S***** für eine erhebliche Zeitspanne enormen körperlichen und seelischen Schmerzen ausgesetzt war. Berücksichtigt man zudem, daß der Zeuge in einem verschlossenen Haftraum zwei Angreifern hilflos ausgeliefert gegenüberstand und das Verbrennen unter anderem sehr empfindsame Körperteile betraf, so erreichte sowohl die physische als auch die psychische Beeinträchtigung des Opfers ein Ausmaß, das die Intensität üblicher Körperverletzungshandlungen bei weitem übersteigt und ihn daher außergewöhnlich schwer traf. Dazu kommt, daß die Angeklagten - wie das Urteil klar zum Ausdruck bringt - bewußt sadistisch, mit einem auf die Zufügung von Verletzungen unter besonderen Qualen gerichteten Vorhaben gehandelt haben.

Dem Schöffengericht ist daher kein Fehler in der rechtlichen Beurteilung der Tat (A, 2) unterlaufen.

Auch die Strafzumessungsrüge (Z 11) ist nicht im Recht.

Soweit der Beschwerdeführer die unrichtige Heranziehung von Erschwerungsgründen, die Nichtberücksichtigung weiterer Milderungsgründe und die Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht nach "§ 42 StGB" (gemeint: § 43 Abs 1 StGB) bzw § 43 a StGB rügt, bekämpft er damit nur einen dem Schöffengericht eingeräumten Ermessensbereich, ohne aufzeigen zu können, daß das Gericht für den Strafausspruch Kriterien herangezogen hätte, die den im Gesetz normierten Strafzumessungsvorschriften in unvertretbarer Weise widersprechen würden.

Zu Unrecht wendet sich die Beschwerde schließlich gegen die Nichtanwendung der §§ 31, 40 StGB in bezug auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3.März 1994, AZ 5 d E Vr 15182/93, weil im genannten Urteil bereits eine Zusatzstrafe zu der Verurteilung des Angeklagten durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 30.September 1993, AZ 5 d E Vr 10787/93 verhängt wurde, die jetzt zur Aburteilung gelangten Straftaten liegen aber alle nach diesem Zeitpunkt (Leukauf-Steininger Komm3 RN 15 zu § 31 StGB).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten nach § 84 StGB, Thomas G***** unter Anwendung von § 28 StGB und § 15 Z 4 JGG, beide Angeklagten gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf Vorurteile (bei G***** auf das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 25.Jänner 1994, 2 b EVr 8/94 und K***** auf jenes des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.November 1993, 13 U 716/93) zu je vier Monaten zusätzlicher Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend bei beiden Angeklagten die mehrfachen einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall sowie die Delinquenz bei anhängigen Verfahren und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, mildernd bei G***** das Teilgeständnis, die teilweise Beeinträchtigung durch Suchtmittel und die teilweise Schadensgutmachung, bei K***** das Alter unter 21 Jahren.

Zugleich wurden bedingte Strafnachsichten, bei G***** zu 2 b EVr 303/93 und 2 b Vr 377/93 (im Urteil irrtümlich 317/93) von Freiheitsstrafen von zehn Wochen und achtzehn Monaten, bei K***** zu 3 a EVr 1532/92, von acht Monaten Freiheitsstrafe, alle Urteile des Jugendgerichtshofes Wien, widerrufen.

Die Berufungen der Angeklagten gegen die Strafaussprüche sowie ihre Beschwerden gegen den Widerruf bedingter Strafnachsichten sind nicht begründet.

Der Berufung des Angeklagten Robert K***** ist wohl zuzubilligen, daß das Erstgericht den Umstand, daß er unter Einwirkung eines Dritten handelte, unter den Milderungsgründen nicht ausdrücklich angeführt hat. Angesichts der Angaben des Opfers (S 131, 132) kann jedoch keine Rede davon sein, daß er an der ihm angelasteten schweren Körperverletzung nur in untergeordneter Weise beteiligt gewesen wäre. Die Verfahrensergebnisse bieten auch keinen Anhaltspunkt dafür, er hätte bei der gemeinsam mit G***** verübten Straftat auf diesen mäßigend eingewirkt. Unter Berücksichtigung des massiv einschlägig getrübten Vorlebens des Angeklagten kann daher trotz der Unterlassung der Anführung eines Milderungsgrundes durch das Schöffengericht eine Strafherabsetzung nicht erfolgen. Der Umstand, daß bei diesem Angeklagten in der Vergangenheit wiederholt von der bedingten Strafnachsicht Gebrauch gemacht wurde und trotz einschlägigen Rückfalles Verlängerungen der Probezeiten erfolgten, läßt keineswegs die Erwartung zu, er werde sich nunmehr bei bloßer Strafdrohung in Zukunft wohlverhalten. Angesichts des Strafmaßes ist auch der vom Erstgericht ausgesprochene Widerruf bedingter Strafnachsicht in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten, um weitere strafbare Handlungen durch ihn hintanzuhalten. Der Umstand, daß die Straftat von ihm in der besonderen Situation der Anhaltung während eines Strafvollzuges begangen worden ist, rechtfertigt keinesfalls ein Absehen vom Widerruf.

Die Berufung des Angeklagten Thomas G***** vermag weitere Milderungsgründe nicht aufzuzeigen. In seinem Fall hat das Schöffengericht die Strafzumessungsgründe vollständig erfaßt und ihrem Gewicht entsprechend gewürdigt. Unter Bedachtnahme seines schwer einschlägig getrübten Vorlebens und der auch bei ihm in der Vergangenheit wiederholt angewandten bedingten Strafnachsicht (mit anschließender Probezeitverlängerung trotz einschlägigen Rückfalls) kann weder eine Herabsetzung der Strafe noch deren neuerliche bedingte Nachsicht erfolgen. Gründe für die Annahme, bei nunmehriger bloßer Strafdrohung im vorliegenden Fall werde sich der Angeklagte in Zukunft wohlverhalten, können nicht gefunden werden. Vielmehr ist es auch bei ihm in Anbetracht der neuerlichen strafbaren Handlung und der dafür ausgesprochenen Strafe geboten, die bedingten Strafnachsichten zu widerrufen und die Strafen zu vollziehen, um eine entsprechend abhaltende Wirkung auf ihn auszuüben.

Die Rechtsmittel der Angeklagten mußten daher zur Gänze versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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