OGH 13Os170/97

OGH13Os170/9721.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Jänner 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Poech als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Milomir J***** wegen des Verbrechens nach §§ 12 Abs 1 und 2 SGG, 12 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 8.Juli 1997, GZ 14 Vr 208/97-61, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftig gewordene Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurde Milomir J***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 vierter Fall und Abs 2 erster Fall SGG, teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er (hier zusammengefaßt wiedergegeben) in der Zeit von Jänner 1996 bis Februar 1997 in Sattledt und anderen Orten Österreichs den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in einer großen Menge (zumindest 239 Gramm Reinsubstanz Amphetamin sowie Kokain) teils in Verkehr gesetzt, teils zum Inverkehrsetzen durch einen Suchtgiftlieferanten beigetragen, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, indem er mehr als 5 Gramm Kokain sowie (Fakten 1 a, 2 bis 10 und 12 bis 15) 3.066 Ecstasy-Tabletten mit dem Wirkstoff "MDE" (= 3,4-Methylendioxy-N-Ethylamphetamin) an Dritte ver- kaufte, den Verkauf vermittelte bzw diese Tabletten im Tausch einem Dritten überließ.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Milomir J***** mit einer auf die Z 4, 5, 5 a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der allerdings keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet eine Verletzung der Verteidigungsrechte dadurch, daß das Erstgericht den Antrag des Angeklagten auf Vernehmung der Zeugen Karl S*****, Markus K*****, Michael E***** und Andreas W***** zum Beweis dafür, daß der Angeklagte in einem noch festzustellenden Zeitraum an noch festzustellenden Orten kein Kokain, Ecstasy und andere Suchtgifte verkauft habe, sowie seinen Antrag auf Beischaffung der Aufzeichnung der Firma R***** über seine Präsenz an diesem Arbeitsplatz zum Beweis dafür, daß er nicht an jedem Wochenende in der Diskothek "N*****" oder in anderen angesprochenen Lokalen in Oberösterreich aufhältig war und somit kein Suchtgift verkaufen konnte, abwies.

Damit wurden jedoch weder Gesetze noch Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet: Zutreffend hielt das Erstgericht im Zwischenerkenntnis fest, daß aus der angestrebten Beweisaufnahme erst geklärt werden sollte, ob daraus eine Förderung der Wahrheitsfindung zu erwarten wäre, wurden doch in dem - auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis abzielenden - Antrag weder zeitliche noch örtliche Anhaltspunkte dafür gegeben, daß durch die angestrebten Beweisergebnisse ein Ausschluß der Täterschaft des Angeklagten zu konkreten Tatvorwürfen möglich wäre; eine hiefür überdies notwendige lückenlos erfolgte Überwachung des Angeklagten haben der Beweisantrag (und die Beschwerde) auch gar nicht behauptet.

Die Mängelrüge (Z 5) meint, ein unlösbarer Widerspruch liege in den Feststellungen Seite 7 Absatz 3 bis Seite 10 Absatz 1 des Urteils, der Angeklagte habe im Zeitraum November 1995 bis Februar 1997 744 Stück Ecstasy-Tabletten an dort näher bezeichnete bzw unbekannte Personen verkauft bzw gratis abgegeben, mit der weiteren Konstatierung des Verkaufs von 2.300 Stück Ecstasy-Tabletten im Jänner 1996 bis Februar 1997; die angeblich an einzelne Personen verkauften Mengen wären von den 2.320 Stück Ecstasy-Tabletten jedenfalls mitumfaßt.

Dieses Vorbringen zeigt keinen Begründungsmangel auf, sondern läßt vielmehr die weiteren Urteilsfeststellungen zu den Schuldsprüchen insbesondere US 10 Absatz 2, 3 und 4 sowie zu Teilfreisprüchen (siehe US 21 unten) außer acht und bekämpft im Ergebnis - sowie auch mit den "unstatthaften Vermutungen zu Lasten des Angeklagten" und damit eine unzureichende Begründung behauptenden Ausführungen der Mängelrüge die tatrichterliche Beweiswürdigung, die im Nichtigkeitsverfahren gegen Urteile von Kollegialgerichten jedoch einer Diskussion entzogen ist.

Gleiches gilt für die Tatsachenrüge (Z 5 a), welche keine erheblichen, sich aus den Akten ergebenden Mängel gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen aufzeigt, sondern sich in Beweiswerterwägungen über Zeugenaussagen zu verkauften Suchtgiftmengen und den Reinheitsgrad der Ecstasy-Tabletten (siehe US 23) ergeht und solcherart den Nichtigkeitsgrund nicht prozeßordnungsgemäß darstellt.

Letztlich ist auch die Strafbemessungsrüge (Z 11) unberechtigt, weil in der Berücksichtigung der Suchtgiftmenge bei der Ausmessung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens weder ein Rechtsfehler noch ein unvertretbarer Verstoß gegen Strafzumessungsgrundsätze, vielmehr eine zutreffende Wertung nach § 32 StGB zu erblicken ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d StPO), sodaß über seine außerdem erhobene Berufung sowie über jene der Staatsanwaltschaft das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden hat (§ 285 i StPO).

In ihrer Stellungnahme zur Nichtigkeitsbeschwerde führt die Generalprokuratur aus "sich für den gemäß § 285 c Abs 2 StPO anzuordnenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung" (der aber gemäß § 285 c Abs 1 iVm § 285 d Abs 1 StPO entfiel) "die Befugnis nach § 362 Abs 1 (Z 1) StPO vorzubehalten" (wobei aber die Ausübung des Rechts nach § 362 StPO keines Vorbehalts bedarf).

Bei der Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde ergaben sich jedoch keine erheblichen Bedenken gegen die vom Erstgericht ausdrücklich unter Bezugnahme auf verschiedene (teils auch aktenmäßig zitierte) Gutachten (s. US 22, 24, vgl. auch 461/I) getroffenen Tatsachenfeststellungen, daß im vorliegenden Fall "eine Molekülverbindung der nach dem Anhang V der Suchtgiftverordnung ausdrücklich verpönten Substanz MDA" vorlag und die Tabletten "0,078 Gramm reines Amphetamin pro Tablette" enthielten, "der Angeklagte somit mehr als 239 Gramm reines Amphetamin in Verkehr setzte", weil die Aufnahme von MDE durch BGBl II 177/1997 in Anhang V der Suchtgiftverord- nung 1979 auch durchaus der allgemeinen Klarstellung eines - bis dahin weitgehend nur - Sachverständigen bekannten Umstandes dienen konnte.

Insgesamt war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt:

Soweit die Ausführungen der Generalprokuratur auf die Entscheidung 14 Os 181,182/96 verweisen, gehen sie deshalb ins Leere, weil in dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren MDE als "eine Art Äther" des Amphetamin, des MDA, des MDMA und des MMDA festgestellt wurde, welche Umschreibung den Anhängen IV und V der Suchtgiftverordnung nicht entsprach, demnach diese Konstatierung den Schuldspruch nicht zu tragen vermochte, und die Kassation auf Grund diesbezüglich erhobener Nichtigkeitsbeschwerden zur Schaffung einer (im hier vorliegenden Verfahren jedoch ausreichend vorhandenen und auch nicht erheblich bedenklichen) den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Tatsachengrundlage erforderlich war.

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