OGH 13Os170/94

OGH13Os170/9430.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. November 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Mag. Strieder, Dr. Mayrhofer und Dr. Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hradil als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ali Haydar G* wegen des Finanzvergehens der teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben nach §§ 35 Abs 2, 38 Abs 1 lit a sowie 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie dessen Einspruch gegen das Abwesenheitsurteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 27. Juni 1994, GZ 34 b Vr 913/91‑26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0130OS00170.9400000.1130.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Einspruch gegen das Abwesenheitsurteil und die Nichtigkeitsbeschwerde werden zurückgewiesen.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ali Haydar G* in Abwesenheit des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben als Beteiligter nach §§ 35 Abs 2, 38 Abs 1 lit a sowie 11 (dritter Fall) und 13 FinStrG schuldig erkannt.

Ihm wurde angelastet, von Mai bis September 1987 vorsätzlich unter Verletzung der in § 52 ZollG und § 119 Abs 1 BAO normierten abgabenrechtlichen Offenlegungs‑ und Wahrheitspflicht gewerbsmäßig zur Verkürzung von Eingangsabgaben dadurch beigetragen bzw dies versucht zu haben, daß er als bevollmächtigter Versender von türkischen Teppichen an österreichische Empfänger unterfakturierte Rechnungen ausstellte und diese den Bediensteten der mit der Verzollung beauftragten österreichischen Post‑ und Telegrafenverwaltung sowie der Spedition S* zur Verzollung übergab, und zwar

(1.) in 22 Fällen anläßlich des Versandes von 26 Teppichen durch Unterfakturierung des Kaufpreises von über 348.800 S auf über 120.000 S (Abgabenbetrag: 41.811 S) sowie

(2.) in 28 Fällen anläßlich des Versandes von 41 Teppichen durch Unterfakturierung des tatsächlichen Kaufpreises von über 395.000 S auf 97.704 S (Abgabenbetrag: 65.801 S), wobei es durch die Entdeckung im Zuge der zollamtlichen Abfertigung beim Versuch geblieben war (2.).

Sowohl der gegen dieses Abwesenheitsurteil erhobene Einspruch als auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagen.

Ali Haydar G* war zum Tatverdacht (nach Zustellung der Anklageschrift im Rechtshilfeweg durch das Amtsgericht Tiergarten, Berlin) vernommen worden (S 81 bis 85). Die Ladung zur für den 27. Juni 1994 anberaumten Hauptverhandlung wurde ihm persönlich zugestellt (S 111). Bei der zur bestimmten Zeit durchgeführten Hauptverhandlung erklärte der Verteidiger des unentschuldigt ferngebliebenen Angeklagten, dieser sei mehrfach aufgefordert worden, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, sei dieser Aufforderung aber nicht nachgekommen. Die Hauptverhandlung konnte deswegen gemäß § 427 StPO in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden (ON 25).

In seinem (fristgerechten) Einspruch gegen das Abwesenheitsurteil bringt der Angeklagte vor, er habe beabsichtigt, an der Hauptverhandlung persönlich teilzunehmen, habe jedoch am 18. Juni 1994 überraschend in die Türkei verreisen müssen, um seine schwer erkrankte Mutter zu besuchen, mit deren Ableben gerechnet werden mußte, wovon er erst am 1. Juli 1994 zurückgekehrt wäre. Zum Nachweis dafür legte er eine Ablichtung von vier Seiten eines Reisepaßformulares vor und berief sich ferner auf erst beizubringende ärztliche Bestätigungen sowie Aussagen anderer Angehöriger. Ein für den Angeklagten nach dem vorgebrachten Abreisedatum möglicher Vertagungsantrag (für die mehr als eine Woche darnach anberaumte Hauptverhandlung) wurde nicht gestellt.

Gemäß § 427 Abs 3 StPO ist dem Einspruch stattzugeben, wenn nachgewiesen wird, daß der Angeklagte durch ein unabweisbares Hindernis abgehalten wurde, in der Hauptverhandlung zu erscheinen. Die vorgelegte Ablichtung vermag dies aber nicht nachzuweisen. Aus ihr können lediglich zwei Stempelabdrucke in türkischer Sprache in verschiedenen Rubriken eines Reisepaßformulares mit den Daten 18‑6‑94 und 1.7‑94 ersehen werden (wobei die den Monat bezeichnende Ziffer "7" des zweiten Stempelabdruckes nur sehr undeutlich gelesen werden kann). Die als unabweisbares Hindernis vorgebrachte lebensbedrohliche Erkrankung der Mutter des Angeklagten bleibt bloß behauptet und wird nicht, wie das Gesetz dies erfordert (§ 427 Abs 3 Satz 3 StPO), nachgewiesen (Mayerhofer‑Rieder, StPO3, § 427 E 42). Damit liegt aber auch nach Lage des Falles kein für das zur Einspruchsentscheidung zuständige Gericht brauchbares Beweisanbot vor.

Der Einspruch war somit zurückzuweisen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten stützt sich auf § 281 Abs 1 Z 5 a (in der Beschwerde irrtümlich § 345) StPO. Die Tatsachenrüge ist jedoch nicht begründet.

Darin wird vorgebracht, das Schöffengericht habe seine Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit verletzt, weil es nicht der Verantwortung des Angeklagten weiter nachgegangen sei, die Rechnungen auf Grund ihm übergebener Unterlagen im wesentlichen nur aus Gefälligkeit ausgestellt zu haben. Soweit offene, noch einzukassierende Restbeträge die Summe der von ihm ausgestellten (Gesamt‑)Rechnungen überstiegen hätten, wäre ihm von seiten des die Teppiche liefernden türkischen Unternehmens erklärt worden, diese Kunden hätten bereits in der Türkei Seidenteppiche erworben und im Reisegepäck mitgenommen.

Das Erstgericht hat seine Feststellungen auf die Verantwortung des Angeklagten und die Erhebungsergebnisse des Zollamtes gegründet. Mit dem Umstand, es wäre ihm eine plausible Erklärung dafür gegeben worden, daß die von ihm eingehobenen Restzahlungen wesentlich höher waren als die zur Verzollung angegebenen Werte (US 10), hat sich der Angeklagte nie verantwortet, sondern dazu lediglich erklärt, dies sei ihm niemals aufgefallen (S 83). Mit dieser Verantwortung hat sich das Erstgericht eingehend auseinandergesetzt und sie (als unglaubwürdig) zurückgewiesen (US 10 und 11). Soweit sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang erstmals auf Erklärungen des Teppichverkäufers über von den Kunden noch zusätzlich erworbene und bereits mitgenommene Seidenteppiche bezieht, werden keine sich aus den Akten (§ 281 Abs 1 Z 5 a StPO) ergebende Umstände, sondern insoferne im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Neuerungen geltend gemacht. Umstände, die nach der Aktenlage erhebliche Bedenken gegen die Lösung der Tatfrage durch das Schöffengericht hervorrufen könnten, vermag die Beschwerde aber nicht vorzubringen.

Sie war daher infolge ihrer Berufung auf verfahrensfremde Umstände als nicht gesetzmäßig ausgeführt schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO).

 

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