Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf acht Monate herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27.Juli 1910 geborene Wirtschaftsberater Rudolf A des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2
StGB. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, im Juni 1979 in Wang Rosa B zur Überlassung eines Betrags von 30.000 S aus einem Versicherungsanspruch ihres minderjährigen Sohns Hermann B durch Täuschung über seine Bereitschaft zur (späteren) Herausgabe des Gelds verleitet zu haben, wodurch Hermann B um diesen Betrag geschädigt wurde.
Nach den Urteilsfeststellungen führte der Angeklagte seit dem Jahr 1978 für die Familie B aus Wang eine Umschuldung durch, mittels welcher eine Zwangsversteigerung von Liegenschaften vermieden werden konnte, und regelte auch andere Angelegenheiten. Für diese Tätigkeiten und damit entstandene Spesen hatte er von der Familie B, die sich in einer sehr schlechten finanziellen Lage befand, keine Entschädigung erhalten. Im Mai 1979 wurde A von den Ehegatten B als den gesetzlichen Vertretern ihres am 9.April 1961 geborenen Sohns Hermann B mit der Abwicklung eines diesem (aus einem im Jahr 1977 erlittenen Verkehrsunfall) gegen die E-Ver- ngs-AG.
sicherungs-AG. zustehenden Versicherungsanspruchs betraut, mit dessen Durchsetzung schon zuvor Rechtsanwalt Dr. C aus Melk beauftragt gewesen war. A übernahm die Bearbeitung des Falls schon 'mit der Absicht', vom Geld des Minderjährigen 30.000 S zur Abdeckung ihm gegen die Ehegatten B zustehender Entlohnungsansprüche zurückzubehalten, obwohl er gegen deren Sohn keine Ansprüche hatte und dies auch wußte.
So übernahm er auf Grund der bereits vom Rechtsanwalt Dr. C mit der E-Versicherungs-AG.
ausgehandelten Bedingungen am 26.Juni 1979 für Hermann B jun. einen Scheck über 42.000 S, übergab nach dessen Einlösung 12.000 S der Rosa B, zahlte die restlichen 30.000 S auf sein eigenes Konto ein und verwendete dieses Geld in der Folge für sich. Erst einige Zeit danach teilte er der Rosa B mit, daß er diesen Betrag für sich behalten hatte, und stellte sie solcherart vor vollendete Tatsachen. Da ihn Rosa B selbst nicht entlohnen konnte, auf seine weiteren Dienste aber nicht verzichten wollte, war sie mehr oder weniger notgedrungen mit der zweckwidrigen Verwendung der ihrem Sohn zustehenden Entschädigungssumme einverstanden. Dem Sohn erklärte sie, das Geld liege in Wien, er werde es erhalten, sobald er großjährig sei.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit insoweit auf die Gründe der Ziffern 5 und 9 (lit a) des § 281 Abs 1 StPO. gestützter Nichtigkeitsbeschwerde;
unter Anrufung des § 281 Abs 1 Z. 7 StPO. wendet er sich weiters gegen die Nichterledigung des Punkts 2 der wider ihn erhobenen Anklage (Betrug zum Nachteil der D Versicherungs-AG.). Als Begründungsmängel werden Undeutlichkeit, Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen und der Sache nach auch eine offenbar unzureichende Urteilsbegründung behauptet.
Dies alles zu Unrecht.
So kann der Beschwerde darin nicht gefolgt werden, daß der Umstand, ob sich der Angeklagte (insbesondere) der D Versicherungs-AG. gegenüber als Rechtsanwalt ausgab, für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit (schlechthin) und der Rechtmäßigkeit seines dem Schuldspruch zugrunde liegenden Verhaltens entscheidend wäre. Die Urteilskonstatierung, daß der Angeklagte den Auftrag zur Abwicklung des Versicherungsanspruchs schon in der vorgefaßten Absicht übernahm, einen Teil der Auszahlung für den Minderjährigen zur Abdeckung seiner Entlohnungsansprüche gegen dessen Eltern zu verwenden, beruht auf einer Schlußfolgerung; sie erscheint durch den Hinweis darauf, daß dem Angeklagten, der mit einer Entlohnung durch Rosa B infolge ihrer finanziellen Schwierigkeiten nicht rechnen konnte, hiemit ausnahmsweise einmal die Durchsetzung eines (vermögensrechtlichen) Anspruchs übertragen wurde (S. 176, 177), und auf seine nachfolgende Geldgebarung zureichend begründet. Mit den widersprüchlichen Aussagen der Zeugin Rosa B setzte sich das Erstgericht sehr eingehend auseinander und gelangte dabei zur Überzeugung, daß sie mit ihrer Behauptung einer Zurückbehaltung der Entschädigungssumme durch den Angeklagten bis zur Großjährigkeit ihres minderjährigen Sohns lediglich ihre eigene Unregelmäßigkeit verschleiern und zugleich den Angeklagten decken wollte (S. 182 ff.). Aus den Entscheidungsgründen geht auch hervor, daß der Beschwerdeführer die 30.000 S tatsächlich für sich verwendete (S. 178 und 183); er hatte sich auch selbst nicht damit verantwortet, das Geld lediglich zur Aufbewahrung für den - mittlerweile längst großjährig gewordenen - Hermann B jun. übernommen zu haben, sondern behauptet, es für seine Leistungen zugunsten von Rosa B erhalten und mittlerweile ausgegeben zu haben (S. 42, 153 und 155). Dem Einwand, daß der Schadensfall völlig ordnungsgemäß abgewickelt worden sei, ist bloß zu entgegnen, daß zu einer korrekten Abwicklung auch die widmungsgemäße Verwendung des für den Minderjährigen vereinnahmten Scheckbetrags gehört hätte. Mit der Frage, ob der Angeklagte ein Einverständnis der Rosa B mit der Verwendung eines Teils davon zur Abdeckung seiner eigenen Ansprüche voraussetzen konnte, brauchte sich das Erstgericht schon deshalb nicht zu befassen, weil Rosa B zu einer solchen Verfügung gar nicht berechtigt gewesen wäre; die Verantwortung des Angeklagten, das Geld im guten Glauben daran zurückbehalten zu haben, daß Rosa B als gesetzliche Vertreterin über das Vermögen ihres Sohns frei verfügen dürfe, wurde vom Gericht mit dem Hinweis auf eine Mehrzahl von Umständen als unglaubwürdig abgelehnt (S. 186/187). Zur Geltendmachung des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs 1 Z. 7 StPO. ist der Angeklagte nicht legitimiert, weil er ein Rechtsmittel nur zu seinen Gunsten erheben kann und ihm die erfolgreiche Bekämpfung der Nichterledigung eines Anklagepunkts nicht zum Vorteil gereichen könnte (SSt. I/23, XIX/122 u.v.a.). Als nicht zielführend erweisen sich auch die Ausführungen der Beschwerde in der auf die Ziffer 9 (offenbar lit a) des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Rechtsrüge.
Inwieweit der Angeklagte (als Gehilfe) für allfällige Verfehlungen der Rosa B haften würde, kann dahingestellt bleiben, weil er nach Maßgabe der die Grundlage der rechtlichen Beurteilung bildenden Urteilsfeststellungen für eigenes deliktisches Verhalten als Haupttäter zur Verantwortung zu ziehen war. In diesem Zusammenhang übersieht der Angeklagte auch, daß er selbst als - von dessen Eltern als gesetzlichen Vertretern ihres Sohns bevollmächtigter - Vertreter des minderjährigen Hermann B einschritt.
Es ist auch ohne Einfluß auf die rechtliche Beurteilung seines Verhaltens, daß die Ehegatten B zunächst ihrerseits an den Angeklagten wegen der Abwicklung der Versicherungsangelegenheit herantraten und Rosa B nachträglich mit der widmungswidrigen Verwendung eines Teils des ihrem minderjährigen Sohn zustehenden Entschädigungsbetrags einverstanden war, weil ein solches Einverständnis an der Rechtswidrigkeit der Aneignung der 30.000 S zum Nachteil des Minderjährigen nichts ändert.
Von einem bloßen dolus superveniens kann keine Rede sein, weil der Angeklagte nach Annahme des Erstgerichts den Auftrag schon mit dem Vorsatz erschlich, sich einen Teil des durch die Versicherung zur Auszahlung gelangenden Betrags widerrechtlich anzueignen. Wenn der Beschwerdeführer schließlich vermeint, es fehle im vorliegenden Fall an einer Bereicherung (und somit auch an einem Bereicherungsvorsatz) seiner Person, weil er einen Kostenersatz- bzw. Entlohnungsanspruch zumindest in der Höhe von 30.000 S gehabt habe, so läßt er dabei außer acht, daß ihm ein solcher Anspruch zwar gegen die Eheleute B, nicht aber gegen deren minderjährigen Sohn zustand. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Der Ansicht der Generalprokuratur, daß die gegenständliche Tat nicht als Betrug, sondern als Veruntreuung zu beurteilen sei, vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen. Ausgangspunkt der Argumentation der Generalprokuratur ist, daß aus der Entgegennahme und aus der Einlösung des Schecks der Versicherung noch kein Schaden des Minderjährigen eintreten konnte, so, als ob der vom Angeklagten übernommene Auftrag sich auf die Entgegennahme und auf die Einlösung des Schecks beschränkt hätte. Indes lauten die Urteilsfeststellungen dahin, daß der Angeklagte 'die Bearbeitung dieses Falls übernahm' (S. 177), daß er 'diese Angelegenheit übernahm' (S. 181), daß er sich 'die Auftragsgemäßheit der Abwicklung dieser Versicherungsangelegenheit bestätigen ließ' (S. 182) und daß er 'die ordnungsgemäße Abwicklung dieser Versicherungsangelegenheit vortäuschte, um ... sich bei der Abwicklung dieser Sache 30.000 S zueignen zu können' (S. 187). Die Generalprokuratur hat auf den Seiten 2 und 4 ihrer Stellungnahme diese Urteilskonstatierungen ohne Einwand übernommen (jeweils: 'Abwicklung eines/des Versicherungsanspruchs'); auf Seite 6 hat sie in Erwiderung eines Beschwerdeeinwands ausgeführt, 'daß zu einer korrekten Abwicklung der in Rede stehenden Versicherungsangelegenheit vor allem auch die widmungsgemäße Verwendung des vom Angeklagten für den minderjährigen Hermann B vereinnahmten Geldes gehört haben würde.' Sonach lautete der Auftrag des Beschwerdeführers auf Abwicklung der Versicherungsangelegenheit; dazu gehört alles, von der Geltendmachung des Anspruchs bis zur Auszahlung der Versicherungsleistung an den berechtigten Minderjährigen bzw. bis zur Hinterlegung auf einem für diesen errichteten Konto (daß der Rechtsanwalt Dr. C einen Teil der soeben umrissenen Abwicklung bereits erledigt hatte, kann hier außer Betracht bleiben).
§ 146 StGB. verlangt, daß jemand durch Täuschung über Tatsachen zu einem Verhalten verleitet wird, das diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt und wodurch wiederum ein anderer bereichert werden soll. Das Schöffengericht in St. Pölten hat die Handlungen des Angeklagten an diesem Tatbestand richtig gemessen: Er hat die Rosa B über die von ihm ins Auge gefaßte Art der Abwicklung, nämlich darüber getäuscht, daß er das zu empfangende Geld nicht vollzählig herausgeben werde (Urteilsfeststellung S. 181);
er täuschte der Frau eine ordnungsgemäße Abwicklung vor, um sich 30.000 S aneignen zu können (Feststellung S. 187).
Ohne diese Täuschung hätte er den Abwicklungsauftrag nicht erhalten, er hätte also ohne die Täuschung niemals den Scheck von der Versicherungsgesellschaft in Empfang nehmen und sich bereichern können. Folglich war die Täuschung der Rosa B ursächlich nicht nur zunächst für die Auftragserteilung, sondern im weiteren auch für die Möglichkeit des Angeklagten, sich 30.000 S aus dem Vermögen des Minderjährigen anzueignen und Hermann B um diesen Betrag zu schädigen.
Für die Kausalität der Täuschungshandlung beim Betrug gilt die Äquivalenztheorie (Leukauf-Steininger2 RZ. 23 zu § 146 StGB.). Darnach ist jede Bedingung ursächlich, bei deren Wegfall auch der Erfolg in seiner konkreten Gestalt nicht mehr vorstellbar ist (Eliminationsmethode nach Rittler).
Wendet man diese Kausalitätsregel auf den gegebenen Fall an, so folgt daraus das oben gewonnene Ergebnis, nämlich, daß die Täuschung der Rosa B durch den Angeklagten für den vom minderjährigen Hermann B erlittenen Vermögensschaden als eine der Bedingungen seines Zustandekommens ursächlich war.
§ 133 StGB. setzt voraus, daß ein vermögenswertes Gut in den exklusiven Gewahrsam des Täters gegeben oder darin belassen ('anvertraut') wurde (Kienapfel BT II § 133 RN 25) und daß erst durch die nachfolgende Zueignungshandlung ('dadurch') jemand unrechtmäßig bereichert bzw. der Anvertrauende (oder sonstige Berechtigte) infolge der Vermögensüberführung geschädigt werden soll. Wer aber schon 'durch das Verhalten des Getäuschten' (§ 146 StGB.), d.h. mittels Täuschung über Tatsachen die Bereicherung bzw. den Schaden herbeiführen will, wer also ein im Verhältnis zur Zueignungshandlung früheres, aber auch bereits als strafbar bezeichnetes (vertatbestandlichtes) Verhalten verwirklicht, erfüllt die Merkmale des (je nach Schadenseintritt vollendeten oder versuchten) Betrugs. So gesehen kann man in einem Fall wie dem gegenständlichen, in welchem der Täter den Übergang der Verfügungsmacht über Vermögenswerte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über seine wahre Absicht und über seine weitere unredliche Gestion, herbeigeführt und in der Folge das ihm anvertraute Vermögen sich zugeeignet hat, vom Betrug als dem spezielleren Tatbestand gegenüber der Veruntreuung sprechen.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß sich Betrug und Veruntreuung darin unterscheiden, ob der Gewahrsamsübergang (die Übertragung der Verfügungsmacht) mittels Täuschung bewerkstelligt wird oder nicht (Kienapfel BT II § 133 RN 112, 113).
Das Schöffengericht verhängte nach § 147 Abs 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten, in deren Bemessung es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und den sehr raschen Rückfall wertete; mildernd war, daß der Angeklagte tatsächlich, wenn auch gegen jemand anderen, Ansprüche hatte sowie die Schadensgutmachung, der jedoch als nicht echt wenig Gewicht zukomme, weil sie unter der Ankündigung geleistet wurde, daß der Betrag nach der Verhandlung dem Angeklagten wieder zurückgegeben werde. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe an; dies zu Recht.
Die Eigenart dieses Straffalls liegt darin, daß die frühere Tätigkeit des Angeklagten für die Eheleute B zumindest indirekt auch dem mit seinen Eltern im gemeinsamen Familienverband lebenden Sohn Hermann B jun.
zugute kam. Zieht man in Erwägung, daß durch den einbehaltenen Betrag eine (auch nach der Auffassung des Erstgerichts) angemessene Forderung des Angeklagten gegen die Mutter des Geschädigten befriedigt wurde, so läßt das Geschehen in seinem Ergebnis einen soweit reduzierten Unrechtsgehalt erkennen, daß eine mildere Tatbeurteilung vertretbar erscheint.
Es vermag den mildernden Effekt der Schadensgutmachung auch nicht zu schmälern, wenn der zu ihrer Zeit längst volljährige Hermann B jun. das vom Angeklagten übernommene Geld im Bewußtsein dieser Zusammenhänge ihm später wieder zurückgab, um damit eigenberechtigt seine Mutter zu entlasten.
Die Besonderheiten dieser Tatumstände, die nur schwer einen Vergleich mit einschlägigen Vortaten zulassen, nehmen dem empfindlich belasteten Vorleben des überdies bereits einundsiebzigjährigen Angeklagten und dem Rückfall das sonst entscheidende Gewicht bei der Strafbemessung. So gesehen erachtete der Oberste Gerichtshof eine der letzten über den Berufungswerber (wegen §§ 15, 156 Abs 1 StGB. bei einem von 6 Monaten bis 5 Jahre reichenden Strafsatz) verhängten gleiche Freiheitsstrafe von acht Monaten (bei einem eine Höchststrafe von nur 3 Jahren vorsehenden Strafrahmen) für noch ausreichend.
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