Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Josef L***** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 6. April 1996 in Wien versucht, Nenad P***** durch einen Bauchstich mit einem Fixiermesser eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen, wobei die Tathandlung eine Stichverletzung im Bereich des rechten Darmbeinkammes zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Schon die aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist berechtigt.
Sie macht geltend, daß in den Urteilsgründen Akten als Beweismittel berücksichtigt wurden, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren und die zu verlesen auch von beiden Teilen nicht ausdrücklich verzichtet wurde (§ 252 Abs 2 StPO). Stützten doch die Tatrichter ihre Feststellungen zu dem die Annahme voller Berauschung ausschließenden Alkoholisierungsgrad des Angeklagten auch auf den polizeilichen Einlieferungsbericht und auf die Angaben des Angeklagten anläßlich seiner ersten Vernehmung vor der Polizei (US 8) und zur Nichtannahme einer Notwehrsituation bzw einer Putativnotwehr insbesondere auf die Angaben der (in der Hauptverhandlung ebenfalls) vernommenen Zeugen Nenad P*****, Borivoje I*****, Milan C***** und Dragan J***** vor der Polizei (US 8 bis 10).
Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls wurden jedoch nur das polizeiamtsärztliche Gutachten (61) und die Strafregisterauskunft ON 31 verlesen (199). Ansonsten wurden durch Vorhalt nur einzelne Aussagenteile (die Seiten 98 und 102 der Polizeiaussage des Zeugen P***** - 188, 189; s auch Vorhalt 196) in der Hauptverhandlung kundgemacht. Der dem Angeklagten gemachte "Vorhalt der Zeugenaussagen" (199) kann nur als Pauschalhinweis auf die unmittelbar vorher von den Zeugen abgelegten Aussagen verstanden werden, läßt aber keineswegs eine Verlesung der Angaben dieser Zeugen vor der Polizei erkennen.
Im übrigen ist die Mängelrüge auch im Recht, soweit sie die Unrichtigkeit der Urteilshinweise releviert, die Zeugen Milan C***** und Dragan J***** hätten in der Hauptverhandlung im wesentlichen gleichlautend wie vor der Polizei ausgesagt (US 8f). Gab doch beispielsweise C***** in der Hauptverhandlung anders als vor der Polizei an, die Tatwaffe vor der Stichführung nicht gesehen zu haben (193 bzw 51). Dragan J***** deponiert in der Hauptverhandlung anders als vor der Polizei, der Angeklagte habe mit einem Messer in der Hand die Frau bedrohen wollen und das spätere Tatopfer Nenad P***** habe sich zwischen den Angeklagten und die bedrohte Frau gestellt (vgl 194ff bzw 47).
Die aufgezeigten Begründungsmängel machen eine Verfahrenserneuerung unerläßlich, sodaß bereits bei der nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285e StPO).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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