OGH 13Os165/93(13Os170/93)

OGH13Os165/93(13Os170/93)24.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Massauer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Mazzolini als Schriftführerin in der Strafsache gegen Armin G***** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 4. Oktober 1993, GZ 36 Vr 2.620/93-13, sowie über eine damit verbundene Beschwerde des Angeklagten (§ 494 a Abs. 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil sowie der darauf beruhende Beschluß auf Widerruf einer bedingten Entlassung aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Innsbruck verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.März 1972 geborene Angeklagte Armin G***** des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Vom Widerruf der bedingten Nachsicht einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten (AZ 36 Vr 1.423/92, Hv 79/92 des Landesgerichtes Innsbruck) wurde gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO - auch für den zweiten Rechtsgang bindend (§ 293 Abs. 3 StPO) - abgesehen. Hingegen wurde die mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 6.Mai 1993, GZ 20 BE 244/93-6, bewilligte bedingte Entlassung des Angeklagten aus der Strafhaft zu AZ 36 Vr 3.493/92, Hv 32/93 des Landesgerichtes Innsbruck (Strafrest 2 Monate und 21 Tage) gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO widerrufen.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat Armin G***** am 19.Juli 1993 in Innsbruck fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld oder Wertsachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, dem Wilhelm St***** mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er eine 140 cm hohe Einfriedung eines Obstkistenlagers überklettert und einen Mantel durchsucht hat.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 5 a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht er mit Berufung, den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist begründet.

Nach den Urteilsannahmen überkletterte der Angeklagte im Hof des Hauses Innsbruck, Innrain 17, die aus Eternitplatten und Holzverstrebungen gebildete, ca 140 cm hohe Einzäunung eines als Abstellplatz benützten Teiles der Hoffläche. An der anderen Seite wird diese Fläche durch eine Halle und ein ebenerdiges sog. Stöcklgebäude begrenzt. Die Tür zu diesem Stöcklgebäude stand offen. Links von der Tür im Gebäudeinneren hing der Mantel des Wilhelm St*****, den der Angeklagte mit Diebstahlsvorsatz nach Geld oder Wertsachen vergeblich durchsuchte.

Der gesamte Vorgang wurde vom Zeugen Christian F***** vom 3.Stock des gegenüberliegenden Hauses Innrain 13 aus einer Entfernung von etwa 40 m beobachtet. Vor allem weil der Zeuge sich "1000 %ig" sicher war, den Griff des Angeklagten in die Manteltaschen richtig beobachtet zu haben, hielt das Schöffengericht dessen Verantwortung, nur jemanden gesucht zu haben und an den Mantel bloß angestreift zu sein, für widerlegt.

Zur Überprüfung der objektiven Verläßlichkeit der Beobachtungen des Zeugen beantragte der Verteidiger in der Hauptverhandlung die Durchführung eines Lokalaugenscheines (S 59). Diesen Beweisantrag wies das Erstgericht mit der Begründung ab, daß die Sichtposition des Zeugen nach dessen Angaben außer Zweifel stehe und sich diese im übrigen aus den Lichtbildern (S 19) ergebe. Auch verwies der Senat auf "die Aussage des Zeugen bezüglich des Mantels" (S 60).

Mit Recht erachtet sich der Beschwerdeführer durch dieses Zwischenerkenntnis in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt (Z 4). Nach den Tatortfotos ist es nämlich keineswegs von vornherein auszuschließen, daß dem Zeugen mit Rücksicht auf die Entfernung von 40 m und die auf dem Lichtbild Nr 2 erkennbare Tatsache, daß der Mantel im abgedunkelten Bereich der Eingangstüre gehangen sein muß, nicht doch ein Beobachtungsfehler unterlaufen ist. Zur verläßlichen Klärung dieser Frage wären aber Sichtproben an Ort und Stelle unerläßlich gewesen.

Schon wegen dieses Verfahrensmangels läßt sich die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht vermeiden (§ 285 e StPO), ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.

Im zweiten Rechtsgang wird allerdings auch zu prüfen sein, ob für den Fall, daß dem Angeklagten ein gezielter Griff in die Manteltaschen nicht nachgewiesen werden kann, die Ergebnisse des erneuerten Verfahrens nicht immerhin die Annahme rechtfertigen könnten, daß er im Inneren des Gebäudes sonst nach Diebsbeute gesucht hat.

Im übrigen ist der Beschwerdeführer auch insofern im Recht, als er die Subsumtion der Tat unter den Qualififaktionstatbestand des § 129 Z 1 StGB rügt (Z 10). Ein wegen Einsteigens in ein Gebäude nach dieser Gesetzesstelle beschwerter Diebstahl liegt nämlich nur dann vor, wenn der Dieb in das Gebäude unmittelbar einsteigt, nicht aber auch dann, wenn er - wie hier - zunächst nur die Umzäunung eines vor dem Gebäude gelegenen Areals übersteigt, sodann aber zum Betreten des Gebäudes selbst die dafür vorgesehene unverschlossene Öffnung benützt (EvBl 1979/148; 15 Os 155/87; Kienapfel BT II3 § 129 RN 34).

Hingegen kann - was das Erstgericht an sich richtig erkannt hat - die Frage dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem "Obstkistenlager" um einen Lagerplatz im Sinne des § 129 Z 1 StGB gehandelt hat oder nicht, denn für diese Spielart der Einbruchsqualifikation wäre erforderlich, daß die nach dem Tatplan in Aussicht genommene Beute vom Lagerplatz selbst weggenommen werden sollte (vgl Bertel-Schwaighofer BT I3 § 129 RN 1), wofür es aber nach der Aktenlage keinen Anhaltspunkt gibt.

Demnach war die Sache an das nunmehr sachlich und örtlich zuständige Bezirksgericht Innsbruck zu verweisen. Die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten sind damit gegenstandslos.

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