OGH 13Os160/95

OGH13Os160/9522.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.November 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Bodner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Thomas H***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer weiteren strafbaren Handlung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung und auf "Aufhebung der Vollstreckbarkeit", die Berufung sowie die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3.August 1995, GZ 35 Vr 993/95-11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf "Aufhebung der Vollstreckbarkeit",

die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld sowie

die Nichtigkeitsbeschwerde

werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Thomas H***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 (vierter Fall) SGG (A) und des Vergehens nach § 16 Abs 1 (vierter und fünfter Fall) SGG (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck

zu A) zwischen Herbst 1993 und Ende Sommer 1994 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge an nachstehend genannte gesondert Verfolgte (zu 1. bis 5. durch Verkauf, zu 6. durch sonstige Weitergabe) in Verkehr gesetzt, und zwar

1. 100 bis 150 Gramm Kokain sowie mindestens 100 Gramm Heroin an Gerhard Sch*****;

2. 5 Gramm Heroin an Georg Hu*****;

3. eine unbestimmte Menge Heroin an Michael Sp*****;

4. 3 Gramm Heroin an Martin S*****;

5. und 6. insgesamt nicht mehr feststellbare Mengen Heroin an Sabine M***** und an Gabriele W*****; sowie

zu B) zwischen 1990 und Herbst 1994 außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte, nämlich insgesamt nicht mehr feststellbare Mengen Heroin, ca 200 Gramm Cannabisharz und eine geringe Menge Kokain bei unbekannten Dealern für den Eigengebrauch erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil meldete der Angeklagte zunächst "Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe" an. Die Anmeldung der Nichtigkeitsberufung ist vorliegend als solche der Nichtigkeitsbeschwerde anzusehen (Mayerhofer/Rieder StPO3 E 35 f zu § 280 StPO).

Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung am 30.August 1995 an den Verteidiger (S 344) brachte dieser am 27.September 1995, also noch innerhalb der vierwöchigen Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung, einen Schriftsatz ein (ON 14), mit welchem er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrte und behauptete, daß die Frist zur Ausführung der "Berufung" im Kanzleikalender "irrtümlich mit 28 Tagen" eingetragen und sohin versäumt worden sei. Diesen Antrag verband er mit einem Antrag auf "Aufhebung der einstweilen eingetretenen Rechtskraft und Vollstreckbarkeit" (gemeint wohl: Antrag auf Hemmung der Vollstreckung - § 364 Abs 4 StPO).

Unter einem wurde "die versäumte Prozeßhandlung nachgeholt" und die "Berufungsausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wegen Schuld und Strafe" erstattet.

Der Wiedereinsetzungsantrag (samt "Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit") war zurückzuweisen, weil die Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285 Abs 1 StPO) und der Berufung (§ 294 Abs 2 StPO) seit dem StPÄG 1993, BGBl 1993/526, jeweils vier Wochen beträgt, und damit gar nicht versäumte wurde (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 RN 2 zu § 364).

Ebenfalls zurückzuweisen war die Schuldberufung, weil ein solches Rechtsmittel gegen das Urteil eines Kollegialgerichtes nicht zulässig ist (s § 283 Abs 1 StPO).

Die sich auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO stützende, ihrem Antrag nach den gesamten Schuldspruch, nach ihrem Inhalt jedoch nur den wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 (vierter Fall) SGG (Faktum A) bekämpfende Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Entgegen den Beschwerdebehauptungen ist der Tatzeitbeginn (im Ergebnis die Suchtgiftmenge betreffend) zu Faktum A, nämlich Herbst 1993, durchaus den vom Schöffengericht verwerteten Angaben des Gerhard Sch***** vor der Gendarmerie (S 89) und jenen der Sabine M***** vor der Polizeidirektion Innsbruck (S 273), zu entnehmen.

Soweit die Beschwerde die Feststellung der Suchtgiftmengen bemängelt und auf Differenzen in Aussagen von Zeugen hinweist, bekämpft sie unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter, welche allfällige Widersprüche als Erinnerungsfehler zufolge Zeitablauf erklärten. Dies gilt insbesondere auch für die Zeugenaussagen des Gerhard Sch***** und des Martin S***** (US 7).

Schließlich vermögen auch die weiteren Beschwerdeausführungen, nach welchen das Schöffengericht "die tatsächlichen Aussagen der Zeugen nicht entsprechend würdigte", keine formalen Mängel bei der Feststellung entscheidungswesentlicher Tatsachen darzulegen, sondern bekämpfen inhaltlich ebenso wie die (zurückgewiesene) Schuldberufung unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Soweit der Anfechtungsantrag den gesamten den Angeklagten treffenden Schuldspruch umfaßt, mangelt es der Beschwerde an der vom Gesetz (§ 285 Abs 1 StPO) verlangten deutlichen und bestimmten Bezeichnung von gesetzlichen Nichtigkeitsgründen; sie läßt auch ausdrückliche oder doch durch deutliche Hinweisung angeführte Tatumstände vermissen, welche Nichtigkeit begründen sollen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d StPO), sodaß über die außerdem erhobene Berufung gegen den Strafausspruch das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben wird (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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