Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6.Jänner 1929 geborene Geschäftsführer Vinzenz A (neben einem unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch) des Vergehens der sittlichen Gefährdung Unmündiger nach dem § 208 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 12.März 1981 in Wien, um sich geschlechtlich zu erregen, vor neun- bis zehnjährigen Schülern einer vierten Volksschulklasse der Schule Santa Christiana seinen Geschlechtsteil entblößt, sohin eine Handlung vorgenommen, die geeignet ist, die sittliche und seelische Entwicklung unmündiger Personen zu gefährden.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Mit der Behauptung aktenwidriger, unvollständiger und unzureichender Urteilsbegründung versucht der Angeklagte in Ausführung der Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO) im wesentlichen die Zeugenaussage der Erzieherin Annemarie B zu erschüttern, wobei er auf deren zunehmende Sicherheit bei der Identifizierung des Angeklagten als Täter trotz des größeren zeitlichen Abstands vom Tatgeschehen und auf (angebliche) Diskrepanzen in deren Personsbeschreibung hinweist und dem von der Zeugin erwähnten Merkmal eines auffallend geröteten Gesichts des Täters den Beweiswert abspricht. In Wiederholung seiner vom Schöffengericht abgelehnten Verantwortung stellt er sich (neuerlich) als Opfer einer Verwechslung hin und bezeichnet die Urteilsannahme, derzufolge er nicht beim Urinieren überrascht wurde, als 'aktenwidrig'. Im Vorbringen zu seiner Rechtsrüge, sachlich jedoch gleichfalls in Geltendmachung einer Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO, führt der Angeklagte noch aus, der festgestellte Sachverhalt lasse den Schluß auf seine Absicht, sich geschlechtlich zu erregen, nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer das Wesen des angerufenen Nichtigkeitsgrunds.
Gemäß dem § 258 Abs. 2 StPO hat das Gericht die Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft nicht nur einzeln, sondern auch in ihrem inneren Zusammenhalt zu prüfen und die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, letztlich nach seiner freien überzeugung zu entscheiden. Eine offenbar unzureichende Begründung im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO liegt nur dann vor, wenn im Urteil für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen nur solche Gründe angegeben werden, aus denen sich nach den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung eine Schlußfolgerung auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ableiten läßt, oder die aus den ermittelten Prämissen gezogenen Schlußfolgerungen so weit hergeholt sind, daß das Urteil mit logischen Fehlern behaftet ist.
Von Unvollständigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen kann nur dann gesprochen werden, wenn das Gericht bei der Feststellung einer entscheidenden Tatsache in der Hauptverhandlung erörterte Tatsachen oder aufgenommene Beweise oder sonst im Beweisverfahren hervorgekommene Umstände mit Stillschweigen übergeht oder ungewürdigt läßt. Dabei ist es jedoch nicht verpflichtet, sämtliche Beweisergebnisse im Detail zu erörtern. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet, die er als erwiesen annimmt, und die Gründe anführt, die zu seiner überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahme geführt haben (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO). Aktenwidrigkeit schließlich liegt nur vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet. Die Richtigkeit der auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüsse kann hingegen unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden. In diesem Straffall hat das Erstgericht seine wesentlichen Feststellungen auf die als 'glaubhaft und überzeugend' (S. 102) beurteilte Aussage der Zeugin Annemarie B gestützt. Maßgebend war dabei der persönliche Eindruck, den diese Zeugin auf den Schöffensenat machte.
Als zusätzliche Umstände für die Glaubwürdigkeit der Zeugin wies das Erstgericht auf die Identifizierung des Angeklagten auf einem Schwarz-Weiß-Foto hin (die naturgemäß mit einem größeren Grad von Unsicherheit behaftet ist als die Identifizierung anläßlich einer Gegenüberstellung), nahm auf die zutreffende Personsbeschreibung anläßlich der Anzeigenerstattung Bezug (wobei - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - ein Widerspruch zwischen 'dunkler Hose' und 'brauner Hose' nicht besteht) und räumte dabei dem 'besonderen Kennzeichen' eines 'auffallend geröteten Gesichtes' auch jenen Stellenwert ein, der ihm in einer Indizienkette gewiß zukommt. Aus dem von der Zeugin geschilderten Verhalten des Angeklagten, insbesondere aus dessen Standort ('auf einem ca. 1,5 m breiten Weg, mit dem Gesicht und dem entblößten Glied zum Weg und nicht zu den Bäumen gewandt'; S. 65) lehnte das Erstgericht, durchaus folgerichtig und lebensnah, dessen Verantwortung, er sei bloß beim Urinieren überrascht worden, ab und schloß (logisch und erfahrungskonform) aus dessen Verhalten vor den Kindern auf seine Absicht, sich dadurch geschlechtlich zu erregen.
Soweit sich der Angeklagte in seiner Mängelrüge, erneut mit dem Vorwurf der 'Aktenwidrigkeit', gegen Feststellungen im Zusammenhang mit der Zeugin Sabine C wendet, übersieht er, daß mit dem formellen Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO nur ein Begründungsmangel geltend gemacht werden kann, der den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache für das Erkenntnis in der Schuldfrage (Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz), einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände betrifft. Da das Erstgericht vorliegend im gegebenen Zusammenhang nur 'zur Beleuchtung der Person des Angeklagten' (S. 104) auch auf den Vorfall vom 12.Mai 1981 mit Sabine C, der Gegenstand eines rechtskräftigen Freispruchs des Angeklagten war, hingewiesen hat, wendet sich der Angeklagte mit dem bezüglichen Beschwerdevorbringen nicht gegen einen entscheidungsrelevante Umstände betreffenden Urteilsausspruch. Insgesamt läuft das Vorbringen des Angeklagten zur Mängelrüge sohin bloß auf eine (unzulässige) Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung hinaus. Begründungsmängel des Urteils im Sinn einer Unvollständigkeit, unzureichenden Begründung oder Aktenwidrigkeit werden nicht dargetan.
In seiner auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO gestützten Rechtsrüge behauptet der Angeklagte unter Hinweis auf die 'sogenannte Familiensauna' und das auch in öffentlichen Bädern tolerierte Nacktbaden, daß die ihm unterstellten Tathandlungen nicht geeignet seien, die sittliche und seelische Entwicklung Unmündiger zu gefährden.
Hier handelt es sich aber - was der Beschwerdeführer unbeachtet läßt - nach den Urteilsfeststellungen, insbesonders zur subjektiven Tatseite, nicht etwa um eine (wertfreie) Entkleidung oder Darstellung der Nacktheit schlechthin, sondern um (tätergewollte) exhibitionistische Handlungen des Angeklagten vor Schulkindern, welche durch die Bestimmung des § 208 StGB erfaßt werden sollten und die regelmäßig 'eine schockierende Wirkung auf Kinder haben und sie in ihren Empfindungen und Wertvorstellungen im sexuellen Bereich verwirren und nachhaltig verletzen können' (Pallin im Wiener Kommentar, RZ. 2 zu § 208 StGB).
Da sohin auch die Rechtsrüge versagt, war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 208 StGB eine Freiheitsstrafe von vier Monaten, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Erschwerend wertete es dabei keinen Umstand, mildernd war die Unbescholtenheit des Angeklagten.
Mit seiner Berufung strebt dieser eine 'weitgehende Herabsetzung des Strafmaßes' an. Sie erweist sich als nicht berechtigt. Die Strafdrohung des § 208 StGB reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Es lag beim Angeklagten, durch Ablegung eines reumütigen Geständnisses oder durch eine Aussage, die wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hätte, sich allenfalls einen weiteren, gewichtigen Milderungsgrund (§ 34 Z. 17 StGB) zu sichern, der ihm angesichts seiner hartnäckig leugnenden Verantwortung nun nicht zugute kommt. Die noch im unteren Bereich des Strafrahmens bemessene Freiheitsstrafe ist nach Lage des Falls keineswegs überhöht, sodaß der Berufung, die selbst keine konkreten Umstände für eine Strafmilderung anzuführen vermag, welche nicht schon vom Erstgericht berücksichtigt worden wären, ein Erfolg zu versagen war.
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