OGH 13Os156/88

OGH13Os156/8822.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Dezember 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Tegischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roland M*** und Georg F*** wegen des Verbrechens nach § 12 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend Georg F*** gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengerichts vom 6. Oktober 1988, GZ. 20 Vr 757/88-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, des Angeklagten Georg F*** und des Verteidigers Dr. Winterstein zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch beider Angeklagten (zu A) wegen des Verbrechens nach § 12 SuchtgiftG. sowie in den Strafaussprüchen (ausgenommen die Anrechnung der Vorhaft gemäß § 38 StGB.) aufgehoben und insoweit gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Roland M*** und Georg F*** haben den bestehenden Vorschriften zuwider

1. Georg F*** in der Nacht zum 7. Juni 1988 in Hörbranz in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Dieter B*** 800 Gramm Cannabisharz (THC-Gehalt: 42,40 Gramm), mithin Suchtgift in großer Menge, aus der Bundesrepublik Deutschland aus- und nach Österreich einzuführen getrachtet, indem er das Suchtgift in Singen von Friedrich Martin M*** übernahm, unter dem Rücksitz des Autos verstaute und sich anschickte, es über die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zu bringen;

2. Roland M*** Anfang Juni 1988 in Vorarlberg Georg F*** und Dieter B*** durch die Aufforderung, das von seinem Bruder Friedrich Martin M*** in der Bundesrepublik Deutschland bereitgestellte Suchtgift nach Österreich zu transportieren, zur Ausführung der zu 1 bezeichneten Tat bestimmt.

Sie haben hiedurch das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB. begangen und werden hiefür sowie für das ihnen gemäß dem aufrecht gebliebenen Schuldspruch zur Last fallende Vergehen nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG. nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und § 28 StGB., und zwar Roland M*** zu

16 (sechzehn) Monaten Freiheitsstrafe,

Georg F*** zu 3 (drei) Monaten Freiheitsstrafe, Georg F*** überdies gemäß § 12 Abs. 5 SuchtgiftG. zu einer Geldstrafe von 30.000 (dreißigtausend) Schilling, im Fall der Uneinbringlichkeit 3 (drei) Monate Ersatzfreiheitsstrafe,

verurteilt.

Gemäß § 43 StGB. wird die über Georg F*** verhängte Freiheitsstrafe für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung hierauf verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen Georg F*** die Kosten des ihn betreffenden Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Roland M*** und Georg F*** wurden des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG. sowie des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG., Roland M*** auch nach § 12 Abs. 3 Z. 1 SuchtgiftG. schuldig erkannt.

Bezüglich des Suchtgiftverbrechens liegt ihnen das im Spruch umschriebene Verhalten zur Last. Zusätzlich nahm das Erstgericht an, daß Roland M*** als Bandenmitglied und nach vorangegangener Verurteilung wegen einer der im § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. bezeichneten strafbaren Handlungen tätig war.

Das Ersturteil bezeichnete Roland M*** als Mittäter (unmittelbarer Täter), obwohl er zu der von F*** und B*** vorgenommenen Fahrt mit dem Suchtgift nur den Auftrag erteilt, daran nicht jedoch teilgenommen hat (§ 12, zweiter Fall, StGB.). Auch Friedrich Martin M*** war entgegen dem erstrichterlichen Spruch nicht unmittelbarer Täter, sondern durch Bereitstellung des Suchtgifts in Deutschland Gehilfe der von F*** und B*** durchgeführten Tat. Diese Fehlformulierungen bilden zwar keinen Nichtigkeitsgrund, doch war anläßlich der, wie im folgenden noch ausgeführt, gebotenen Neufassung des Schuldspruchs dieser rechtsrichtig zu formulieren.

Georg F*** wurde gemäß § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. in Anwendung des § 43 a Abs. 2 StGB. zu einer dreimonatigen, für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe und zu 180 Tagessätzen Geldstrafe (90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) mit einem Tagessatz von 200 S verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Strafausspruch bekämpft die Staatsanwaltschaft zutreffend mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. Die Anwendung des § 43 a Abs. 2 StGB. setzt voraus, daß auf eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, aber nicht mehr als zwei Jahren zu erkennen wäre. Die in diesen Rahmen fallende, individuell zu ermittelnde Freiheitsstrafe kann nach der zitierten Gesetzesstelle in einen unmittelbar zu vollziehenden Geldstrafenanteil bis zu 360 Tagessätzen und einen verbleibenden Freiheitsstrafenrest, der bedingt nachzusehen ist, geteilt werden. Die solcherart verhängte Geldstrafe und die ausgesprochene Freiheitsstrafe müssen zusammen eine Freiheitsstrafe (auf die zu erkennen wäre) von mehr als sechs Monaten bis höchstens zwei Jahren ergeben. Der Teil der Freiheitsstrafe, an dessen Stelle die Geldstrafe tritt, errechnet sich aus der Regel des § 19 Abs. 3 StGB., das heißt: zwei Tagessätze entsprechen einem Tag der supplierten Freiheitsstrafe. Im vorliegenden Fall erreichen die für die Geldstrafe ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe und die Freiheitsstrafe insgesamt nur sechs Monate. Damit ist die Grundvoraussetzung des § 43 a Abs. 2 StGB. nicht erfüllt, weshalb der Strafausspruch nichtig ist (Z. 11).

Der Oberste Gerichtshof überzeugte sich jedoch aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 290 Abs. 1 StPO., daß zum Nachteil der beiden Angeklagten das Strafgesetz auch noch weiter unrichtig angewendet worden ist (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.). Das Suchtgiftverbrechen wurde bei der Einreisekontrolle beim Zollamt Unterhochsteg in Hörbranz von Zollbeamten aufgedeckt (Feststellung: Urteilsseite 7). Die strafbare Handlung blieb deshalb - entgegen der untergerichtlichen Annahme - nur beim Versuch (SSt. 54/2 und die dort zitierte Rechtsprechung).

Ferner findet die bei Roland M*** angenommene Qualifikation nach § 12 Abs. 3 Z. 1 SuchtgiftG. in den Urteilskonstatierungen keine Deckung (Z. 10). Die Erstrichter sind ersichtlich rechtsirrig davon ausgegangen, daß für die Ausführung als Mitglied einer Bande die Beteiligung mehrerer Personen an einer einzigen Tat schlechthin genügt (S. 231). Konstatierungen jedoch, daß Roland M*** sich zur fortgesetzten "Ausführung" von Suchtgiftverbrechen mit zwei oder mehreren anderen verbunden hätte (§ 278 StGB., § 14 Abs. 2 SuchtgiftG.), wurden nicht getroffen. Sie lassen sich auf Grund der Aktenlage im vorliegenden Fall nicht nachholen, sodaß der Oberste Gerichtshof auch insoweit sofort in der Sache selbst erkennen konnte (§ 288 Abs. 2 Z. 3 StPO.) und Roland M*** (gleich Georg F***) des (gemeinen) Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG., § 15 StGB. schuldig zu sprechen war (funktionale Einheitstäterschaft:

Differenzierung nach § 260 Abs. 1 Z. 1 StPO., nicht aber nach Z. 2 - Behandlung aller Beteiligten als "Täter").

Bei der nunmehr vorzunehmenden Strafneubemessung waren erschwerend bei beiden Angeklagten das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, bei Roland M*** überdies seine einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall. Mildernd fielen demgegenüber bei beiden Angeklagten der Umstand, daß die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind, bei Georg F*** zusätzlich dessen reumütiges Geständnis und die Tatsache ins Gewicht, daß er das Verbrechen über Andringen des M*** begangen hat. Bei Roland M***, zu dessen Gunsten lediglich eine amtswegige Maßnahme gemäß § 290 Abs. 1 StPO. ergriffen wurde, war ferner zu beachten, daß in erster Instanz über ihn eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe verhängt worden sind. Ein Strafausmaß von sechzehn Monaten erschien darnach tat- und tätergerecht.

Das reumütige Geständnis, dazu die Tatsachen, daß F*** bisher nicht und im vorliegenden Fall nur über Andringen eines anderen als Suchtgiftdelinquent in Erscheinung getreten ist und außerdem infolge des Einschreitens der Behörde ein Schaden für die Volksgesundheit vermieden werden konnte, gestatten es, im Rahmen des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (§ 28 StGB.) die schon von den Erstrichtern ausgesprochene, verhältnismäßig geringe und vorerst bloß angedrohte Freiheitsstrafe (§ 43 StGB.) von drei Monaten abermals zu verhängen. Überdies war, wie ebenfalls bereits in erster Instanz, auf eine Geldstrafe zu erkennen. Anders als das Landesgericht meinte, hatte dies aber nicht nach § 43 a Abs. 2 StGB. zu geschehen, sondern unter Anwendung der Bestimmung des § 12 Abs. 5 SuchtgiftG. Diese Norm ermöglichte schon bisher die kumulative Verhängung einer Geldstrafe neben einer (allenfalls bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe gemäß § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. § 12 Abs. 5 SuchtgiftG. geht nun als Strafvorschrift des Spezialgesetzes jenen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs insolang vor, als man damit das nämliche Ergebnis wie nach dem Strafgesetzbuch erreichen kann. Dies erhellt auch aus § 20 a Abs. 2 Z. 2 StGB., wonach den besonderen Geldstrafbestimmungen der Vorzug gegenüber den allgemeinen zu geben ist, wenn die speziell vorgesehene Geldstrafe dem vom Täter erzielten oder erstrebten Nutzen entsprechen oder diesen übersteigen soll. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß jedwede Soll-Vorschrift fallweise gegenüber anderen Erwägungen zurücktreten muß (vgl. EvBl. 1988/62). Schließlich ergibt sich der Vorrang des § 12 Abs. 5 SuchtgiftG. daraus, daß er eine Härteklausel enthält, die bei Anwendung des § 43 a Abs. 2 StGB. ausgeschaltet wäre, d.h. umgangen werden könnte.

Die soeben angestellten Überlegungen betreffend die Nichtanwendung des § 43 a Abs. 2 StGB. gelten jedoch nur für einen Strafausspruch nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und erstrecken sich nicht auf Aussprüche nach § 12 Abs. 3 SuchtgiftG., insbesondere nicht auf Fälle, die einerseits die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB.) nicht erlauben, andererseits aber auch nicht die gänzliche bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe ermöglichen bzw. die uneingeschränkte Verweigerung dieser Rechtswohltat gebieten.

Mit ihrer zwar berechtigten, aber infolge des Vorgehens nach § 290 Abs. 1 StPO. gegenstandslos gewordenen Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit ihrer Berufung bezüglich F*** war die Staatsanwaltschaft auf die vorstehend begründeten Urteilsaussprüche zu verweisen. Der Ausspruch des Ersturteils über die Anrechnung der Vorhaft gemäß § 38 StGB. und der Kostenausspruch nach § 389 StPO. blieben unberührt.

In die Kosten des Rechtsmittelverfahrens war gemäß § 390 a StPO. nur der Angeklagte F*** zu verfällen, nicht aber der Angeklagte M***, weil ausschließlich von Amts wegen (§ 290 Abs. 1 StPO.) zu seinen Gunsten vorgegangen wurde.

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