OGH 13Os154/04

OGH13Os154/0422.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fuchsloch als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich S***** wegen des Verbrechens der Untreue als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. September 2004, GZ 111 Hv 90/04z-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.

Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Friedrich S***** des Verbrechens der Untreue als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Wien als Leiter des Berufsausbildungszentrums (BAZ) schuldlos handelnde leitende Angestellte des Vereins Berufsförderungsinstitut Wien [BFI Wien] bestimmt, die diesen leitenden Angestellten durch Rechtsgeschäfte eingeräumte Befugnis, über Vermögen des Vereins zu verfügen oder den Verein zu verpflichten, zu missbrauchen und dadurch dem BFI Wien einen 40.000 Euro übersteigenden Schaden zuzufügen, indem er die Bezahlung von (im Ersturteil detailliert angeführten) 18 Fakturen (Zeitraum: Oktober 1997 bis Dezember 2001) der Firma H***** des Helidor L*****, denen keine Leistung der Firma H***** zugrunde lag, veranlasste. Dem Urteil ist noch zu entnehmen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19 viertletzter Satz), dass der Angeklagte bloß als Mitarbeiter des Befugnisträgers agierte und selbst keine auf eine Vollmacht gestützte Vertretungshandlung vornehmen konnte, sondern Rechnungen lediglich auf ihre inhaltliche Richtigkeit prüfte (US 6, 12) und an die zur Auszahlung befugten Organe weiterleitete, welche festgestelltermaßen schuldlos [US 3, 6 und 12] die Zahlungen veranlassten.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, aus deren Anlass sich der Oberste Gerichtshof überzeugte, dass der angefochtene Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten (§ 290 Abs 1 StPO) verfehlt ist.

Der Tatbestand der Untreue nach § 153 StGB setzt nämlich voraus, dass dem Täter eine Vertretungsmacht (Vollmacht) eingeräumt wurde, rechtliche Handlungen zu setzen, die unmittelbar für den Vertretenen wirken, also dessen Vermögenslage direkt beeinflussen (vgl Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 153 Rz 33). Die im angefochtenen Urteil angesprochene Vertretungsmacht bezieht sich auf eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung aus dem Dienstverhältnis des Angeklagten zum BFI. Wer hingegen bloß als Mitarbeiter des Befugnisträgers agiert und selbst keine auf eine Vollmacht gestützte Vertretungshandlung vornehmen kann, scheidet als unmittelbarer Täter einer Untreue aus (vgl Kirchbacher/Presslauer § 153 Rz 13; Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 153 Rz 39). Eine Mitentscheidungsbefugnis reicht für die Annahme einer unmittelbaren Täterschaft nach § 153 StGB aus (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 153 Rz 18; Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 153 Rz 37). Eine solche rechtsmissbräuchliche Handlung kann nun auch darin bestehen, eine ungerechtfertigte Zahlungsanweisung zu erteilen (vgl Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT § Rz 14 Os 2/01). Dazu bedarf es aber zumindest der (allenfalls mit anderen gemeinsam zustehenden) Rechtsmacht, die Zahlstelle der den Täter bevollmächtigenden Firma zur Überweisung von Geldern zu verpflichten. Die fallbezogen inkriminierte bloße Prüfung einer Rechnung auf ihre inhaltliche Richtigkeit (US 6, 12) und deren Weiterleitung an das zur Auszahlung befugte Organ, welches - wie im Ersturteil ausdrücklich angenommen schuldlos (US 3, 6 und 12) - die Zahlung veranlasste, vermag aber noch keinen solchen eigenen Befugnismissbrauch des Prüfenden zu begründen.

Ausgehend von dieser Feststellungsgrundlage handelte der Angeklagte demnach als Extraneus, der einen unvorsätzlich handelnden Intraneus zum (solcherart schon sprachlich nicht möglichen) „Missbrauch" seiner Vertretungsmacht bestimmte. Dieses Verhalten kann dem § 153 StGB nicht unterstellt werden; er haftet jedoch allenfalls wegen Betruges. Der sohin verfehlte Schuldspruch war zu beseitigen. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst steht jedoch nicht heran, weil zufolge der irrigen Rechtsansicht des Erstgerichtes zum allenfalls gegebenen Betrug (Leukauf/Steininger Komm3 § 153 RN 47) Feststellungen entscheidender Tatsachen, insbesondere der deliktsspezifischen Vorsatzelemente, fehlen.

Das Urteil war daher - ohne dass es eines Eingehens auf die Nichtigkeitsbeschwerde bedurfte - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung mit Erneuerungsanordnung aufzuheben (§ 285e StPO) und der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde hierauf zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte