Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Schöffengerichtes wurde der Angeklagte Johann A des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach den §§ 83 Abs. 1, 85 Z. 1
StGB. schuldig erkannt, weil er am 22.Februar 1977 in Gutenstein (N§.) den Anton B durch mehrere kräftige Faustschläge in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzte, wobei die Tat eine dauernde schwere Schädigung des Sehvermögens, nämlich eine Lähmung des rechten oberen geraden Augenmuskels mit eintretenden Doppelbildern, ferner eine Gehirnerschütterung, einen Bruch beider Jochbogen, des Nasenbeins und des Unterkiefers, sowie kleine Weichteilwunden am Nasenrücken und an der Unterlippe zur Folge hatte.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Unter Anrufung des letztgenannten Nichtigkeitsgrundes macht der Beschwerdeführer geltend, das Erstgericht habe rechtsirrig das Vorliegen einer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 StGB. erfüllenden Notwehrsituation verneint und deshalb zu Unrecht eine Beurteilung seiner Tat (bloß) als fahrlässige Notwehrüberschreitung nicht in Betracht gezogen.
Rechtliche Beurteilung
Dem Beschwerdeeinwand kommt Berechtigung nicht zu.
Das Erstgericht ging zwar, der (seiner Ansicht nach insoweit unwiderlegbaren) Darstellung des Angeklagten folgend, davon aus, daß Anton B bei dem gegenständlichen Vorfall ein Messer in Händen gehabt habe, gelangte jedoch in Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs. 2 StPO.) zur Überzeugung, daß ein gegenwärtiger oder unmittelbar drohender Angriff mit diesem Messer, der eine Abwehr durch mehrere kräftige Faustschläge erfordert hätte, nicht vorgelegen sei. Es stützte sich hiebei einerseits auf die Verantwortung des Angeklagten selbst, Anton B habe mit dem Messer weder Angriffshandlungen unternommen noch solche angedroht, sondern nur mit der linken Hand auf ihn eingeschlagen und ihn 'angerempelt', anderseits auf die als glaubwürdig beurteilten Aussagen der Zeugen Barbara C und Gabriele D, wonach der Angeklagte noch auf den bereits auf dem Boden liegenden B eingeschlagen habe und ihm mit den Füßen ins Gesicht getreten sei. Ferner wurde in Betracht gezogen, daß der Beschwerdeführer nach den Angaben der Zeugin Michaela E dem B (schon vorher) den Fuß gestellt hatte und laut Zeugenaussage des Robert F kurz nach dem Vorfall sich damit brüstete, es 'ihm' (B) gegeben zu haben. Die erstgerichtliche Annahme, der Angeklagte habe, als ihn der erheblich alkoholisierte B anging, seinerseits die Gelegenheit genützt, sich zu rächen und ihn zu verletzen, mithin nicht bloß einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriff auf seine körperliche Integrität von sich abwehren wollen, findet demnach in den im Urteil dargelegten Umständen eine schlüssige und zureichende Begründung, die aktenmäßig gedeckt ist. Soweit der Beschwerdeführer demgegenüber aus den Verfahrensergebnissen andere - für ihn günstigere -
Schlußfolgerungen ziehen will, bekämpft er nur auf eine im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof unzulässige und daher unbeachtliche Weise die freie Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, der formale Begründungsmängel im Sinn der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. nicht anhaften.
Da das Erstgericht sohin sowohl (objektiv) eine Notwehrsituation verneinte als auch ausschloß, daß der Angeklagte (subjektiv) in der (irrigen) Annahme, von seinem Gegner mit einem Messer tätlich angegriffen zu werden, bloß abwehren wollte, wurde bereits deshalb - wie schon die Generalprokuratur ausführt - rechtlich zutreffend weder rechtfertigende Notwehr im Sinn des § 3 Abs. 1 StGB. noch Putativnotwehr (§ 8 StGB.) zugebilligt. Die weitere in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob es dem Angeklagten nicht außerdem nach der Lage des Falls möglich und zumutbar gewesen wäre, eine Konfrontation mit Anton B zu vermeiden, und ein Handeln in Ausübung gerechter Notwehr folglich schon aus diesem Grund auszuschließen sei (SSt. 43/50 u.a.m.), bedarf daher keiner Erörterung. Es zeigt sich aber auch, daß angesichts des Fehlens echter Notwehr oder einer Putativnotwehr eine fahrlässige Notwehrüberschreitung schon begrifflich nicht in Betracht kam und daher die Frage ihres Vorliegens im Urteil zu Recht nicht behandelt wurde.
Ferner bekämpft der Beschwerdeführer unter Geltendmachung der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. den erstgerichtlichen Ausspruch, seine Tat habe für immer oder für lange Zeit eine schwere Schädigung des Sehvermögens des Anton B zur Folge gehabt, als mangelhaft begründet und rechtlich verfehlt. Eine den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. verwirklichende Verletzung von Verteidigungsrechten erblickt er insoweit in der Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf persönliche Vernehmung des Sachverständigen Prof. Dr. Heinz G zum Beweis dafür, daß durch die Tat keine schweren Dauerfolgen (im Sinn des § 85 Z. 1 StGB.) eingetreten seien (S. 188 d. A.).
Auch damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen führte die Tat des Angeklagten u.a. zu einer bleibenden Lähmung des rechten oberen geraden Augenmuskels, die - bei sonst intakter Sehleistung - eine schwere Schädigung des beidäugigen Sehaktes infolge Auftretens von Doppelbildern, vor allem beim Blick nach rechts und nach oben, zur Folge hatte, wobei mit einer Spontanbesserung nicht zu rechnen ist und eine operative Korrektur äußerst gewagt wäre. Das Erstgericht stützte sich insofern auf die Befunde und Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Primarius Dr. Anton H (ON. 4) und des Facharztes für Augenheilkunde Prof. Dr. Heinz G (ON. 30), denen Mängel und Widersprüche im Sinn der §§ 125, 126 StPO. nicht anhaften. Schon das in der Hauptverhandlung vorgetragene und erläuterte Gutachten des Sachverständigen Dr. Anton H, der auch auf das vorerwähnte schriftliche (in der Hauptverhandlung einverständlich verlesene) Gutachten des Prof. Dr. Heinz G Bezug nahm, bot eine zureichende Feststellungsgrundlage zur Beurteilung des Verletzungsgrades und der Verletzungsfolgen. Dem bekämpften Ausspruch haftet daher ein formeller Begründungsmangel nicht an und es konnte die Vernehmung eines zweiten Sachverständigen in der Hauptverhandlung ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Beschwerdeführers unterbleiben.
Ein Verfahrensmangel liegt aber auch deshalb nicht vor, weil die im Beweisthema des abgelehnten Beweisantrages enthaltene Frage, ob die Tatfolgen als schwere Dauerfolgen im Sinn des § 85 Z. 1 StGB. zu beurteilen sind, eine Rechtsfrage darstellt, die vom Gericht auf Grund der im Urteil getroffenen tatsächlichen Konstatierungen selbständig zu lösen war.
In rechtlicher Hinsicht ist dem angefochtenen Urteil - in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur - darin beizupflichten, daß das Auftreten von Doppelbildern in der festgestellten Weise eine schwere Schädigung des Sehvermögens bedeutet. Denn eine derartige, höchstens durch eine mit Risken verbundene komplizierte Operation allenfalls behebbare, dauernde partielle Funktionsstörung des Auges bewirkt eine sehr wesentliche nachteilige Beeinträchtigung des Gebrauchs des Sehvermögens, deren Tragweite schon im Hinblick auf die dadurch hervorgerufene Verengung des Sehfeldes nicht gering veranschlagt werden kann. Daran vermag nichts zu ändern, daß die Sehkraft des Anton B als solche erhalten blieb, Doppelbilder nicht bei jeder Blickrichtung auftreten und eine Korrektur der Verletzungsfolgen durch einen operativen Eingriff nicht schlechthin ausgeschlossen ist. Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß von einer schweren Schädigung im Sinn der Z. 1 des § 85 StGB. nur dann gesprochen werden könnte, wenn sie dem Verlust des betroffenen Sinnes oder Organs nahekomme, was vorliegend nicht zutreffe, findet im Gesetz keine Deckung.
Die Unterstellung der Tat (auch) unter die Bestimmung des § 85 Z. 1 StGB. (und nicht bloß unter jene des § 84 Abs. 1 StGB.) erweist sich sohin frei von Rechtsirrtum. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher als zur Gänze unbegründet zu verwerfen.
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