OGH 13Os147/96

OGH13Os147/9611.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Dezember 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helmut Franz S***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13.Mai 1996, GZ 4 b Vr 3435/96-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, des Angeklagten Helmut Franz S***** und der Verteidigerin Dr.Wolf zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der dem Angeklagten zu Punkt 4. des Schuldspruches zur Last liegenden Tathandlung als Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB sowie im Schuldspruch zu Punkt 6. wegen des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich des Einziehungserkenntnisses nach § 26 StGB) mit Ausnahme des Einziehungserkenntnisses nach § 16 Abs 3 SGG und der Vorhaftanrechnung aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Helmut Franz S***** hat durch die in den Punkten 1. und 4. des Schuldspruchs bezeichneten Tathandlungen das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall und § 15 StGB begangen.

Er wird hiefür sowie für die unberührt gebliebenen Punkte 2, 3, 5 und 7 des Schuldspruches nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt.

Von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe am 6.Februar 1995 in Wien eine verbotene Waffe, nämlich ein Butterfly-Messer unbefugt besessen, wird Helmut Franz S***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde betreffend Punkt 6 des Schuldspruches wird der Angeklagte auf diesen Freispruch verwiesen.

Im übrigen werden seine Nichtigkeitsbeschwerde verworfen und seine (angemeldete, jedoch nicht ausgeführte) Berufung wegen Schuld zurückgewiesen.

Mit ihren (Straf-)Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf den neuen Strafausspruch verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut Franz S***** sowohl des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB (1.) als auch des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (4.) sowie der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (2.), nach § 16 Abs 1 SGG (3.), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (5.), nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG (6.) und des tätlichen Angriffes auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB (7.) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit für das Rechtsmittelverfahren von Bedeutung - in Wien

(1.) am 22.September 1995 dadurch, daß er in einer B*****-Filiale eine Doppelpackung Videocasetten im Wert von 199 S in seinen Hosenbund steckte und ohne zu bezahlen die Kassa passierte, eine fremde bewegliche Sache Verfügungsberechtigten der Firma B***** Waren GesmbH mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, indem er auf den Filialleiter Helmut B***** einschlug und diesen stieß;

(2.) am 22.September 1995 dadurch, daß er auf den einschreitenden Sicherheitswachebeamten Insp.Bernd W***** trat, mit Gewalt einen Beamten an einer Amtshandlung, nämlich an der Festnahme wegen des Ladendiebstahls zu hindern versucht;

(3.) ...

(4.) am 11.November 1994 zwei Wandteller dem Dusan I***** mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

(5.) ...

(6.) am 6.Februar 1995 eine verbotene Waffe, nämlich ein Butterfly-Messer unbefugt besessen;

(7.) am 12.Dezember 1995 dadurch, daß er Bez.Insp.Ernst G***** und Insp.Claudia K***** jeweils einen Stoß versetzte, Beamte während einer Amtshandlung tätlich angegriffen.

Rechtliche Beurteilung

Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit einer angemeldeten (S 321), jedoch nicht ausgeführten "Berufung wegen Schuld".

Nach dem Beschwerdeantrag ("... wolle das angefochtene Urteil aufgehoben werden ...") wird zwar das Urteil zur Gänze angefochten, die Nichtigkeitsbeschwerde enthält indes nur Ausführungen zu den Punkten 1, 2, 6 und 7, nicht aber zu den Punkten 3, 4 und 5. In Ansehung letzterer versagt die Nichtigkeitsbeschwerde somit schon deshalb, weil sie keine deutliche und bestimmte Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen enthält (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO).

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war zurückzuweisen, weil der Strafprozeßordnung ein solches Rechtsmittel gegen Urteile der Kollegialgerichte fremd ist (§§ 283 Abs 1, 294 Abs 2 StPO).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) hat das Erstgericht die zu Punkt 1. des Schuldspruchs (wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall) StGB getroffenen Urteilsannahmen keineswegs unbegründet gelassen, sondern sie aus den als Prämissen herangezogenen Angaben des Zeugen Helmut B***** durchaus richtig abgeleitet (US 10 und 19 f). Soweit der Angeklagte in seiner Beschwerdeschrift hiezu noch behauptet, sich lediglich auf Abwehrreaktionen gegen Angriffe dieses Zeugen beschränkt und keineswegs Gewalt mit der Absicht auf Erhaltung der Beute angewendet zu haben (in der Hauptverhandlung hat er im Gegensatz dazu lediglich davon gespochen, zuerst angegriffen worden zu sein; vgl S 295 und US 16), kritisiert er - von der mangelnden Entscheidungswesentlichkeit der Frage abgesehen, ob der Dieb die Gewalt als erster angewendet hat oder dies erst im Zuge einer Gegenwehr gegen seine Anhaltung getan hat (vgl Mayerhofer/Rieder StGB4 § 131 E 6) - unzulässig die erstrichterliche Beweiswürdigung.

Zu Unrecht vermißt der Angeklagte aber auch den Schuldspruch zu 2. (wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt) betreffende Feststellungen darüber, ob er die wegen des erwähnten räuberischen Diebstahls gegen ihn einschreitenden Sicherheitswachebeamten überhaupt als solche erkannt oder nur in der Meinung gehandelt hat, Zugriffe auf den eigenen Körper abzuwehren. Hat das Erstgericht doch - von der Wahrnehmung der uniformierten Sicherheitswachebeamten durch den Angeklagten ausgehend - als erwiesen angenommen, daß sich der Tatvorsatz des Angeklagten auf die Hinderung der gegen ihn gerichteten Amtshandlung erstreckte (US 10 und 20).

Die Annahme der Kenntnis des Angeklagten von einer Amtshandlung (Schuldspruch zu Punkt 7. wegen des Vergehens des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB) konnte das Erstgericht aus den eigenen Bekundungen des Genannten über das tatrelevante Geschehen sowie aus dessen damit im Zusammenhang stehenden Verhalten folgern (US 11 und 24), sodaß auch insoweit von einem formellen Begründungsmangel keine Rede sein kann.

Nicht im Recht ist die Kritik an den zu diesem Schuldspruchsfaktum getroffenen Feststellungen über das Vorliegen eines tätlichen Angriffes. Unter einem solchen Angriff im Sinne des § 270 Abs 1 StGB ist jede unmittelbar wider den Körper des betroffenen Beamten gerichtete Tätlichkeit zu verstehen, das heißt jede unmittelbar auf diesen zielende Einwirkung (Leukauf-Steininger Komm3 § 270 RN 3). Unter den Begriff der Tätlichkeiten fällt somit auch das Versetzen von Stößen, wie es dem Angeklagten vom Erstgericht zur Last gelegt wird. Die eine Tatbildmäßigkeit solcher Stöße in Abrede stellende Beschwerdeargumentation erweist sich demnach als rechtsirrig.

Ebensowenig durchzudringen vermögen die Rechts(und Subsumtions)rügen (Z 9 lit a und 10) des Angeklagten, welche entscheidungswesentliche Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils übergehen und daher nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt sind.

Dies gilt zunächst für die zu Punkt 7. des Schuldspruches (wegen des Vergehens des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB) erhobenen Einwände, wonach der Angeklagte die inkriminierten Handlungen noch vor den Beginn einer gegen ihn persönlich gerichteten Amtshandlung verübt habe und sein Vorhaben auch keineswegs auf einen tätlichen Angriff auf die Beamten sondern bloß darauf gerichtet gewesen sei, wieder ins Freie zu gelangen (Z 9 lit a). Denn zum einen verübte der Angeklagte nach den Urteilskonstatierungen die inkriminierten Tätlichkeiten anläßlich seiner Perlustrierung bei der polizeilichen Intervention wegen des Einbruchsdiebstahls, somit während einer Amtshandlung (US 11), zum anderen haben die Tatrichter auch ausdrücklich insofern das Vorliegen der subjektiven Tatseite des § 270 Abs 1 StGB als erwiesen angenommen (US 11).

Mit der Behauptung, der Angeklagte habe die Sicherheitsbeamten aufgrund seiner Alkoholisierung nicht als solche erkannt und sei zudem lediglich Zugriffe auf seine eigene Person zu verhindern bestrebt gewesen (Z 9 lit a), negiert die Beschwerde die entsprechenden gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichtes (US 10 und 20).

Nichts anderes gilt für die Kritik an der rechtlichen Annahme (auch) der Qualifikation des räuberischen Diebstahls nach § 131 erster Fall StGB (Z 10), werden damit doch die ausdrücklichen Feststellungen des Erstgerichtes übergangen, daß der Angeklagte die Gewalt in der Absicht angewendet hat, sich die weggenommene Sache zu erhalten (US 10 und 20 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet und war zu verwerfen.

Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde war aber gemäß § 290 Abs 1 StPO festzustellen, daß die Schuldsprüche zu den Punkten 4. und 6. jeweils mit von ihm nicht bzw nicht in dieser Richtung geltend gemachter Nichtigkeit behaftet sind.

Im Sinne der bisherigen Judikatur bilden nach § 29 StGB alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jeder Diebstahl für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung eine Einheit, sodaß die vorliegende Annahme eines Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (Punkt 4. des Schuldspruches) neben dem Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB (Punkt 1. des Schuldspruchs) unzulässig ist (s. Leukauf-Steininger Komm3 § 29 RN 6, Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 10 ENr 22, JBl 1996 S 735). Dies war im vorliegenden Fall zum Nachteil des Angeklagten wie sich aus den Strafzumessungserwägungen ergibt.

Als verfehlt erweist sich auch der Schuldspruch zu Punkt 6. (wegen des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG), weil es sich bei einem Butterfly-Messer nicht um eine verbotene Waffe nach § 11 Z 7 WaffG handelt (vgl hiezu Mayerhofer/Rieder, Nebenstrafrecht3 § 11 WaffG ENr 9 a = NRsp 1990/200). Dem Urteil haftet daher insoweit der Nichtigkeitsgrund nach Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO an. Demzufolge erweist sich ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen zu diesem Schuldspruchfaktum als entbehrlich.

Aufgrund dieser Erwägungen war gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil im Ausspruch über die gesonderte rechtliche Beurteilung der dem Angeklagten in Punkt 4. des Schuldspruches zur Last liegenden Tathandlung als Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, sowie im Schuldspruch zu Punkt 6. wegen des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG und demzufolge auch im Strafausspruch (teilweise) aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen, und insoweit sowie hinsichtlich der dem Genannten nach dem unberührt bleibenden Teil der Schuldsprüche weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen mit einem neuen Strafausspruch vorzugehen.

Bei der notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe, die (wie bisher) nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB zu erfolgen hat, war erschwerend zu werten neben den einschlägigen Vorstrafen das Zusammentreffen eines Verbrechens mit (nur mehr) vier Vergehen, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis. Unter Berücksichtigung des sozialen Störwertes der Taten und der Persönlichkeit des Täters sowie die allgemeinen Strafzumessungsgründe des § 32 StGB ist eine neunmonatige Freiheitsstrafe angemessen; einer (teilweisen) bedingten Strafnachsicht konnte im Hinblick auf das erheblich getrübte Vorleben und sohin schon aus spezialpräventiven Erwägungen nicht nähergetreten werden.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf den neuen Strafausspruch zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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