OGH 13Os146/86

OGH13Os146/8613.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Täuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef G*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z. 1 und 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 19.Juni 1986, GZ. 7 b Vr 13.371/85-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, des Angeklagten Josef G*** und des Verteidigers DDr. Kollmann zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Josef G*** wurde der Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z. 1 und 2 StGB sowie der fahrlässigen Körperverletzung (unter besonders gefährlichen Verhältnissen) nach § 88 Abs 1 und 3 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 28.Oktober 1985 in Wien als Lenker eines Personenkraftwagens durch mangelhafte Beobachtung der vor ihm liegenden Fahrbahn sowie Einhalten einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit (mindestens 73 km/h), wodurch er mit seinem Fahrzeug an einen am Straßenrand abgestellten Lastkraftwagen auffuhr, unter besonders gefährlichen Verhältnissen fahrlässig den Tod der Angela S*** sowie eine Schädelprellung und eine Rißquetschwunde mit Nasenbeinbruch (ohne Verschiebung der Bruchstücke) des Friedrich B***, sohin eine Verletzung leichten Grades mit Gesundheitsschädigung von über dreitägiger, jedoch unter 24-tägiger Dauer herbeigeführt, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand (mindestens 1,9 %o) versetzt hatte, obwohl er vorhergesehen hat, daß ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeugs, mithin eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet ist.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a (richtig: 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Mängelrüge wendet sich gegen den Schuldspruch nach § 81 Z. 2 StGB. Sie beschränkt sich jedoch weitgehend auf eine Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung, indem sie darzutun versucht, daß - trotz der mit zahlreichen Argumenten getroffenen Feststellung (S. 199 bis 207, namentlich S. 205) - der Beschwerdeführer im Lauf des Abends vor dem Unfall auf sein abgestelltes Auto vergessen habe. Soweit der Beschwerdeführer die unterbliebene zeitliche Bestimmung des früheren Selbstmordversuchs seiner Lebensgefährtin rügt, ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich dabei ebenso um eine unentscheidende Tatsache (Z. 5) handelt wie beim Inhalt des vom Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin geführten Telephongesprächs. Im übrigen vermag der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang keine Begründungsmängel aufzuzeigen, sondern bekämpft er lediglich die erstgerichtliche Beweiswürdigung, die sich nicht über wesentliche Verfahrensergebnisse "glatt hinwegsetzt", wie er vorbringt, sondern vielmehr sämtliche Beweisergebnisse eingehend erörtert und die Ablehnung der vom Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin, der Zeugin Erika J***, gegebenen Darstellung des nächtlichen Ferngesprächs sorgfältig in einer den Denkgesetzen entsprechenden Weise begründet (S. 203 f.).

Die Heranziehung der Z. 1 neben der Z. 2 des § 81 StGB bekämpft der Beschwerdeführer unter § 281 Abs 1 Z. 10 (nominell auch Z. 9 lit a) StPO. Er wendet sich gegen die Annahme eines unbestimmten Gefahrenradiusses, weil die Praterstraße zur Unfallszeit, wie er - im Hinblick auf den festgestellten, wenn auch schwachen Fahrzeugverkehr (S. 15 unten, 19, 21 und 191) von der damit gegebenen Entscheidungsgrundlage abweichend - behauptet, menschenleer gewesen sei. Damit verkennt der Beschwerdeführer jedoch die Rechtslage: Zur Verwirklichung des § 81 Z. 1 StGB genügt eine gegenüber Normalfällen qualitativ verschärfte Gefahrenlage im Sinn einer außergewöhnlich hohen Unfallwahrscheinlichkeit für eine Person (SSt. 48/24). Aus den festgestellten, gefahrenbegründenden Umständen, nämlich aus der Einhaltung einer nicht nur relativ, sondern auch absolut überhöhten Geschwindigkeit von mindestens 73 km/h zur Nachtzeit im Stadtgebiet sowie aus der äußerst mangelhaften Beobachtung der Fahrbahn durch den Angeklagten ergibt sich eine solche besonders große Unfallgefahr (ZVR. 1983 Nr. 43 u. a.), die sich darin verwirklichte, daß der Angeklagte mit seinem Fahrzeug an das von ihm erst 1,2 sec vor dem Aufprall wahrgenommene, am Straßenrand haltende Lastauto mit einer Kontaktgeschwindigkeit von mindestens 65 km/h auffuhr. Unter diesen Umständen waren todbringende Verletzungen der rechts vom Angeklagten sitzenden und damit beim Auffahrunfall von der Anprallwucht voll getroffenen Angela S*** höchstwahrscheinlich. Auf die vom Erstgericht zusätzlich erörterte Gefährdung unbekannter Personen durch das vom Anprall des Personenkraftwagens des Angeklagten ausgelöste Abrollen des Lastkraftwagens über eine Strecke von 17 m kommt es nicht mehr an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Josef G*** nach § 81 StGB unter Anwendung von § 28 StGB zu einer fünfzehnmonatigen Freiheitsstrafe. Es wertete als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen (die letzte wegen einer Rauschtat), sowie das Zusammentreffen von zwei Vergehen und die zweifache Qualifikation, mildernd hingegen das Teilgeständnis zum Unfall sowie ein gewisses Mitverschulden der Getöteten und des Verletzten, die die Alkoholisierung des Angeklagten erkannten und dessen eigene Verletzung.

Der gegen das Strafmaß und die Nichtanwendung des § 43 StGB berufende Angeklagte vermag für sich nichts Entscheidendes ins Treffen zu führen.

Auf Grund der telephonischen Mitteilung seiner Lebensgefährtin, endlich rasch nach Hause zu kommen, nachdem der Angeklagte seine Zechtour bis zur Sperrstunde ausgedehnt hatte, bestand für diesen keine Notwendigkeit, mit dem eigenen Auto betrunken nach Hause zu fahren. Auch wenn der Angeklagte damals kein Bargeld bei sich hatte, hätte er als Einkommensbezieher und Fahrzeugeigentümer ein Taxi aufnehmen können, ohne deshalb - wie die Berufung vermeint - den Taxilenker über den Zahlungswillen und die Zahlungsfähigkeit täuschen und solcherart betrügerisch zu einer Fahrt überreden zu müssen.

Die Mitschuld der Getöteten und des Verletzten wurde ausdrücklich als mildernd erwähnt und gewertet. Ein noch größeres Maß an Mitverantwortung der Opfer und ein weitaus geringeres Verschulden des Angeklagten als vom Erstgericht angenommen, läßt sich aus dem gemeinsamen Alkoholgenuß des Angeklagten mit seinen späteren Mitfahrern und der jetzigen Forderung des Beschwerdeführers, diese hätten ihn seinerzeit an der Fahrt hindern sollen, nicht ableiten.

Der Lastkraftwagen des Unfallsgegners war nicht mangelhaft, sondern nach den Urteilsannahmen ordnungsgemäß beleuchtet und infolge der zusätzlich eingeschalteten öffentlichen Straßenbeleuchtung gut zu sehen (S. 191 f.). Dieses Fahrzeug dennoch zu spät bemerkt zu haben, geht ausschließlich zu Lasten des Berufungswerbers. Dieser ist angesichts der Unfallfolgen, ausgelöst durch seinen hohen Alkoholisierungsgrad, keineswegs zu streng bestraft worden. Die zwischenzeitigen Zahlungen (6.000 S) an den Versicherer des Angeklagten (W*** A*** V***-AG) fallen angesichts der Art des Delikts und der Schwere des Verschuldens nicht ins Gewicht.

Es sind auch keine Gründe zu finden, die Gewähr bieten würden, daß ohne Strafvollzug der wiederholt einschlägig vorbestrafte Rechtsbrecher keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werde (§ 43 Abs 2 StGB).

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