OGH 13Os144/82

OGH13Os144/8216.12.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Dezember 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Hammer als Schriftführers in der Strafsache gegen Helene A wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs. 2, 224 StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 27.Oktober 1980, AZ. 27 Bs 378/80, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 27.Oktober 1980, AZ. 27 Bs 378/80, verletzt die Bestimmung des § 223 Abs. 2 StGB Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien und sämtliche darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien, insbesonders die Endverfügung vom 13.Jänner 1981 (ON. 19) sowie der Beschluß vom 22.April 1982 (ON. 33), nach dessen Spruch die (richtig) mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 27.Oktober 1980 bestimmte Probezeit von zwei Jahren auf fünf Jahre verlängert wurde, werden aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3, 292 StPO in Verbindung mit § 474, 489 Abs. 1 StPO über die Berufung der Staatsanwaltschaft wie folgt erkannt:

Die Berufung wird als ungegründet zurückgewiesen.

Text

Gründe:

I. Aus den Akten 2 a E Vr 3640/80 des Landesgerichts für Strafsachen Wien und 27 Bs 378/80 des Oberlandesgerichts Wien ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 17.Jänner 1980 wies sich Helene A in Klosterneuburg bei Überprüfung ihrer Personalien gegenüber dem Gendarmerierevierinspektor B mit ihrem am 3.Mai 1978 von der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung ausgestellten Reisepaß Nr. L 0641201 aus. Dabei schöpfte der Beamte Verdacht, daß sie das ursprünglich im Reisepaß befindliche Photo durch ein anderes (in früherer Zeit von ihr aufgenommenes) Lichtbild ersetzt habe, zumal auch der Stempelabdruck auf Photo und Urkunde nicht übereinstimmte. Helene A gab hiezu zunächst an, daß ihr das Photo von dem (allerdings nicht zuständigen) Stadtgemeindeamt Klosterneuburg ausgetauscht worden wäre, und sodann, daß dies von der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung geschehen sei. Nach den Gendarmerieerhebungen traf diese Darstellung nicht zu, weil im Falle eines Austausches eines Paßphotos ein neuer Reisepaß ausgestellt wird (S. 7 d.A.).

Am 31.März 1980 stellte die Staatsanwaltschaft Wien gegen Helene A Strafantrag wegen Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den § 223 Abs. 2, 224 StGB mit dem Vorwurf, Helene A habe durch Vorlage ihres Reisepasses, in welchem sie das Lichtbild ausgetauscht hatte ('ersetzt durch ein Jugendphoto'), bei der Gendarmerie eine verfälschte inländische öffentliche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich ihrer Identität, gebraucht (ON. 3). Von dieser Anklage wurde Helene A mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29.Juli 1980, GZ. 2 a E Vr 3640/80-10, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß Helene A zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt aus Eitelkeit in den gegenständlichen Reisepaß anstelle des bis dahin darin befindlichen ein anderes Lichtbild geklebt hatte, das sie zwar erkennbar wiedergab, sodaß ein Zweifel an ihrer Identität nicht entstehen konnte, das sie aber zu einem Zeitpunkt, als sie jünger war und vorteilhafter aussah, zeigte.

Beim Austausch des Lichtbilds wurde der Stempelabdruck der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung beschädigt, 'bzw. die mit diesem Beglaubigungszeichen versehene Sache so verändert, daß der Stempel nur mehr in Fragmenten vorhanden war' (S. 39 d.A.). In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht das Vorliegen einer Verfälschungshandlung im Sinne der § 223, 224 StGB, weil durch den Austausch des Lichtbilds Zweifel an der Identität der Paßinhaberin nicht entstehen konnten, demnach der gedankliche Inhalt der Urkunde durch das Vorgehen der Beschuldigten nicht verändert worden sei.

Gegen dieses Urteil erhob die Staatsanwaltschaft Berufung (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a, 489 Abs. 1, 468

Abs. 1 Z. 4 StPO, ON. 13), welcher das Oberlandesgericht Wien Folge gab und Helene A mit Urteil vom 27.Oktober 1980, AZ. 27 Bs 378/80 (ON. 18 der erstgerichtlichen Akten) im Sinne des Strafantrags der Staatsanwaltschaft schuldig sprach.

Rechtliche Beurteilung

II. Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht steht - allerdings aus anderen als den von der Generalprokuratur angeführten Gründen - mit dem Gesetz (§ 223 StGB) nicht im Einklang. Verfälscht im Sinn des § 223 StGB wird eine echte Urkunde, wenn der Täter ihren gedanklichen Inhalt unbefugt abändert und zugleich den Anschein erweckt, als stamme der jetzige Inhalt vom Aussteller. Maßgebend für die Verfälschung einer Urkunde ist daher im Regelfall die (vorsätzliche) Änderung des gedanklichen Inhalts und die Verschleierung der Identität des Ausstellers durch die Inanspruchnahme des Ausstelleranscheins. Ob die inhaltliche Änderung wesentlich ist oder nicht oder ob damit entgegen einem unrichtigen (oder unrichtig gewordenen) Urkundeninhalt Wahres beurkundet werden soll, bleibt unerheblich (11 Os 164/82 und die dort angeführte Literatur).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Bei Ausweisen (sogenannten zusammengesetzten Urkunden) ist das von der Behörde eingefügte Lichtbild zwar an sich keine Urkunde, wird aber mit seiner Befestigung im Ausweis zu einem wesentlichen Bestandteil der darin verkörperten Erklärung der Behörde. Daher ist das eigenmächtige Auswechseln eines Lichtbildes in einem Ausweis (grundsätzlich) Urkundenfälschung (Steininger, Bezauer Tage, Strafrecht 1979, 156). In der Regel wird demnach - wie hier - ein Reisepaß dann verfälscht, wenn in diesen ein anderes Lichtbild eingeklebt wird, sofern zwischen diesem und dem ursprünglich von der ausstellenden Behörde im Reisepaß angebrachten keine inhaltliche Identität besteht. Denn dadurch ist das vom Gesetzgeber geschützte Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Urkunde nicht mehr im uneingeschränkten, von der Behörde gewollten ('gedanklichen') Umfange gewährleistet (abermals 11 Os 164/82 unter ausdrücklicher Ablehnung der schon damals von der Generalprokuratur unter Anlehnung an Kienapfel in ZVR. 1982, 144, vertretenen weitergehenden Auffassung; der Oberste Gerichtshof schließt sich der in der genannten Entscheidung vertretenen Ansicht an und verweist die Generalprokuratur, die im vorliegenden Falle erneut diese Meinung vertritt, auf die Gründe der zu 11 Os 164/82 gefällten Entscheidung). Der auf Abänderung des gedanklichen Inhalts gerichtete Vorsatz wurde vom Oberlandesgericht angenommen (siehe S. 60/61).

Das Berufungsgericht hat im gegenständlichen Falle ferner konstatiert, die Angeklagte habe durch das Austauschen des Lichtbilds (subjektiv) darzutun versucht, daß das von ihr eingefügte Photo vom Aussteller der Urkunde stamme, und daß sie den Reisepaß einem Gendarmeriebeamten gegenüber zum Beweise ihrer Identität gebrauchte.

Es hat jedoch keine Feststellungen darüber getroffen, ob dadurch auch objektiv dieser Anschein erweckt werden konnte. Eine solche Feststellung zu treffen war im vorliegenden Fall, wie sich der Oberste Gerichtshof auf Grund des Akteninhalts einschließlich des verfahrensgegenständlichen Reisepasses überzeugte (vgl. 12 Os 124/79, JBl. 1951 S. 91), nicht möglich:

Nach der Beschaffenheit des von der Angeklagten eingefügten Lichtbilds - dieses ist entgegen jeder Behördenübung an zwei Ecken auffallend schräg zugeschnitten -

und der krassen Nichtübereinstimmung des Verlaufes des Prägestempels auf dem Bild einerseits und dem Paßformular andererseits, ist die Annahme der beschriebenen Anscheinserweckung, das Lichtbild sei von der ausstellenden Behörde eingefügt, auch bei flüchtiger Betrachtung und selbst unter den hier sinngemäß anzuwendenden (strengen) Regeln des § 15 Abs. 3 StGB ausgeschlossen (siehe EvBl. 1978, 200). Es war der Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur daher im Ergebnis Folge zu geben und der in erster Instanz gefällte Freispruch wiederherzustellen.

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