OGH 13Os140/96 (13Os141/96)

OGH13Os140/96 (13Os141/96)22.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Jänner 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Ebner, Dr.Rouschal und Dr.Habl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing.Rupert P***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9.Mai 1996, GZ 11 d Vr 9785/90-314, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tiegs, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Kuzmich zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, Ing.Rupert P***** habe den schweren Betrug gewerbsmäßig begangen und in der Beurteilung dieser Tat nach § 148 zweiter Fall StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch (mit Ausnahme des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) betreffend den Genannten aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Ing.Rupert P***** wird wegen der ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs zur Last liegenden Taten des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und 15 StGB schuldig erkannt und nach § 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 (vierzehn) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Ing.Rupert P***** wurde des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien (als Sachbearbeiter des Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds - kurz WBSF) in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Anton T***** als Mittäter (§ 12) mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Hauseigentümer sowie Bedienstete des WBSF durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe ordnungsgemäßer Verrechnung sowie ordnungsgemäßer Kontrolle vorgelegter Rechnungen im Zuge der Sanierung von Altbauten nach den Bestimmungen des Wohnhaussanierungsgesetzes (WSG), BGBl 1984/483, und des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetzes (WWFSG), LGBl 1989/18, zu Handlungen, nämlich zur Bezahlung tatsächlich nicht ausgeführter, doppelt verrechneter oder im Ausmaß überhöht in Rechnung gestellter Leistungen verleitet bzw zu verleiten versucht, die die Mieter des Hauses 1150 Wien, Tossgasse 4, sowie die Eigentümerin des Hauses 1180 Wien, Schumanngasse 1, Ingrid R*****, und in weiterer Folge die potentiellen Wohnungseigentumswerber dieses Hauses schädigten oder schädigen sollten, wobei er die Taten in der Absicht beging, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

I. im Zuge der Sanierung des Hauses 1150 Wien, Tossgasse 4, dessen Eigentümer Dkfm.Werner M*****

1) in der Zeit vom 3.Mai 1989 bis 20.Februar 1990 zur ungerechtfertigten Bezahlung von 656.703,95 S verleitet, wobei das Land Wien sowie die Mieter dieses Hauses um diesen Betrag am Vermögen geschädigt wurden;

2) am 17.August 1990 durch Vorlage der 13.Abschlagsrechnung zur ungerechtfertigten Bezahlung von weiteren 30.244 S zu verleiten versucht, wobei das Land Wien sowie die Mieter dieses Hauses um diesen Betrag am Vermögen geschädigt werden sollten;

II. im Zuge der Sanierung des Hauses 1180 Wien, Schumanngasse 1, dessen Eigentümerin Ingrid R***** in der Zeit von Februar 1989 bis 2. April 1990 zur ungerechtfertigten Bezahlung von 952.281,40 S verleitet, wobei das Land Wien sowie die Hauseigentümerin Ingrid R***** um diesen Betrag am Vermögen geschädigt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (S 241 f/IX) des in der Hauptverhandlung vom 17.April 1996 (S 482 f/VIII) gestellten Antrages auf Vernehmung des Zeugen DI Leopold W***** "zum Beweis dafür, daß ... Ing.P***** seine Prüfungstätigkeit ordnungsgemäß erfüllt hat", Verteidigungsrechte nicht verletzt. Diesem Antrag ist mangels jeglicher Bezugnahme auf konkrete Tatumstände nicht zu entnehmen, ob er auf die Beantwortung einer Tat- und nicht bloß allein einer Rechtsfrage abzielt; zudem fehlt jedwede Begründung, weshalb von der Aussage dieses Zeugen, der als ehemaliger Kollege des Nichtigkeitswerbers nicht mit der Prüfung der gegenständlichen, sondern mit anderen Sanierungsprojekten befaßt gewesen war (vgl S 392/I), (nunmehr) entscheidungsrelevante, der Entlastung des Angeklagten dienende Hinweise erwartet werden könnten.

Auch die Ablehnung des in der Hauptverhandlung vom 9.Mai 1996 (S 241/IX) gestellten Beweisantrages auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Bereich des Hochbaus stellt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht her, wurde doch die behauptete Widersprüchlichkeit des im Verfahren bereits erstatteten und eingehend erörterten Gutachtens in keinem einzigen Punkte dargetan. Damit mangelt es aber an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Beiziehung eines anderen Sachverständigen (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 133 und 133 a).

In seiner Mängelrüge (Z 5) versucht der Angeklagte zunächst, die Glaubwürdigkeit des (mittlerweile verstorbenen) Zeugen Wilhelm Sch***** mit der Behauptung der Unvollständigkeit der Urteilsbegründung in Zweifel zu ziehen, weil sich das Erstgericht mit jenen Passagen dessen Aussage, die sich in der Folge als unrichtig erwiesen, nicht auseinandergesetzt habe. Dazu war das Schöffengericht schon deshalb nicht verhalten, weil es sich hiebei um sowohl für die Beurteilung des Anklagesachverhalts als auch für die Glaubwürdigkeit des Zeugen bedeutungslose Umstände (ob nämlich der Beschwerdeführer auch bei dem - ihm gehörenden - Objekt Quellenstraße Betreuer im Fonds gewesen sei und ob er und T***** bei den Finanzämtern Leibnitz und Wien Freunde hätten) bzw um bloße Mutmaßungen (über die Bewertung der Wohnung des Angeklagten in der Quellenstraße als "luxuriös") handelte. Deren Widerlegung vermag daher die in wesentlichen Teilen durch andere Beweisergebnisse verifizierten Angaben des Wilhelm Sch*****, wodurch sich dieser auch der Gefahr eigener strafgerichtlicher Verfolgung ausgesetzt hatte (vgl US 29 f), nicht zu entwerten.

Die in der Mängelrüge ferner behaupteten Aktenwidrigkeiten betreffen keine entscheidungswesentlichen Tatsachen; denn weder (allfällige) Befugnisse des Sachbearbeiters zur Rückstellung von Anboten zwecks Verbesserung bzw zur Zuschlagerteilung noch die Gewichtung der verschiedenen Aufgaben eines solchen Referenten - (stichprobenweise) Rechnungsprüfung einerseits und Verfahrensabwicklung andererseits - sind für die rechtliche Unterstellung des dem Angeklagten angelasteten Verhaltens (nämlich der Vortäuschung ordnungsgemäßer Prüfung von Rechnungen) oder für den anzuwendenden Strafsatz maßgeblich. Gleiches gilt für die als "aktenwidrig" gerügte Urteilsannahme, daß der Angeklagte ab August 1986 als gewerberechtlicher Geschäftsführer der B***** GmbH fungierte (US 9).

Die - teilweise nominell auch unter dem Gesichtspunkt der Z 5 erhobene - Tatsachenrüge (Z 5 a) zeigt keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen auf. Soweit der Beschwerdeführer gegen die Urteilsfeststellungen über die Funktion des Mitangeklagten T***** in der S***** GmbH und über sein Wissen um diese Funktion auf davon abweichende Verfahrensergebnisse verweist, vernachlässigt er die vom Erstgericht hiezu angestellten beweiswürdigenden Erwägungen (US 27 bis 29, 30 f), wodurch die vorgebrachten Einwände entscheidend relativiert werden.

Zu Bedenken Anlaß gebende Umstände (Z 5 a) vermag der Beschwerdeführer auch gegen die Urteilsannahme, seine Beteiligung an den betrügerischen Handlungen des Mitangeklagten T***** sei geradezu Bedingung für den Erfolg gewesen, nicht darzutun. Insbesondere vermag die Aneinanderreihung aus dem Zusammenhang gelöster Beweisdetails und deren isolierte Betrachtung keine geeignete Grundlage für erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der erstgerichtlichen Konstatierungen über entscheidungswesentliche Tatsachen zu bilden. Dazu ist auch weder der Einwand bloß stichprobenweise erfolgter Rechnungsprüfung noch jener einer angeblich dem Beschwerdeführer selbst durch T***** (in einem von einem anderen Sachbearbeiter überprüften Fall) zugefügten (aber noch nicht bekannt gewesenen) Schädigung geeignet.

Gleiches gilt, sofern sie sich nicht überhaupt in einer hier unzulässigen Anfechtung der Beweiswürdigung erschöpfen, für jene Beschwerdeeinwendungen, die sich gegen die Feststellung des Erstgerichtes richten, Ulrike F*****, die ehemalige Lebensgefährtin des Nichtigkeitswerbers, habe für das ihr ausbezahlte Gehalt keine Leistungen erbracht (US 14, 31). Im übrigen betrifft diese Konstatierung ebensowenig wie die über weitere "Vergünstigungen" bzw "Zahlungen" (US 15 oben) des Mitangeklagten T***** zum Vorteil des Beschwerdeführers oder der Zeugin F***** eine entscheidende Tatsache, kann doch der Tatbestand des Betruges auch von einem nur auf unrechtmäßige Bereicherung eines anderen bedachten Täter verwirklicht werden.

Der Hinweis des Beschwerdeführers auf zahlreiche von ihm stammende Korrekturen auf den von ihm zu prüfenden Rechnungen wiederum steht der Konstatierung, er habe (andere) Rechnungspositionen im Bewußtsein anerkannt, daß sie nicht erbrachte oder überhöht verrechnete Leistungen betrafen (vgl S 221/I), nicht entgegen. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung können auch die Einwände, eine Überprüfung der tatsächlichen Erbringung verrechneter Leistungen sei im Einzelfall gar nicht möglich gewesen, Teilrechnungen würden nicht so detailliert wie Schlußrechnungen geprüft und auch ein externer Sachverständiger hätte das Fehlen von Leistungen nicht bemerkt, nicht erwecken. Ob dem Beschwerdeführer aber bei ordnungsgemäßer Prüfungstätigkeit alle Täuschungshandlungen T*****s aufgefallen wären, ist in Anbetracht des ihm angelasteten (umfassenden) Betrugsvorsatzes nicht von Bedeutung.

Die Kritik schließlich, der mehrfachen Änderungen und der Fehlerhaftigkeit des Sachverständigengutachtens wegen bestünden erhebliche Bedenken gegen die Feststellung einzelner Schadensbeträge, bleibt mangels Substantiierung einer sachlichen Erörterung en zogen.

Der in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Faktum I vertretenen Beschwerdeauffassung, im Hinblick auf den zum Zeitpunkt der

13. Abschlagsrechnung vorhandenen Deckungsrücklaß (von 792.179,92 S), der eine Sicherheit für die Auftragsgeber darstelle, und die festgestellte Schadenshöhe von insgesamt 686.947,95 S habe weder dem Land Wien noch den Mietern oder Eigentümern des Hauses Tossgasse ein Vermögensschaden entstehen können, ist entgegenzuhalten, daß ein präsenter Deckungsfonds einen Schaden und damit den objektiven Tatbestand des Betruges, bei Fehlen eines Erstattungswillens aber auch den unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatz des Betrugstäters keinesfalls ausschließt (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 146 RN 56, Kienapfel BT II3 § 146 RN 174).

Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Faktum II versagt. Der Beschwerde zuwider bestand auch bei Vorliegen eines sogenannten Pauschalauftrages die Verpflichtung zur Prüfung des (Generalunternehmer-)Offerts insbesondere dahin, ob die im Grundoffert enthaltenen Leistungen tatsächlich erbracht oder überhöht bzw doppelt verrechnet wurden (s S 547/VI f und 597 bis 607/VI in ON 157; 493, 497 verso/VIII). Zur Frage des Deckungsrücklasses wird auf das zuvor Gesagte verwiesen.

Die Beschwerde war somit teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt zu verwerfen.

Der Oberste Gerichtshof konnte sich allerdings davon überzeugen, daß dem Urteil eine unbekämpft gebliebene, materielle Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) anhaftet, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und deshalb gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war.

Insoweit dem Angeklagten nämlich die gewerbsmäßige Begehung der Betrugshandlungen und damit die Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB angelastet wird, stützt sich dieser Vorwurf lediglich darauf, daß der Mitangeklagte T***** dem Beschwerdeführer "Vergünstigungen" ("Zahlungen") zukommen ließ, indem er dessen damaliger Lebensgefährtin Ulrike F***** - ohne daß diese tatsächlich für ihn arbeitete - in seinem Bauunternehmen zu einem monatlichen Nettoeinkommen von etwa 7.000 S anstellte und ihr einen PKW der Marke Subaru, Baujahr 1988 überließ sowie dem Angeklagten selbst anfangs 1990 einen auf die S***** GmbH zugelassenen Mercedes 200 E auf Dauer zur Verfügung stellte, und indem der Angeklagte im Mai 1990 an einer von T***** organisierten Bootsreise in der Adria teilnahm (US 14 f).

Aus diesen Feststellungen geht die für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit essentielle Absicht des Beschwerdeführers, sich durch wiederkehrende Begehung der Tat daraus unmittelbar oder zumindest als unmittelbare wirtschaftliche Folge eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht hervor. Daß er eine solche Einnahme für seine Lebensgefährtin oder den Mitangeklagten T***** angestrebt hat, genügt daher ebensowenig wie die an ihn selbst erfolgte Gewährung von "Vergünstigungen", denen - wie der Mitnahme auf die Bootsreise - der Charakter einer fortlaufenden Einnahme überhaupt fehlt oder die - wie die Einsparungen durch die Fahrzeugbeistellung - nicht als unmittelbar aus der Tat gezogener Vermögensvorteil angesehen werden können (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 70 RN 6 a, § 148 RN 5). Andere Feststellungen, welche den Ausspruch gewerbsmäßiger Begehung des Betruges bezüglich des Nichtigkeitswerbers zu tragen vermögen, wurden nicht getroffen und sind auch nach der Aktenlage nicht zu erwarten.

Gemäß § 290 StPO war daher die Qualifikation nach § 148 StGB, nach der auch die Strafe bestimmt wurde, sofort aus dem Urteil auszuschalten.

Bei der dadurch notwendig gewordenen, nach § 147 Abs 3 StGB vorzunehmenden Neubemessung der Strafe stand den Milderungsgründen des bislang ordentlichen Lebenswandels, des langen Zurückliegens der Tathandlungen und der Tatsache, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, die Tatwiederholung als erschwerender Umstand gegenüber, sodaß die neu bemessene Freiheitsstrafe der unrechtsbezogenen Schuld des Angeklagten entspricht.

Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht ist schon in § 295 Abs 2 StPO, die Kostenentscheidung in § 390 a StPO begründet.

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